Fassaden verpixeln oder nicht?

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Fassaden verpixeln oder nicht?

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Als Google Street View vor etwa zehn Jahren in Deutschland gestartet ist, gab es heftige Diskussionen um die Frage, ob Häuserfassaden nun für jeden auf der Welt sichtbar veröffentlicht werden dürfen oder nicht. Die Verpixelungs-Front hat gesiegt: Wenn Hausbesitzer oder Mieter es nicht wollen, kommt ein “Blur” (Unschärfefilter) über die entsprechende Fassade – und schon sieht Street View an dieser Stelle vermatscht aus.

Apple vermisst Häuser und Straßen ganz genau per Laser; Rechte: WDR/Schieb

Apple vermisst Häuser und Straßen ganz genau per Laser

Noch unsicher, ob Aufnahmen aus Deutschland veröffentlicht werden

Bei Apples Look Around wird es genauso sein. Zwar sind die Proteste nicht mal ansatzweise so laut wie vor zehn Jahren – was möglicherweise daran liegen könnte, dass sich die Menschen an überall und ständig alles fotografierende Passanten gewöhnt haben.

Aber es ist interessant: Apple will nun mehr oder weniger dasselbe machen wie Google vor zehn Jahren – doch Widerstand gibt es wenig. Vielleicht auch deshalb, weil Apple von vorneherein sagt: Wir wissen um die besondere Situation in Deutschland und bieten schon Monate vor Veröffentlichung der Aufnahmen die Möglichkeit, eine Verpixelung zu beantragen (per E-Mail).

Dabei ist – Stand heute – nicht mal klar, ob Apple die Aufnahmen, die die rund 80 Spezialfahrzeuge derzeit machen, überhaupt im Look Around-Dienst veröffentlicht werden. Erst im kommenden Jahr will Apple entscheiden, ob die Aufnahmen gezeigt werden sollen oder nicht. Sie werden vor allem gemacht, um das Kartenmaterial selbst zu optimieren (in Apple Maps). Der Look Around-Dienst mit seinen Panoramabildern ist nur ein (möglicher) Bonus.

Verpixelte Häuseransicht in Streetview; Rechte: WDR/Schieb

Verpixelte Häuseransicht in Streetview

Warum ein Recht auf Verpixelung?

Klar, dass sich Apple nicht festlegen möchte – nach den Erfahrungen, die Google in Deutschland gemacht hat. Wegen der juristischen Auseinandersetzungen und der zahllosen verpixelten Fassaden hat Google in Deutschland die Lust verloren: Seit zehn Jahren gibt es keine neuen Aufnahmen. Und neue Orte, die von Street View abgebildet werden, gibt es auch nicht. Der Zustand von Street View ist in Deutschland eingefroren – während im Rest der Welt ständig neue und aktualisierte Aufnahmen dazu kommen.

Ich bin immer für Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre. Aber der öffentliche Raum gehört allen – nicht einzelnen. Klar, dass Gesichter und Autokennzeichen verpixelt gehören. Aber doch keine Häuserfassaden. Die sind nun mal da. Wirklich gute Gründe, wieso es ein Recht auf Verpixelung geben sollte, konnte mir auch der Jurist Michael Terhaag nicht liefern (siehe Video).

Terhaag erklärte mir: Die auf den Spezialfahrzeugen montierten Kameras (egal ob Google, Apple oder denen anderer Anbieter) sind etwas höher als die Augenhöhe eines typischen Passanten. Das strapaziert die Panoramafreiheit (die urheberrechtliche Freiheit bestimmte Bauwerke fotografieren zu dürfen) schon mal. Dann wäre es schon etwas anderes, wenn in einer Datenbank alle Hausfassaden eines Ortes oder Landes gespeichert werden.

Stimmt. Aber wem schadet das im Alltag tatsächlich? Ein Blick in den Hintergarten-Pool oder nicht? – mit Google Earth ist im Zweifel viel indiskreter. Das stört aber niemanden.

https://vimeo.com/351786011

Jurist Michael Terhaag erläutert den Aspekt der Verpixelung bei Street View und Look Around

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

8 Kommentare

  1. Also ich selbst kann es absolut nachvollziehen, dass die Fassaden verpixelt werden sollten. Ich selbst mag es ja auch nicht, wenn man mir in den Garten filmt. Aber ich glaube, dass der so oder so verpixelt wird.

  2. Die ganze Welt kann man sich anschauen, einfach toll wenn sich mal vorher „umsehen“ kann bevor die Reise losgeht. Nur Deutschland ist wieder vor lauter Borniertheit und Verboten ein weiser Fleck. Es ist zum heulen.

