In den vergangenen Tagen und Wochen mehren sich die Zweifel, dass die großen Tech-Konzerne – allen voran Google, Apple, Amazon und Facebook – uns wirklich gut tun. Im Gegenteil. Immer mehr Menschen bekommen den Eindruck, sie könnten uns schaden – vor allem der Demokratie.
Nicht mehr, sondern weniger Demokratie
Es hat schon eine gewisse Ironie: In den Anfangstagen des Internet haben viele von einer neuen Wunderwaffe für die Demokratie geträumt. Endlich können Meinungen frei fließen. Keine Stimme wird mehr unterdrückt. Die Mächtigen werden weniger mächtig. Das Internet – ein Land, in dem Milch und Honig fließt.
Doch die Realität sieht eben zu weiten Teilen ganz anders aus. Die Mächtigen werden immer mächtiger: Vor allem die großen Tech-Companys, die die ganze Welt mit ihren Ideologien und Technologien überziehen. Überall soll nach deren Regeln gespielt werden.
Der einzelne “Nutzer” ist vollkommen machtlos. Er kann zwar posten, was er/sie will – wird aber selbst zum Produkt. Hemmungslos durchleuchtet und vermarktet. Alles für den Profit einiger weniger US-Konzerne.
Motto: Profit für uns, Schaden für andere
Und wenn es mal nur das wäre. Ein QAnon-Kult zum Beispiel wäre ohne Facebook ganz sicher niemals so groß geworden. Vor allem nicht so schnell. Ein Attila Hildmann wäre ein kleiner, veganer, unbedeutender Koch geblieben. Einer, der keine hetzerischen und verschwörerischen Videos raushauen kann. Ist die Welt durch Facebook also eine bessere Welt geworden? Ich denke: Nein!
Derzeit schauen sich viele die Dokumentation The Social Dilemma auf Netflix an. Die – in seinen Stilmitteln keineswegs unumstrittene – Doku zeigt, wie die Unternehmen ticken. Sie setzen bewusst süchtig-machende Technologien ein, scheren sich einen Dreck um Recht und Ordnung, um eine gesunde Gesellschaft. Sie haben nur eins im Blick: Wachstum und Gewinnoptimierung.
Prof. Armin Grunwald: Faceboom gefährdet die Demokratie
In den USA mehren sich die Gegenkräfte
Deshalb ist es zu begrüßen, dass in den USA die Kartellbehörden langsam wach werden und diese Umstände unmissverständlich beklagen. Es “drohen” erste Einschränkungen für die Mark Zuckerbergs dieser Welt. Viel zu spät und viel zu schwach. Aber ein Anfang.
Auch in der EU nehmen die kritischen Stimmen zu. Hier ist eine Regulierung aber schwieriger – oder sagen wir: Es erfordert mehr Mut.
Nötig ist es allemal. Denn was passiert, wenn gewinnorientierte Unternehmen ihrer Selbstregulierung überlassen werden, dürfen wir ja gerade alle beobachten: ein Hauen und Stechen in der Gesellschaft. Und maximale Verdrängung. Die Macht des Stärkeren.
5 Kommentare
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Die brauchen definitiv eine größere Kontrolle. Gerade im Bezug auf DSGVO..
Das Internet wurde urspruenglich zur Vernetzung von Forschungsinstitutionen erfunden. Und Wissenschaft, Forschung und Entwicklung haben stark davon profitiert, und auch die breite Oeffentlichkeit hatte es nie so einfach, sich weiterzubilden.
Doch ohne jede Regulierung kommen alle moeglichen Kontributoren, die ihre “Wahrheiten” ohne Kontrolle in den Aether blasen und es vor allem der Oeffentlichkeit zunehmend schwerer machen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Als Astronom werde ich dann oft im Gespraech mit meinen Mitmenschen mit Inhalten konfrontiert, die zwar sehr professionell aufgemacht sind, aber mit echter Wissenschaft nichts zu tun haben. Hier besteht eine grosse Gefahr, dass das unkontrollierte Informationsangebot in Anarchie uebergeht, weil nur noch der Recht zu haben scheint, der am lautesten “Die Wahrheit ueber …” schreit. Kontrolle tut hier not, auch wenn dann wieder gewisse Kreise von Zensur sprechen und einen Angriff auf ihre Freiheit vermuten.
