Amazon will Gesichtserkennung regulieren

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Amazon will Gesichtserkennung regulieren

Kommentare zum Artikel: 6

Amazon nur ein Onlineshop? Von wegen. Jeff Bezos’ Konzern streckt seine Tentakeln in alle Richtungen aus. Dass Amazon über eine eigene KI-Software zur Gesichtserkennung verfügt, weiß kaum jemand: AWS Recognition heißt der Dienst.

Jeder kann den Service bei Amazon buchen. Als Cloud-Lösung – für wenige Euro im Monat. Wer das System mit Fotos füttert, kann von der KI-Software im Blitztempo Gesichter in Fotoaufnahmen oder sogar Videos erkennen (lassen). Recognition funktioniert tadellos: Ich habe es ausprobiert. Sie erkennt Gesichter, schätzt das Alter, verrät ob die Person auf dem Foto lächelt oder glücklich ist – und vieles mehr. Die KI-Software für die eigenen Zwecke zu nutzen, ist vergleichsweise einfach.

Jeff Bezos hat gut Lachen: Unternehmen schreibt eigene Regulierung für Gesichtserkennung; Rechte: Amazon/WDR/Schieb

Jeff Bezos hat gut Lachen: Das Unternehmen schreibt eigene Regulierung für Gesichtserkennung

Auch Amazon kann nach Gesichtern suchen

Das Beispiel zeigt, wie einfach es heute ist, nach Gesichtern zu suchen. Die entsprechenden Funktionen liegen in der Cloud bereit – für vergleichsweise kleines Geld. Einige Polizeibehörden in den USA nutzen diesen Service bereits, etwa in Florida oder Oregon. Das System leistet gute Hilfe bei der Fahndungsarbeit. Die Behörden laden also Fotos bei Amazon hoch, um andere Fotos oder möglicherweise sogar Live-Video-Streams auf bekannte Gesichter zu durchforsten.

Nicht ganz ohne Beigeschmack, finde ich, wenn einer der größten Datensammler der Erde – der gerade erst diverse neue Alexa-Geräte vorgestellt hat, um an noch mehr Daten zu kommen -, von Behörden frei Haus mit Gesichtsdaten versorgt wird. Amazon selbst legt wert auf den Hinweis dass AWS (also die Cloud-Dienste von Amazon) keinerlei Zugriff auf die von Recognition verarbeiteten Daten haben soll.

Zwar will niemand unterstellen (ich auch nicht), dass sich Amazon als Konzern bei seinen Cloud-Diensten bedient. Aber: Wer weiß… Wir haben in der Branche schon so manches erlebt. Außerdem gibt es immer wieder Sicherheitslecks. Misstrauen schadet also nicht.

Was es braucht, sind klare Regeln – vor allem bei einem so sensiblen Thema wie der Gesichtserkennung. Das sieht sogar Amazon-Chef Jeff Bezos so.

“Gesichtserkennung ist ein perfektes Beispiel für etwas, das wirklich positive Auswirkungen hat, so dass man es nicht bremsen will’, fügte Bezos hinzu. ‘Aber gleichzeitig gibt es auch Potenzial für einen Missbrauch der Technologie, so dass man Vorschriften will.”
Jeff Bezos

https://vimeo.com/364783887

Amazon sammelt Daten im großen Stil

Amazon arbeitet selbst an den Regulierungen

Aber was macht Amazon? Formuliert nun selbst Regeln und sogar potenzielle Gesetze zur Regulierung. Allen Ernstes: Amazon schreibt gemeinsam mit Microsoft auf, wie die Regeln aus ihrer Sicht aussehen sollten. Das ist so, als würde ich dem Finanzminister aufschreiben, wie ich mir eine gerechte Steuerpolitik vorstelle (Journalisten sind von der Steuerpflicht befreit!), oder wenn ich meiner Stadt die Parkregeln diktieren könnte. Schön wäre das schon. Aber würde man mich lassen? Wohl eher nicht…

Große Konzerne aber haben mehr Erfolg darin, Politiker zu “überzeugen”. Wie genau die Regeln aussehen sollen, die Amazon da ausarbeitet, ist nicht bekannt. Für Amazon typisch wäre aber: Es ist alles erlaubt, was technologisch geht und dem Unternehmen Profit bringt. Nur bei extremem Widerstand oder strengen Regulierungen ändert sich was.

