Vorsicht vor dem Morbus Effectus

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Vorsicht vor dem Morbus Effectus

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Seit Jahren schon grassiert eine Krankheit, die sich mittlerweile epidemieartig verbreitet. Vielleicht ist es Euch ja auch schon aufgefallen: Fast kein Foto oder Video schafft es heute noch ohne Effekte, Filter oder andere Formen der Nachbearbeitung in die virtuellen Fotoalben (also in der Regel in die Sozialen Netzwerke). Ein Chroma-Filter hier, ein Hautverschönerer dort. Und eine virtuelle Brille, ein Smiley oder ein Hasenöhrchen dürfen natürlich auch nicht fehlen… Was wären Instagram Stories ohne Filter, Effekte, Sticker und anderen Unsinn?

Den Schlamassel eingebracht haben uns Instagram und Snapchat. Ein Abbild der echten Welt sehen wir praktisch kaum noch. Auch wenn wir die in dieser Hinsicht besonders “verseuchten” Stories mal außen vor lassen: Selbst Fotos und Videos verunstalten wir doch häufig mit Effekten. Und wer nun glaubt, wenigstens die Haustiere blieben von diesem Unsinn verschont: Weit gefehlt, denn Snapchat hat jetzt doch tatsächlich einen speziellen Fotofilter für Hunde eingeführt. Ein neuer Tiefpunkt.

Spezielle Filter für Hunde in Snapchat; Rechte: Snapchat

Spezielle Filter für Hunde bei Snapchat: Software erkennt Vierbeiner und verunstaltet sie

Effekte, wohin das Auge blickt

Ich fürchte, ich habe mich auch infiziert: Seitdem ich Panoramakameras wie die GoPro Fusion oder die Insta 360 One X besitze, probiere ich durchaus auch, was damit alles geht. Etwa den Tiny-Planet-Effekt (siehe Foto). Oder – ganz neu: den Bullet-Time-Effekt in Videos. Da rotiere ich die Kamera an einem Mini-Seil um meinen Kopf und am Ende entsteht im Video der Eindruck, als ob eine Mini-Drohne um mich herumgeschwirrt wäre. Bei reduziertem Tempo – deshalb nennt sich der Effekt “Bullet Time” (aus dem berühmten Matrix-Film). Tolle Sache, kann nicht jeder mit aufwarten. Ab damit in die Sozialen Netze.

https://vimeo.com/309004995

Der Bullet-Time-Effekt: Ganz neu – und schon bald überall?

Morbus Effectus: Hauptsache Effekte eingesetzt

Ein klarer Fall von Morbus Effectus, würde ich sagen. Bilder machen, nur um bestimmte Effekte einsetzen zu können. Der unbeugsame Zwang, ein Foto oder Video mit diversen Effekten aufzumöbeln und nur so in die Welt zu entlassen. Natürlich: Dosiert eingesetzt können Effekte, Filter oder Sticker schon mal unterhaltsam sein. Nur: Sie werden nicht mehr dosiert eingesetzt. Sie stehen häufig genug sogar im Vordergrund. Die Realität scheint zu öde, zu langweilig, zu uninteressant für die Sozialen Netzwerke.

Das ist nicht nur traurig, das ist gefährlich. Klar, es hat sich schon der Hashtag #nofilter durchgesetzt. Für alle, die gar nicht glauben wollen, dass es so etwas gibt: Ein Foto/Video ohne Filter. OMG. Man stelle sich das nur mal vor. Unbearbeitet.

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

2 Kommentare

  1. Morbus Effectus und Morbus Relotius scheinen, aus rein symptomatischer Sicht, vom gleichen Erreger abzustammen.

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