Corona Warn App: Datenschutz muss diskutiert werden

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Corona Warn App: Datenschutz muss diskutiert werden

Kommentare zum Artikel: 11

Armin Laschet ist kein “Nerd”, der “mal eben eine neue App entwickelt und vorlegt”. So sagte es der NRW-Ministerpräsident im Gespräch mit dem Philosophen Julian Nida-Rümelin bei Anne Will in der ARD gestern (13.12.2020) Abend süffisant. Ich finde es beruhigend, dass Laschet anderen diese Arbeit überlässt.

Armin Laschet bei Anne will: "Ich bim kein Nerd"; Rechte: ARD/WDR/Schieb

Armin Laschet bei Anne will: “Ich bin kein Nerd”

Erneute Forderung nach einer Tracking-App

Zuvor hatte der ehemalige Kulturstaatsminister Nida-Rümelin angesichts der Corona-Pandemie erneut eine “Tracking-App” gefordert. Explizit. Ohne Drumherum.

Eine App also, die in der Lage ist, Bewegungsprofile zu erstellen: Wann bin ich wo wie lange gewesen? So wie es beispielsweise Google Maps mit seiner Zeitachse wie selbstverständlich macht. Dann aber mit dem  Ziel, die Kontaktnachverfolgung im Falle einer Infektion zu ermöglichen und erleichtern.

Grundrechte werden ohnehin eingeschränkt

Ein vollkommen legitimer Vorschlag, finde ich – selbst wenn man völlig anderer Ansicht ist, weil einem der Datenschutz als höchstes Gut erscheint. Nida-Rümelin macht einen wichtigen Punkt, wenn er sagt: Andere Grundrechte werden während der Pandemiebekämpfung teilweise erheblich eingeschränkt.

Wieso sollte ausgerechnet der Datenschutz – oder besser: das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das nicht mal ein im Grundgesetz verankertes Grundrecht ist – unantastbar sein, während alle anderen Grundrechte das nicht sind? Das ist vollkommen zutreffend. Absolut null Abstriche nur beim Datenschutz – das ergibt einfach keinen Sinn. Da liegt ein Missverhältnis vor.

Beim Tracking stehen mehr Daten zur Verfügung; Rechte: WDR/Schieb

Tracking statt Tracing: Es fallen deutlich mehr Daten an – sie helfen aber auch

Misstrauen verständlich, aber nicht hilfreich

Es kommt ja noch verrückter: Google, Facebook und Co. verfügen längst über diese (und viel mehr) Daten. Wie selbstverständlich. Diesen Konzernen, die ausschließlich an ihren eigenen Profit denken und denen das Gemeinwesen vollkommen schnurz ist, vertrauen Millionen Menschen in Deutschland quasi blind ihre Daten an.

Dem Gesundheitsamt/Staat aber nicht. Hier besteht vollständiges und – wie es scheint – uneingeschränktes Misstrauen. Komplette Ablehnung.

Zurückhaltung richtig – aber nicht um jeden Preis

Sachlich ist das nicht. Hilfreich auch nicht. Dennoch ist die Zurückhaltung in Deutschland verständlich, angesichts unserer Geschichte: Wenn Nazis oder Stasi über heutige Datenpool verfügt hätten… – ein Albtraum. Deshalb denken viele: Wehret den Anfängen.

Verständlich. Und auch richtig. Aber nicht um jeden Preis, denke ich. Solche Maßnahmen müssten zum Beispiel gesetzlich streng eingeschränkt sein. Zeitlich und inhaltlich befristet. Eine weitere Bedingung wäre Freiwilligkeit.

Bei Google und Facebook lachen sie sich schlapp

Nida-Rümelin wird gerne vorgeworfen, er argumentiere mit “GPS” als Trackingtechnologie – und das sei viel zu ungenau. Nun, GPS steuert uns im Auto oder auf dem Rad zuverlässig durch die echte Welt. Und würden GPS und Bluetooth kombiniert, kämen tatsächlich ganz interessante und im Sinne der Corona-Nachverfolgung auch nützliche Informationen zusammen.

Vielleicht gibt es noch andere interessante Ansätze. Es gibt ja Ideen für die Cluster-Nachverfolgung. Es wäre Zeit, darüber ernsthaft nachzudenken – und nicht nur Abwehrreflexe zuzulassen. Eine Impfung ist auch schmerzhaft – aber in aller Regel hilfreich.

Bei Google und Facebook lachen sie sich wahrscheinlich schlapp. Die müssten nur einen Knopf drücken – und alle Daten wären da.

Julian Rümelin fordert mehr Daten, nicht weniger

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

11 Kommentare

  1. Es ist klar, Daten müssen geschützt werden, Menschen aber haben sich dem Datenschutz gefälligst unterzuordnen. Leider herrschen in unserem Land keinerlei Disziplin mehr, sonst würde das alles funktionieren. Die die am leidenschaftlichsten dem Datenschutz huldigen sind auch sehr oft diejenigen, die sich um Kontaktbeschränkung nicht kümmern. Aber Hauptsache wir haben den Datenschutz.

  2. Grzegorz Brzęczyszczykiewicz am

    Schöner kann man dem Terror der digitalen Totalüberwachung nicht das Wort reden. Von China lernen heißt siegen lernen.