Im Strassenverkehr wurde erkannt, dass es Regeln bedarf, um das Unternehmen zuverlaessig und sicher zu machen. Die Regeln wie Tempolimit, Verkehrsberuhigung oder Promillegrenze waren auch nicht immer populaer (“Freie Fahrt fuer freie Buerger!”), aber doch waren diese Regeln dringend notwendig.
Vielleicht sind wir beim Internet an einem aehnlichen Punkt angekommen. So frei wie moeglich, aber so kontrolliert wie noetig, um gewisse Qualitaetsstandards zu halten.
Ich gebe zu, auch gern auf Facebook abzuhaengen, um ein paar selbstgemachte Astrofotos mit meinen Freunden zu teilen und einfach eine nettes Stueck Freizeit zu verbringen. Doch wenn dann so ein “Teile-wenn-Du-der-gleichen-Meinung-bist”-Muell kommt, wo wieder explizit oder implizit gegen Randgruppen gehetzt wird, und es gewisse Leute wie die Schafe teilen (steht doch dran, “teile es”), dann erschliesst sich mir der Sinn nicht. Es ist weder lehrreich noch unterhaltsam, sondern nur widerlich und des Internets keineswegs wuerdig.
“The Social Dilemma” ist ein empfehlenswerter Film. Sicher im Stil etwas dramatisiert, aber er trifft im Kern genau die Sache. Ich wundere mich, was der US-Fernsehkritiker Neill Postman heute dazu sagen wuerde, waere er noch am leben.
“Nötig ist es allemal. Denn was passiert, wenn gewinnorientierte Unternehmen ihrer Selbstregulierung überlassen werden, dürfen wir ja gerade alle beobachten: ein Hauen und Stechen in der Gesellschaft. Und maximale Verdrängung. Die Macht des Stärkeren.”
Das haben wir in der Presse ja auch. Da rangelten jahrzehntelang verschiedene Verlage um Marktanteile und schrieben auf Teufel komm heraus alles, was ihnen in den Sinn kam. Ohne Kontrolle. Heute rühmt sich die Presse als 4. Macht im Staat, sie gibt es also selbst zu, Macht zu besitzen.
Geschichte wiederholt sich. So oder ähnlich geht es munter weiter. Ob das alles besser ist oder nicht?! Selbst immer mit einem wachsamen Auge lesen und nicht alles geplärre gleich an die große Glocke hängen. Soziale Netzwerke oder Presse, letzteren ist ersteres doch völlig ein Dorn im Auge.
Nun, hier gerät meiner Ansicht nach einiges durcheinander.
Natürlich ist die Presse eine Macht. Wer wollte das bestreiten? Sie unterliegt jedoch strengen Regeln, auch selbst auferlegten, es gibt den Presserat — und die Menschen, die hier arbeiten, haben ihr Handwerk erlernt.
In den Plattformen gibt es all das nicht. Die Presse hat Verfassungsrang. Die Plattformen nicht.
@Carsten Mohr:
“Journalist darf sich nennen, wer eine Tastatur bedienen kann. Ist das gut oder schlecht?”. (Zitat Thomas Fischer, Ex-Vorsitzender am BGH, 2. Strafsenat)
Sie, Herr Mohr, können offensichtlich eine Tatsatur bedienen, wie z.B. auch ich. Tach, Herr Kollege! ;)
P.S. Ich bin übrigens auch noch “Jurist”; ebenfalls eine ungeschützte/wertlose/unverbindliche Berufsbezeichnung (vgl. gemogelter Lebenslauf von Petra Hinz, Ex-MdB-SPD, 2016).