VoteBase: Würdet Ihr digital den Bundestag wählen?

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VoteBase: Würdet Ihr digital den Bundestag wählen?

Kommentare zum Artikel: 18

Wenn Torwart Manuel Neuer eine Immobilie kauft, um sie zu vermieten, ist das keine Meldung wert. Investiert der Goalkeeper aus München aber in ein Start-up namens VoteBase, berichten die Medien darüber – sogar das ehrwürdige Handelsblatt. Ganz so, als wäre das in irgendeiner Form relevant.  Oder eine Auszeichnung für das junge Unternehmen, in das der Multimillionär sein Geld investiert.

Aber so funktioniert die Medien-Gesellschaft leider: Boulevard vor Relevanz.

Torwart Neuer hat in Start-up investiert; Rechte: WDR/Schieb

Torwart Neuer hat in Start-up “VoteBase” investiert

App will Wahlen digital ermöglichen

Eins bewirkt die Investition aber sicher: Das Start-up steht im Rampenlicht. Nun gut, schauen wir hin.

VoteBase will Wahlen “sicher digitalisieren”, wie es auf der Webseite heißt. Es prangt ein “Ethereum”-Logo auf der Startseite. Blockchain also, absolutes Hype-Thema – weil Krypto-Währungen durch die Decke gehen. Nur macht das das digitale Wählen mit einer App deswegen nicht automatisch sicher, aber dazu später mehr.

Viel sagen kann ich nicht über die Wahl-App von VoteBase – einer Firma mit Sitz in Bergisch-Gladbach. Denn die App gibt es noch nicht – und besonders auskunftsfreudig ist die Webseite auch nicht. Aber die Idee, digital wählen zu können, die ist zumindest interessant – und deshalb eine paar Überlegungen wert.

Digital wählen: Klingt verlockend - aber kann das funktionieren? Rechte: WDR/Schieb

Digital wählen: Klingt verlockend – aber kann das funktionieren?

In einer idealen Welt eine gute Idee

Die Macher stellen klar: Mit VoteBase sollen sich nicht etwa nur Bundes- oder Landtagswahlen abhalten lassen, sondern Wahlen im Allgemeinen. Etwa in Unternehmen, Vereinen, Konzernen, Parteien. Das ist ein guter Anfang, denn auch hier wird häufig gewählt – und Wahlen sind ein logistisch aufwändiger Prozess, keine Frage.

Aber überspringen wir all das und kommen zur entscheidenden Frage – schließlich wird in vier Wochen in Deutschland gewählt: Wäre es klug, wenn wir digital wählen könnten – mit Smartphone?

In einer idealen Welt möglicherweise. In einer Welt, in der jede/r ein Smartphone hat, das nicht gehackt oder geknackt werden kann, in der flächendeckende Versorgung mit Mobilfunk garantiert ist (was Deutschland schon mal direkt ausschließt) und in der niemand auf die Idee käme, Opa Carlos oder Tante Gerda vorzuschlagen, für ihn/sie die Wahl zu übernehmen und “das mit der Wahl auf dem Handy mal eben schnell zu erledigen”, da ganz bestimmt nicht.

Es mangelt an Sicherheit – und vor allem an Vertrauen

Es kann einfach zu viel schiefgehen. Es gibt zu viele Kräfte, die ein vitales Interesse daran haben, westliche Wahlen zu beeinflussen und zu manipulieren – im In- wie im Ausland. Jedes digitale System hat Schwächen, also Angriffsflächen. Und die würden auch ausgenutzt. Und was vielleicht noch schlimmer ist: Selbst wenn das nicht passiert, würde genau das immer angenommen oder behauptet. Donald Trump ist es auch gelungen, Zweifel zu säen. Und wenn sich Briefwahlen manipulieren lassen, dann doch wohl erst recht digitale Wahlen – oder?

In einer Welt, in der erschreckend viele Menschen befürchten, mit einer Corona-Warn-App ausgespäht oder mit einer Luca-App in eine Diktatur gezwängt zu werden, in der wird es wohl nie Vertrauen in eine digital abgewickelte Wahl geben können. So weit sind wir einfach nicht – weder technisch, noch gesellschaftlich.

