Soziale Netzwerke müssen aktiv nach Beleidigungen suchen

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Soziale Netzwerke müssen aktiv nach Beleidigungen suchen

Kommentare zum Artikel: 4

Während das Berliner Landgericht vor wenigen Tagen durch ein Urteil aufgefallen ist, das jeden vernünftig denkenden Menschen kopfschüttelnd zurück und jeden Anstand vermissen lässt, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) heute (03.10.2019) hingegen eine äußerst intelligente Entscheidung gefällt: Soziale Netzwerke müssen aktiv nach wortgleichen und ähnlichen rechtswidrigen Beleidigungen suchen – und im Zweifel weltweit löschen -wenn ihnen davon Mitteilung gemacht wird.

EuGH verpflichtet Soziale Netzwerke, aktiv nach Beleidigungen zu suchen

Berliner Gericht urteilt verrückt – EuGH vernünftig

Wer soll das noch verstehen? Die Richterinnen und Richter des Berliner Landgerichts haben vor wenigen Tagen entschieden, dass sich die Grünen-Politikerin Renate Künast unfassbare Unverschämtheiten und Entgleisungen in den Sozialen Netzwerken gefallen lassen muss. Ganz so, als ob der gesellschaftliche Trend für immer weniger Respekt und Anstand (vor allem im Netz) als Standard hingenommen werden müsste. Ein Urteil, das Fassungslosigkeit hinterlässt und den Glauben am Rechtsstaat untergräbt.

Die Luxemburger Richter hingegen haben – in einem durchaus vergleichbaren Fall – ein völlig anderes Urteil gefällt, das ohne Weiteres mit dem gesunden Menschenverstand in Einklang zu bringen ist. Die EuGH-Richter haben entschieden, dass Facebook und Co. im Zweifel nicht nur konkret gemeldete Beleidigungen im Netzwerk löschen müssen – das ist nun mal Gesetz! -, sondern auch aktiv nach ähnlichen oder gleichlautenden Beleidigungen suchen müssen.

https://vimeo.com/280822037

Facebook blockiert nicht mal Holocaust-Leugner

Soziale Netzwerke müssen aktiv suchen und löschen

Das ist neu: Wer Diffamierungen in den Sozialen Netzwerken erfährt, kann sich also künftig besser dagegen wehren. Denn bislang müssen Betroffene jede einzelne Beleidigung oder Entgleisung einzeln melden – und die Netzwerke entscheiden dann, ob sie sie löschen. Jetzt haben die obersten Richter klargestellt: Die Netzwerke müssen aktiv nach ähnlichen Postings suchen und diese ebenfalls löschen. Weltweit.

Das bedeutet natürlich sehr viel mehr Aufwand für Facebook und Co. Vor allem Mark Zuckerbergs Unternehmen scheut gerne jeden Aufwand. Aber jetzt müssen die Call-Center ran. Das Urteil gibt Opfern wie der Grünen-Politikern Eva Glawischnig-Piesczek aus Österreich – sie hat die Klage in Österreich angestrengt – wieder Hoffnung und mehr Möglichkeiten an die Hand.

Es ist schließlich schwierig genug, im Netz sein Recht zu bekommen. Im Schatten der Anonymität passiert so manches Unrecht. Während die Richterinnen und Richter aus Berlin das für in Ordnung halten, sorgen die Richter aus Luxemburg zumindest für etwas mehr Möglichkeiten für die Opfer.

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

4 Kommentare

  1. OFF_LEINER am

    Da Sprache nicht nur AUSDRUCK von Bewußtsein ist, sondern auch Bewußtsein SCHAFFT, wäre m.E. schon viel gewonnen, wenn man sich angewöhnen würde, den irreführenden Begriff “soziale” durch den die Wahrheit treffenden Begriff “ASOZIALE NETZWERKE” zu ersetzen. Das würde vielleicht doch manche Leute zum Nachdenken und evtl. sogar dazu bringen, diese ASOZIALEN Netzwerke zu verlassen: “Brauchen” tut die nämlich kein Mensch – das bilden sich nur die Abhängigen ein – aber auch Sucht ist heilbar! :-)

  2. Evelyn Beatrice Hall am

    Urheberrecht, Fake News, politische Korrektheit, jetzt Beleidigung, das sieht nach Zensur auf breiter Front aus. Sicher gibt es irgendwo Grenzen aber (Meinungs)Freiheit ist ein so hohes Gut, dass diese Grenzen extrem Großzügig ausgelegt werden sollten.
    Nach meiner Meinung waren die Grenzen bei Renate Künast zumindest in einzelnen Fällen überschritten. Man muss sich aber auch mal ohne Beratung durch einen Anwalt über Politiker aufregen dürfen. Hier würde ich schon für ein Bußgeld plädieren, was beim Verhältnis Aufwand zur Bußgeldhöhe auch eingestellt werden kann und dann läuft es auf das gleiche hinaus.
    Die Entscheidung die Luxemburg sehe ich extrem kritisch, weil es bei der Einstufung immer auf den Zusammenhang ankommt. Wenn zum Beispiel Lobbyinteressen vor Allgemeinwohl geht, sehe ich den Begriff „Volksverräter“ schon als zulässige Meinungsäußerung. Den konkreten Fall kenne ich nicht; es ist aber auch egal weil irgendein Angestellter nicht geeignet ist in jedem Einzelfall die Zusammenhänge bewerten zu können und daher ist das ein Fehlurteil. Selbst Gerichte könnten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, auf hoher See und vor Gericht …
    Also im Kern ist was dran, aber in der Richtung ist das zu weit gefasst. Ich muss und kann jetzt auch mit der Meinungsäußerung leben, dass ich kein „vernünftig denkenden Mensch“ sein soll. Die Richter in Berlin können das auch, nur im Gerichtssaal selbst könnten „beim Verhältnis Aufwand zur Bußgeldhöhe“ dafür ein paar Euro fällig werden.

  3. Bleibt abzuwarten, was künftig als “Beleidigung” eingestuft wird und was nicht.
    Das dürfte -insbesondere hierzulande- davon abhängig sein, wer von wem wegen was beleidigt wurde. Siehe z. B. spon . de/aeVTR – in diesem Fall verhielt sich jedenfalls die Empörungsgemeinde der Haltungzeigenden ziemlich lautlos.
    Wobei Austeilende und gewieft Provozierende (egal, welcher Parteifarbe oder Gesinnung zugehörig) eigentlich immer damit rechnen sollten, dass darauf polarisierende und ggf. eben auch beleidigende Reaktionen folgen: Wie man in den Wald ruft… . Wer zu dünnhäutig ist oder damit nicht umzugehen vermag, sollte sich vielleicht mäßigen oder auf diesen pseudo-sozialen Reichweitemedien besser gar nichts mehr posten.
    Und: noch lange nicht jede/r ist kommunikativ in der Lage, dem Gegenüber -durch die Blume- mitzuteilen, dass er sie/ihn für ein/e !”§$%&/()=? hält. ;)

  4. Die großen Plattformen wie Facebook und Instagram lassen das sicher über einen Algorithmus laufen. Am Ende ist der kleine Webseiten Betreiber mit einem Forum dann wieder der Dumme weil er alles händisch kontrollieren muss.

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