US-Kongress: Fragen an die großen Vier

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US-Kongress: Fragen an die großen Vier

Kommentare zum Artikel: 11

Eine Anhörung vor dem US-Kongress ist kein gemütlicher Plausch. Es gibt strenge Regeln – das Ganze kommt eher einem Gerichtsverfahren gleich. In der deutschen oder europäischen Politik gibt es leider nichts Vergleichbares. Denn hier – und nur hier! – kann oder könnte die Politik mal deutlich machen, wer eigentlich das Sagen hat – oder haben sollte.

Neben Jeff Bezos von Amazon mussten auch Google, Facebook und Apple aussagen; Rechte: WDR/Schieb

Neben Jeff Bezos von Amazon mussten auch Google, Facebook und Apple aussagen

US-Kongress befragt die mächtigsten IT-Konzerne

Mittwoch abend (29.07.2020) saßen vier besonders mächtige Männer artig gekleidet vor ihrer Videokamera. Denn wegen Corona fand die Anhörung vor dem US-Kongress in einer Videoschalte statt: Jeff Bezos (Amazon), Mark Zuckerberg (Facebook), Sundar Pichai (Google) und Tim Cook (Apple) mussten Rede und Antwort stehen. Ungewohnt für die vier, die sonst selbst das Zepter in der Hand halten.

Es ging bei der mehrstündigen Session um die Frage, ob die US-Konzerne zu viel Macht haben – und ob und wie sie diese ausnutzen. Fragen, die dringend gestellt werden müssen. Auch bei uns. Denn es gibt genügend Beispiele für Machtmissbrauch, etwa bei Apple.

Die Politik in den USA ist erkennbar weniger gut auf die Tech-Konzerne zu sprechen als noch vor ein paar Jahren, als die Damen und Herren aus dem Silicon Valley hofiert wurden. Heute schauen viele Politiker – aus unterschiedlichen Gründen – sehr viel kritischer auf die Konzerne.

Nicht ob, sondern wie die Macht missbraucht wird

Meiner Ansicht nacht stellt sich ohnehin nicht die Frage, ob die Konzerne zu viel Macht haben. Das liegt auf der Hand. Da die Unternehmen die besonderen Privilegien des Internet ausnutzen, agieren sie in einem Eldorado: Sie operieren weltweit, definieren mangels konkreter nationaler Regeln und Gesetze vor allem nach eigenen Spielregeln, sie zerstören überall auf der Welt Arbeitsplätze (vor allem Amazon) und steuern nach Belieben die Finanzströme.

Steuern werden – wenn überhaupt – nur dort gezahlt, wo geringe Steuern anfallen. Eigentlich sind die Tech-Konzerne ein Albtraun für die Politik – weil sie keine Waren herstellen und umschlagen, wie früher. Sondern weil sie mit Unsichtbarem ihr Geld verdienen. Darauf sind Politik und Gesetzgebung nicht ausreichend vorbereitet.

Die EU sollte auch Anhörungen durchführen – und Machtverhältnisse klären

Die Anhörung vor dem US-Kongress hat erst mal nicht viel gebracht. Aber zum ersten Mal wurden viele wichtige Fragen gestellt. Etwa, ob es stimmt, dass Amazon seine Händler ausspioniert und erfolgreiche Produkte einfach selbst herstellt. Das ist allgemein bekannt – wird bislang aber nicht geahndet.

Ich wünsche mir ähnlich gut vorbereitete Politiker in der EU – mit einem ähnlichen Instrument wie die Anhörung vor de US-Kongress. Nicht, um die Tech-Bosse zu demütigen, sondern um die wichtigsten Fragen zu stellen – und dann dringend nötige Regeln auf den Weg zu bringen.

Amazon sammelt immer mehr Daten über seine Nutzer

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

11 Kommentare

  1. Spannende Entwicklung. Das letzte Wort bei der “GAFA-Ökonomie” ist aber noch lang nicht gesprochen. Mal schauen wo es noch hingeht.

    Danke für den Artikel!

    Viele Grüße
    Benjamin Eidam

  2. DollyToll am

    Ist das Bild oben von Bezos gemorpht? Die Augen erinnern mich an den ehemaligen Drummer der WHOs …

  3. Ich denke es ist sehr unwahrscheinlich das die USA einen der Big-4 zerschlagen wird.
    Eine Zerschlagung schwächt die Big-4 und ermöglicht andere Wettbewerber.
    Klingt gut, doch gerade in der stark globalisierten IT-Welt kann es dann gut sein das die Wettbewerber dann nicht aus den USA kommen.
    Ich spekuliere, dass das dann dort doch keiner möchte, Anhörung hin oder her.
    Generell ein Problem das man eigentlich zuviel Marktmacht aufspalten sollte, doch im zunehmenden Nationalismus niemand die eigenen Konzerne schwächen wird, welche globale Monopolisten sind.