    • Angenommen, ich will bald Richtung Schwarzwald verreisen. Ich möchte mich vorher über meinen Urlaubsort informieren bzw. mich “umsehen”, wie Sie es formulieren. Dazu greife ich u. a. auf digitales Kartenmaterial zurück.
      Fall 1: Ich sehe neben meinem Hotel ein verwahrlostes Haus oder Grundstück.
      Fall 2: Ich sehe neben meinem Hotel ein verpixeltes Haus oder Grundstück.
      Im ersten Fall denke ich, oh je, das sieht aber dreckig aus, da will ich keinen Urlaub machen. Im zweiten Fall denke ich, oh je, das sieht dort betimmt dreckig aus, deshalb wurde es bestimmt verpixelt und da will ich auch keine Urlaub machen.
      Und dann fällt mir ein, dass das Kartenmaterial absolut nicht der Aktualität, sondern nur einer Momentaufnahme von vor zig Jahren entspricht. Auf aktuelle bzw. Echtzeitdaten, via Sat, haben Privatpersonen nun mal keinen Zugriff, wie Militärs, Regierungsbehörden etc.. Und das heißt vielleicht im ersten Fall, dass dort schon seit 2 Jahren z. B. ein schickes Erlebnisbad stehen könnte und vielleicht im zweiten Fall, dass erst vor wenigen Wochen dort ein Blumenhändler neu eröffnet hat.
      Sie erkennen vielleicht, dass es -aus Aktualitätsgründen- absolut EGAL ist, ob verpixelt ist oder nicht; bestenfalls aus optischen/kosmetischen Gründen für die Kartennutzer.
      Was hilft? Z. B. Foren mit aktuellen Bildern von Besuchern oder die Web-App “Mapillary”, in der Hoffnung, dass kürzlich jemand dort filmend/fotografierend unterwegs war und einen Upload gemacht hat … oder einfach die Hotelverwaltung bitten, mir aktuelle Fots von der Nachbarschaft zu mailen. ;)

      • In Deutschland sieht man leider in den meisten Gegenden gar nichts. Wenn was zu sehen ist sollte man natürlich zur Beurteilung das Hirn einschalten.
        Landschaften verändern sich meist sehr langsam.

  3. Sehr geehrter Herr Schieb,
    wie Sie wissen, machen Firmen wie Google oder Apple derartige Aufnahmen ja nicht aus Nächstenliebe. Bei Streetview ging es Google u.a. um Standortbestimmung per WIFI-Sender. Wo liegt also der Nutzen eines solchen Dienstes für den Anbieter und wo für den Nutzer? Und welche Kollateralschäden gibt es? In Streetview wurde z.B. eine derart hohe Auflösung benutzt, dass man per Zoom auch IN die Fenster gucken konnte und sah, welche Bilder, Pokale oder Fernseher der Mieter im Wohnzimmer hatte. Hätte man natürlich verpixeln können, aber warum nimmt man dies überhaupt erst auf? Apple will jetzt u.a. 3D-Modelle erstellen. Das ist deutlich mehr als ein “Fassadenfoto”. Wie verdient Apple dann mit der 3D-Fassade meines Ladens Geld?
    Mir leuchtet auch nicht unbedingt der Nutzen ein. Historische Gebäude, ok; Firmengebäude, vielleicht; aber eine Vorortstraße? Wer sich dort ein Haus kaufen möchte, muss sowieso hinfahren…

  4. Willi Wacker am

    Als die Regelungen zur Panoramafreiheit festgelegt wurden, konnte sich niemand vorstellen, dass ein Internetkonzern systematisch landesweit alle Panoramen abfotografiert und per Datenbank pro Hausnummer abrufbar macht. Daher ist es sehr verkürzt, nur die Regelungen zum Urheberrecht für eine Bewertung zugrunde zu legen. Hier geht es auch um das informationelle Selbstbestimmungsrecht und da bin ich etwas enttäuscht, wenn ein Redakteur einfach “Wem schadet das tatsächlich” schreibt – da hätte ich gerade vom WDR mehr kritische Reflektion erwartet.

    Natürlich finde ich es toll, wenn ich zum Beispiel Urlaubsziele per StreetView vorab unter die Lupe nehmen kann. Würde ich jedoch in einem Mietshaus in der Stadt wohnen, welches außen etwas ungepflegt wirkt, dann wäre ich unglücklich, wenn jeder meiner Kommunikationspartner auf diese Weise einen schlechten Eindruck von mir bekommen wurde – und Kommunikationspartner können zum Beispiel neue Arbeitgeber oder Parshiper sein, die sich ohne mein Zutun ein Bild von mir machen sollen, sozusagen ein Google-Scoring. Gerade in einer Zeit in der alles nach Möglichkeit instagrammable sein soll und sich viele Menschen inszenieren, kann ein Zugriff auf die gammelige Realität schon ein persönlicher Schaden darstellen.

    Das mal nur als Beispiel auf die Schnelle. In gepflegten Vorortsiedlungen gibt es dann zahlreiche andere Gründe, zum Beispiel, weil man sich nicht online auf Einbruchssicherung ausspähen lassen möchte. Ich überlasse es der Fantasie von Herrn Schieb, weitere Gründe zu finden, die aus Sicht der Betroffenen dagegen sprechen, persönliche und personenbezogene Daten zu offenbaren.

    • Jörg Schieb am

      Hallo Willi, ich respektiere diese Argumente — sie sind nicht von der Hand zu weisen. Sowohl was die Panoramafreiheit betrifft (wann erdacht) — aber das gilt für so ziemlich alle Gesetze. Die müss(t)enm dann halt dann und wann mal aktualisiert werden, dann gibt es Rechtssicherheit. Im Augenblick verstehen selbst Jurisiten nicht so richtig, mit welchem juristischen(!) Argument das zu unterbinden sein soll. Ist alles Grauzone.

      Die anderen Aspekte verstehe ich auch. Aber es gibt immer eine Abwägung aus persönlichem und Eigeninteresse. Ich bin IMMER für Datenschutz und Privatsphäre, das kann man hier im Blog denke ich gut erkenne. In diesem speziellen Fall bin ich allerdings anderer Ansicht. Eine Verpixelung erscheint mir persönlich unsinnig. Weil: Warum soll man überall die unschöne Häuserfassade sehen dürfen – in Echt, auf Instagram, im Fernsehen – nur nicht auf Streetview? Das will mir schlichtwichtig nicht einleuchten.

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