Innenminister inside!

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Innenminister inside!

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Die Politik ist schon merkwürdig. Praktisch alle wichtigen Themen der Digitalisierung lässt sie links liegen. Weil es Mühe kosten würde, sich Gedanken zu machen und eine sinnvolle und überzeugende Haltung zu entwickeln. Nur die Innenminister, die melden sich immer wieder zu Wort. Sie fordern – Überraschung! – mehr Kontrolle. Sie wollen in die Messenger reinschauen können. Sie wollen 5G weniger sicher machen, als es möglich wäre. Und sie wollen Gespräche mit Sprachassistenten abhören können.

Innenminister inside: Smarthome-Geräte sollen Daten herausgeben; Rechte: WDR/Schieb

Innenminister inside: Smarthome-Geräte sollen Daten herausgeben

Behörden sollen auf praktisch alle Daten zugreifen können

Das sind drei Anliegen aus den jüngsten Tagen. Innenminister inside, sozusagen. Bundesinnenminister Seehofer will, dass Messenger verpflichtet werden, verschlüsselte Kommunikation jederzeit auf richterliche Anordnung entschlüsseln zu können – und die Kommunikation an Behörden herauszugeben. Was für den Laien vielleicht sinnvoll klingt, ist in der Praxis fatal: Die heute praktizierte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, die als sicher gilt, geht dann nicht mehr. Und wenn die Messenger-Dienste entschlüsseln können, dann könnte es – theoretisch – jeder. Die vertrauliche Kommunikation ist dahin.

Auch bei 5G soll die geplante Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wegfallen. So wollen es die Justizminister, schreibt der Spiegel. Auch hier: ein nachvollziehbares Anliegen. Strafbehörden müssen arbeiten können. Aber man hat nicht den Eindruck, dass eine dringend erforderliche Abwägung aus Nutzen und Folgen stattgefunden hat.

https://vimeo.com/312404733

Smart-TVs sind jetzt schon indiskret

My SmartHome, my Prison

Der neueste Übergriff: Die Innenminister wollen gerne auf die erhobenen Daten von digitalen Assistenten, Smarthome-Geräten und Internet-of-Things-Devices zugreifen können. Im Vergleich dazu ist der große Lauschangriff aus den 90er Jahren der reinste Kindergarten. Die heutigen Innenminister machen praktisch alle vernetzten Devices zu potenziellen Schnüffel-Werkzeugen. Sie sammeln vorsorglich Daten – und der Staat kann bei Bedarf darauf zugreifen. Wie soll sich das bitte für die Menschen anfühlen?

Natürlich: Strafverfolgungsbehörden stehen vor gänzlich neuen Herausforderungen. Ich kann verstehen, dass hier Begehrlichkeiten entstehen – weil nun mal effektive Polizeiarbeit möglich sein muss. Aber derart einschneidende Eingriffe müssen angemessen diskutiert werden. Denn die Folgen sind nicht absehbar. Es stellt sich zwangsweise das Gefühl der ständigen Beobachtung ein. Ist der Politik aber offensichtlich egal – jedenfalls wird darüber nicht gesprochen.

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

4 Kommentare

  1. Klaus Lohmann am

    Unser Grundgesetz verlangt in Art. 13 für den Einsatz technischer Mittel zur Überwachung innerhalb der Privatsphäre eine richterliche Genehmigung. Ergo muss eine solche in Zukunft auch beim Kauf der Alexa- und Siri-Dosen für zu Hause eingeholt werden, denn deren grundsätzliche Einsatzbereitschaft fürs Lauschen ist bewiesen. Vielleicht machen die Landesgerichte ja demnächst extra Schalter bei Mediamarkt & Co. auf?

  2. Schon seltsam, dass diejenigen aus den sog. “Volksparteien”, die ihre eigenen Bürger so behandeln, sich auch noch mit fässerweise vergossenen Krokodilstränen über Stimmenverlust, Politikverdrossenheit und mangelnden Respekt vor dem politischen Amt beklagen.
    Zur Erinnerung: die letzten großen Tränen vergossen sie, als sie vorgeführt und blamiert bis auf die Knochen wurden … von einem Schüler(!) – Stichwort Doxing. “Angriff auf die Demokratie”, “Angriff auf unsere Republik”, wie manche Blindflugmedien in den diesen Tagen titelten. Ganz großes Mimimi und schreihälsige Forderungen nach (noch mehr) “Cyber-Polizei” und (noch mehr) “Cyber-Abwehrzentrum plus”. Oder hatten die prominenten Damen und Herren etwa Geheimnisse zu verbergen?
    Ob dem/der ein oder anderen doch mal ein ganz kleines Lichtlein aufging, wie sich z. B. “freie” Bürgerinnen und Bürger fühlen müssen, denen man z. B. einen Bundestrojaner unterjubelt oder deren Kommunikation man anlasslos überwacht, darf -vor dem Hintergrund des o. g. innesministerlichen Betrebens- bezweifelt werden. Denn von den Freunden (bis auf Onkel Donald) hinter’m großen Teich lernen, heißt Siegen (gegen was oder wen auch immer) lernen: “Boundless Informant, FAIRVIEW, PRISM, Tempora, Upstream, XKeyscore, …” . Yes, we (s)can!
    Laut Guardian, hatte Edward S. damals rund 1700000 Dokumente stibitzt aber nur ganz wenig daraus veröffentlicht. Er sollte aus seinem Fundus vielleicht mal wieder ‘was freigeben und von REZO, dem neuen Idol (klima-)politisch-engagierter Schwarmschlauberger, daraus ‘n Video basteln und (natürlich erst ganz kurz) vor irgendeiner Wahl veröffentlichen lassen. Stopp, alles Mumpitz! C(DU)netz (btw. nicht mehr als “gemeinnützig” anerkannt – oops) wird alsbald bestätigen: “Denn eins ist sicher: Das deutsche Internet(z)”. Oder war’s doch die deutsche Rente oder das deutsche Klima oder gar alles?
    Egal, also weiter brav den Laber- und Lauschbüchsen die intimsten Geheimnisse anvertrauen (Tipp: Niemals auf Ibiza im Suff Politmonopoly spielen!). Die digitalen Äffchen brauchen schließlich Zucker, die analogen -so scheint es- nicht weniger.
    Oh ja, “Die Politik ist schon merkwürdig.”, wie Herr Schieb oben erwähnt … dem ich nur zustimmen kann, was ich nicht allzu oft tue. ;)

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