    • DollyToll am

      @Schieb: “Mit gut vorbereitet meine ich: Gut munitioniert — um Druck ausüben zu können.”
      Und wenn Trump die Wahlen im Nov. mit seinem aktuellen Lügengeschwätz gewinnen sollte, wird diese “Wort-Munition” vielleicht zu echter! Er liebt doch das Militärische!
      Man kann in Europa nur hoffen, dass das Wahlvolk nicht nur in den USA kapiert, dass Kapitalismus und Rechtspopulismus Menschenverachtung heißt! Beides zusammen wirkt dann nur noch als gegenseitige Verstärkung!
      Man sollte doch den Amis die Filme zur Zwangsanschauen geben, die uns damals als ‘Nazi-Deutschen’ gezeigt wurden!
      Leute, Leute, was ist aus dem Ami-Land geworden?!
      Pfui!

  4. Mit Instrumenten der “freien Marktwirtschaft” wird man den 4G nicht beikommen auch nicht den Big4 aus der WiPrü…
    Hier helfen nur neutrale Kontrollgremien wie z.B. das BVerfG, die vor allem unabhängig und sehr gut besoldet und abgesichert sein sollten.

    • Jörg Schieb am

      Wofür steht WiPrü? Das Bundesverfassungsgericht kümmert sich um solche Fragen nicht, wohl aber die Kartellbehörden :)

  5. Ich verstehe sowieso nicht, weshalb diese Konzerne so weit gehen dürfen. Microsoft wollte man 2003 zerschlagen, dabei waren sie bei weitem nicht so groß und bösartig wie es die genannten Konzerne teilweise sind.
    Damals wurde beanstandet, dass Windows und Office von einem Unternehmen stammen. Was bieten Google und Amazon heute alles an? Deutlich mehr würde ich sagen. Von einer Zerschlagung der Unternehmen keine Spur.
    Verkehrte Welt. Offenbar wird nicht immer mit demselben Maß gemessen. Einkaufen bei Amazon ist schließlich so fürchterlich bequem.

    • “Microsoft wollte man 2003 zerschlagen, dabei waren sie bei weitem nicht so groß und bösartig wie es die genannten Konzerne teilweise sind.”
      Tatsächlich? Einfach mal lesen … aufschlussreich und erschreckend:

      tagesspiegel . de/gesellschaft/cyber-attacken-auf-staatliche-it-europas-fatale-abhaengigkeit-von-microsoft/19628246-all.html

      “In ganz Europa basiert die staatliche IT auf Microsoft-Programmen”!
      “Fragen von Investigate Europe blieben unbeantwortet”
      “Behörden sind Willkür von Microsoft ausgeliefert”!
      “Die EU-Kommission ignoriert ihre eigenen Experten”!
      “Bizarre Verfahren statt Wettbewerb”!
      “Aussteigern wird zugesetzt”!
      “Lobbyisten arbeiten direkt in Ministerien”!

  6. “Ich wünsche mir ähnlich gut vorbereitete Politiker in der EU”.
    Hört-hört! ;-)
    “Wer ist die größte Lobbymacht in Brüssel?” (FAZ online, 13.8.2019)[*].
    Antwort-Spoiler: Die Chemieindustrie und die großen US-Internetkonzerne!

    [*] “…. Der größte Unternehmenslobbyist in Brüssel stammt allerdings nicht aus Deutschland, sondern aus den Vereinigten Staaten: Google hat zuletzt gut 6 Millionen Euro für Lobbyarbeit in Brüssel ausgegeben. Die Zahl ist allerdings aus dem Jahr 2017, da der Konzern noch keine neueren Angaben gemacht hat. Überhaupt scheinen die Digitalkonzerne die fleißigsten Lobbyisten zu sein: Auf den Plätzen hinter Google folgen Microsoft (mehr als 5 Millionen Euro) und Facebook (mehr als 3,5 Millionen Euro). ….”

    Yes, Oui, Ja, Si! “Gut vorbereitet” werden sie gewiss sein, diese EU-Politiker. ;-)

    • Da drehst Du mir aber die Worte im Mund herum. Die Anhörungen sind extrem hart – da ist nix mit Lobbyarbeit, scheint mir. Da die Anhörungen öffentlich sind, wird es auch schwieriger, sich kumpelhaftig zu verhalten. Mit gut vorbereitet meine ich: Gut munitioniert — um Druck ausüben zu können.

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