Was sagt nun Amazon dazu? Ich wollte es natürlich wissen. Doch – wie leider immer bei Amazon – gab es nichts, auch kein Gespräch, nur ein Link auf einen Blogeintrag. Das muss dann aber auch wirklich reichen.

 

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

6 Kommentare

  1. OFF_LEINER am

    Lieber Herr Schieb,
    vielen Dank, daß Sie verdienstvollerweise unermüdlich die Fahne mehr als berechtigter Digital(wahn)kritik hochhalten:
    Lassen Sie sich auf keinen Fall von den Digitalisierungs-Anbeter*innen entreißen, von denen einige ja auch in Digitalistan schreiben…

    Gestatten Sie mir bitte dennoch eine winzige kritische grammatikalische Anmerkung:
    Der Akkusativ Plural von “Tentakel” lautet ebenfalls “Tentakel”, so daß Amazon seine “Tentakel” ausstreckt, nicht aber “Tentakeln” – INHALTLICH freilich ist Ihrer Kritik voll zuzustimmen.
    Allerdings: Niemand zwingt uns, Amazon zu nutzen – ich z.B. komme allerbestens ohne Amazon aus und kaufe ALLES, in richtigen Geschäften bei lebendigen Menschen!
    Und mir kommt auch weder ein Suchtphone (vulgo “Smarphone” genannt) noch gar so etwas wie Siri oder Alexa ins Haus: Gott bewahre!

    Viele Grüße
    OFF_LEINER

    • OFF_LEINER am

      Entschuldigung, ich hatte in einem Satz ein Wort vergessen.
      Korrekt muß der Satz natürlich lauten:

      “Lassen Sie sie sich auf keinen Fall von den Digitalisierungs-Anbeter*innen entreißen,…”

  2. Finde ich sehr gut. Von der Politik selbst kommen ja keine sinnvollen Vorschläge. Amazon und Microsoft wissen wie man Geld verdient und haben tausende Arbeitsplätze geschaffen. Unsere Politiker können von diesen erstklassigen Unternehmen viel lernen.

  3. P. Gedoehns am

    Eines kann ich mit Sicherheit sagen, nämlich dass es wichtig und richtig war, sich niemals auf Amazon, aber auch nicht auf Facebook,Paypal, Instagram, Google, Apple, Smartphone und den ganzen Wahnsinn einzulassen. Konzerne wie Amazon kann man umgehen, in dem man direkt beim seriösen Online-Händler kauft und eine Sepa-Überweisung als Vorkasse tätigt. Letztendlich sind die vermeintlich günstigen Preise bei Amazon doch sehr hoch, weil die Kunden mit ihren Daten bezahlen. Wenn ich außerdem über den Umgang mit den Mitarbeitern nachdenke, kann es nur beim NEIN zu Amazon bleiben.

  4. Es ist schon clever sich ein eigenes Regelwerk zu erstellen.
    Pro-aktiv passiert in der Politik ohne hin fast nie etwas, sondern nur wenn es Probleme gibt. Wenn man dann auf Selbstregulierung verweist wird Sand ins Getriebe einer gesetzlichen Regulierung gestreut. Ferner wird durch den Verankerungseffekt erreicht das eine evtl. spätere gesetzliche Regulierung sich wahrscheinlich an schon existierenden Werken orientiert.
    Fazit: Man kann Amazon viel vorwerfen, “Dummheit” ist es in diesem Fall aber nicht.

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