Mein Gesicht gehört mir: Kommt ein Verbot für Gesichtserkennung?

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Mein Gesicht gehört mir: Kommt ein Verbot für Gesichtserkennung?

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Unser Gesicht ist wohl eins unserer eindeutigsten Erkennungsmerkmale: Jeder hat eins – und trägt es stets gut sichtbar mit sich herum.

Und es ist heute häufig öffentlich zu sehen: In Fotos, Postings und Videos. Das machen sich windige Unternehmen wie Clearview AI aus New York oder auch PimEyes aus Polen zunutze: Sie sammeln ungefragt im großen Stil öffentlich im Netz zugängliche Fotos und Videos ein, archivieren die enthaltenen Gesichter und erstellen biometrische Daten.

Gesichtserkennung kann mehr als nur Gesichter erkennen; Rechte: WDR/Schieb

Gesichtserkennung kann mehr als nur Gesichter erkennen – auch Alter, Geschlecht und Gemütszustand

Biometrische Daten sind extrem sensibel – da unveränderlich

Die Folge: Wir sind ganz leicht anhand unseres Gesichts zu identifizieren. Es reicht ein Profilfoto bei Twitter oder Facebook – schon können mich entsprechend gefütterte Systeme mit einer erstaunlich hohen Trefferquote auf einem Foto erkennen. Für ein Sicherheitssystem noch OK – aber ganz sicher nicht, wenn Konzerne damit Geld machen und so jede Privatsphäre verloren geht. Auch noch ohne ausdrückliche Zustimmung der Betroffenen.

Das ist keine kleine Sache. Jeder von uns sollte es selbst in der Hand haben, ob seine biometrischen Daten in einer Datenbank landen – insbesondere in der eines kommerziellen Anbieters. Denn Gesichtserkennung ist ein weiteres, sehr potentes Mittel zur kommerziellen Totalüberwachung. Unsere biometrischen Merkmale sind nun mal unabänderlich. Eine Art “serienmäßig eingebaute Advertising-ID” – so dürfte es die Werbeindustrie sehen.

Wichtig zu wissen: Es ist heute technisch wirklich sehr einfach, Gesichtserkennung umzusetzen. Entsprechende Server sind bei Amazon oder Microsoft ohne weiteres buchbar. Und: Sie funktioniert erstaunlich gut.

Jedes Gesicht innerhalb von Sekunden auffindbar; Rechte: WDR/Schieb

Jedes Gesicht innerhalb von Sekunden auffindbar

Europäische Initiative strebt konsequentes Verbot an

Der Chaos Computer Club (CCC) hat sich jetzt deswegen einer europäischen Initiative angeschlossen, die sich Reclaim Your Face nennt und heute (17.02.2021) startet. Wörtlich: Wir sollen die Kontrolle über unser Gesicht zurückerlangen. Zentrale Forderung der Initiative: Das Sammeln von Gesichtern, aber auch anderer biometrischer Daten wie Fingerabdruck, Stimm- oder Gangmuster, Iris etc. als Mittel der Massenüberwachung per EU-Verordnung zu verbieten.

Eine mehr als sinnvolle Initiative, wie ich finde. Denn der unkontrollierten kommerziellen Nutzung gehört ein Riegel vorgeschoben. Es ist allerhöchste Zeit, denn das nächste Clearview AI wartet schon – da bin ich sicher. Und auch Facebook und Co. warten nur darauf, ein sich bietendes Regel-Vakuum zu nutzen.

Traurig genug, dass die Politik nicht von sich aus nach den bereits gemachten Erfahrungen mit Clearview AI, PimEyes und anderen entsprechende Schritte eingeleitet hat. Jetzt wird Druck gemacht – und das ist gut!


Gesichtserkennung: Kommerzielle Anbieter nutzen biometrische Daten ungefragt

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

7 Kommentare

  1. Sie, Herr Schieb, setzen Ihren Schwerpunkt auf den kommerziellen Missbrauch, während die (lobenswerte!) Initiative ganz klar formuliert:
    “… Dennoch werden biometrische Daten zunehmend von den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedsländer[!] und der EU selbst[!], von Behörden und privaten Stellen für die Identifizierung oder die Erstellung von Profilen im öffentlichen Raum[!] verwendet. Eine unterschiedslose oder stichprobenartige Verwendung derartiger Technologien ist biometrische Massenüberwachung. …”.
    Heißt das, dass Sie die staatliche/geheimdienstliche Massenüberwachung (die nicht weniger bösartig ist, als die kommerzielle) gutheißen und “denen” mein Gesicht oder meine Fingerabdrücke ruhig “gehören” können oder gar sollen?

  2. Carsten Mohr am

    Warum verbietet man nicht die maschinelle Massenverarbeitung von elektronischen Daten? Wie war das damals, vor 20 oder 15 Jahren, wo das Stichwort “Schleierfahndnung” umhergeisterte und eben die Massenverarbeitung mit hohen Auflagen für die Behörden verbunden war.

  3. Matthias am

    Danke für den Bericht. Allerdings ist es ja schon sonderbar, ich möchte mich für Privatsphäre engagieren, soll aber meinen Namen, komplette Adresse und Geburtsdatum angeben…
    Anscheindend aufgrund einer EU Richtlinie. So kann man auch Meinungsfreiheit unterdrücken.
    Selbst wenn man keine böse Absicht unterstellt, freut sich ein Hacker wenn die Webseite unzureichend gesichert ist.

      • Die Angabe von Adresse und Geburtsdatum ist notwendig, da es keine “einfache” Online-Petition ist, sondern eine Europäische Bürgerinitiative (EBI). Wird das erforderliche Quorum erreicht, muss(!) sich die Kommission mit dem Anliegen unserer Initiative auseinandersetzen.

        Die verschiedenen Staaten der EU haben hierzu festgelegt, welche Daten erhoben werden sollen, damit sie prüfen können, ob es sich um “echte” Unterschriften handelt. Und Deutschland hat sich nun einmal für Name, Adresse und Geburtsdatum entschieden.

  4. Man wird es nicht verbieten können, die tools und methoden dafür sind verfügbar. das verbot kommt zu spät.

    • Natürlich kann man es verbieten. Man muss das Verbot dann nur durchsetzen, wo immer möglich. Wenn man es nicht verbietet, öffnet es erst recht Missbrauch Tür und Tor.

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