  3. Ich bin absolut nicht Ihrer Meinung, weil eine solche App das Pandemie-Geschehen überhaupt nicht beeinflussen kann. Stellen Sie sich mal vor, wie viel Wege jemand unter der Woche zurücklegt. Bspw. Freitags wird dann eine Infektion festgestellt. Wer bitteschön soll denn jetzt jeden einzelnen Meter seit Montag dieser hunderte Kilometer auswerten? Die Gesundheitsämter kommen doch bereits jetzt nicht mit den Datenmengen zurecht. Sie sammeln damit riesige Datenmengen, die niemand verarbeiten kann. Ein solches Tracking-System dient nur einem Zweck, siehe China, der Kontrolle und Bestrafung von Einzelnen, die unter Quarantäne stehen. Und genau diese staatliche Kontrolle will hier niemand. Außerdem müssten Sie die Bürger dann auch per Gesetz verpflichten, diese App auf das Handy zu laden. Gott sei Dank entscheidet man das hierzulande noch selbst. Wenn so etwa käme, würde ich mein Handy abschaffen. Und nu?

  4. Mal ganz unabhängig von der Datenschutz-Diskussion: Wenn eine Tracing-App so einen offensichtlichen Mehrwert bei der Pandemiebekämpfung bieten würde, warum hat dann kein Land der Welt so eine App erfolgreich im Einsatz? Es wird gerne so dargestellt als gäbe es nur in Deutschland einen “Datenschutz-Kult” und alle anderen Länder würden dies anders handhaben. Dabei sind fast alle Apps auf der Welt genauso gebaut wie die deutsche, nämlich auf Basis der Schnittstellen die Google und Apple bereitgestellt haben. Auch nicht in Asien! In Japan gibt es eine App wie in Deutschland, die kam sogar erst nach unserer heraus. In Taiwan gibt es gar keine App! In China gibt es Totalüberwachung (unter anderem mit einer App aber auch mit gesichtserkennenden Kameras, Kreditkartenüberwachung etc.). Ähnlich in Südkorea, dort gibt es nur private Apps, keine offizielle staatliche. Sie stellt auf einer Karte da, wo ein Infizierter gewesen ist. Ob ich dadurch mein Infektionsrisiko wesentlich besser einschätzen kann, so dass sich eine deutliche Verbesserung der Pandemiebekämpfung ergibt bezweifle ich.

    • Taiwan hat zwar keine spezielle App, setzt aber auf konsequentes, sog. “Geofencing”, dort “electronic fence” genannt:
      “… The goal is to stop people from running around and spreading the infection,” said Jyan Hong-wei, head of Taiwan’s Department of Cyber Security, who leads efforts to work with telecom carriers to combat the virus. The system monitors phone signals to alert police and local officials if those in home quarantine move away from their address or turn off their phones. Mr Hong-wei said authorities will contact or visit those who trigger an alert within 15 minutes. Officials also call twice a day to ensure people don’t avoid tracking by leaving their phones at home. …”.
      (vgl. The Independent / Coronavirus: Taiwan tracking citizens’ phones to make sure they stay indoors / 20.3.2020)
      “…Quarantine violators can be fined up to T$1 million ($32,955). … “. Kontrolle und bis zu 32955 Dollar Strafe bei Auflagenverstoß – das schreckt ab!
      “Geofencing” ist, aus Datenschutzsicht, der Super-GAU, aus Marketing- und Überwachungssicht, der Super-Segen; mit bald flächendeckendem 5G, mehr denn je.

  5. Schon korrekt, die Mehrheit legt gegenüber Facebook, Google & Co eine erstaunliche Ignoranz an den Tag.
    Man könnte es aber auch anders herum deuten, dass es an der Zeit ist hier härteren Datenschutz auch wirklich durchzusetzen.

    Und Misstrauen ist berechtigt. Die Daten im Restaurant nur für die Coronanachverfolgung, hust … . Die zeitlich befristeten Anti-Terror Gesetze, wurden kürzlich in den unbefristeten Zustand erhoben …

    Die Alternative absolute Transparenz bezüglich der Speicherung und Verwendung meiner Daten. Das ist zwar geboten und technisch kein Problem, dürfte aber den Verantwortlichen aber zu Aufwendig sein, es könnten ja berechtigte Fragen kommen.

  6. Vor ein paar Tagen habe ich meine etwas ältere Null-Energie-Tracking-App gelöscht. Manche könnten sagen, ich hätte meinen alten Terminkalender in den Müll geworfen. Vorher habe ich aber noch den Datenpool fragmentiert, manche würden sagen ich hätte das Papier zerrissen. Niemand hatte da ein Recht darauf zuzugreifen mit der einzigen Ausnahme, ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss.
    Es gibt keinen Grund das Verfahren in der digitalen Welt zu ändern.
    Corona ist nicht der Killervirus mit 0,23% Sterberate laut WHO und der Nutzen von solchen Tracking-Apps ist nicht groß genug. Das sind Ablenkungsdebatten ohne großen Einfluss auf die Wirklichkeit.
    Ob ich freiwillig ein paar Seiten aus dem Terminkalender dem Gesundheitsamt vorlese oder eine Fotokopie an Mark Zuckerberg verschenke ist eine ganz andere Geschichte.

    • Vooooorsicht mit der Nennung von vergleichenden Sterberaten; darüber wäre kürzlich schon fast unser Ex-Nationalheld- und -torwart, Jens L., gestolpert. Patsch, mit der großen Schietsturmkeule druff und der Tweety war ratzfatz gelöscht. Lehnen Sie sich entspannt zurück: an einem 11. Januar wird der Corona-Spuk, dank bewährter Coronawellenbrecherstrategie, garantiert vorüber sein. Und jetzt, geben Sie gefälligst Ihre Daten frei: niemand hat die Absicht, Ihre Bewegungsdaten zu missbrauchen! Darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort … aber nur (m)ein politisches. ;)

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