Das sind keine KO-Kriterien gegen die App. Die ist vielleicht super gemacht – und kann möglicherweise viele Wahlen stilvoll und effizient erledigen helfen. Aber politische Wahlen wohl eher nicht.

https://vimeo.com/575403049

Zahl der Angriffe nimmt dramatisch zu

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

18 Kommentare

  1. In jedem Bereich gibt es Vor- und Nachteile. Hier ist ein anderes Beispiel: In Zukunft soll es möglich sein, dass wir als “Bürger” entscheiden können, ob wir unseren Ausweis beim zuständigen Rathaus abholen oder per Post erhalten. Ich bin für die zweite Option, da ich glaube, dass jeder das Problem kennt, dass das Rathaus nur bis 17 Uhr geöffnet hat, man auf der Arbeit ist und nicht früher gehen kann. Also muss man sich freinehmen und dann pünktlich zum Termin kommen, wo man oft noch warten muss. Es wäre also stressfrei, wenn der Ausweis per Post zugestellt wird.

    Nun zum Thema “digitale Bundestagswahl”. Ich persönlich bin überzeugt, dass dies früher oder später kommen wird, vielleicht nicht im Jahr 2023, sondern erst 2030. Auch hier wird es Vor- und Nachteile geben, aber letztendlich muss man sagen, dass es immer Menschen geben wird, die es gut oder schlecht finden, wie in jedem Lebensbereich und bei Entscheidungen, die getroffen werden. Manche würden es machen, andere nicht.

  2. Be aus NRW am

    Die Idee finde ich eigentlich gut. Es müsste aber einen Weg geben, bei dem ausgeschlossen werden kann, das die Stimme nach dem Abschicken verändert wurde. Also müsste sich jeder Benutzer identifizieren (z.B. über einen Ausweis mit Onlinefunktionen und Fingerabdruck) ohne dass dabei Daten über seine Stimmabgabe bekannt werden können. Die Fingerabdrücke müsste auch irgendwo gespeichert sein und dürften nicht für andere Zwecke verwertet werden, denn sonst würde das Vertrauen der Bürger erschüttert. Mobil über Handy, Android und Google oder andere (Groß-)Konzerne würde mir persönlich ein Wahl nicht gefallen. Vielleicht von einem heimischen PC aus, es bleibt aber schwierig, wie will man sicherstellen, dass die Wahl dort auch geheim ist. Der/die Partner(in), die Eltern oder ein(e) Dritte(r) könnten bei der Abgabe (kontrollierend) anwesend sein. Ich weiß auch nicht, ob Deutschland im IT-Bereich gut genug ausgestattet ist, um mögliche Angriff von anderen Ländern (ich nenne jetzt bewusst keine Namen) zu verhindern. Das ist m. E. eine riesige technische Aufgabe. Ein Vorredner erwähnte eine Ungültig-Wahlmöglichkeit. Eine solche fände ich gut, vielleicht ein Ungültig-Option mit einem Kommentarfeld zufügen, denn dann hat man sich nicht entschieden, gilt aber nach den Wahlunterlagen zumindest als Wähler. Ich bin nicht unbedingt ein Freund von Enthaltungen, aber diese sind meiner Ansicht nach auch ein Ausdruck einer politischen Meinung.

    • Jörg Schieb am

      Ich denke, ich schaue mir die technischen Details mal genauer an — eignet sich zweifellos mal zur Berichterstattung in Angeklickt. Dann könnten viele dieser berechtigten Fragen beantwortet werden.

    • Ich erwähnte es weiter unten schon mal, aber ein Kriterium bei Wahlen ist die Öffentlichkeit. Das BverfG hat dazu 2009 geurteilt, das dies bedeutet, eine Wahl muss von jedermann ohne Expertenwissen nachvollziehbar sein. Sobald irgendwelche Software ins Spiel kommt, kann man ohne Experten, die diese Software und die zugrundeliegenden kryptographischen Verfahren verstehen und analysieren, eine Wahl nicht mehr nachvollziehen. Oder anders gesagt, man hätte keine andere Möglichkeit, ausser den Experten zu vertrauen.

      So schön und bequem es wäre, mit einer App von zu Hause wählen zu können und auch wenn so ein System alle sonstigen Kriterien (allgemein, frei, geheim, unmittelbar, gleich) erfüllte, wäre es keine öffentliche Wahl mehr, weil nur wenige Experten mit entsprechendem Spezialkenntnissen überprüfen könnten, das dabei alles mit rechten Dingen zugeht.

      Briefwahl ist schon ein Kompromiss, der Abstriche beim Kriterium „frei“ macht. Ich möchte nur der Bequemlichkeit wegen nicht noch Abstriche bei der Öffentlichkeit einer Wahl hinnehmen. Deshalb ist Votebase oder jede auf Software und/oder kryptographischen Verfahren basierende Wahl eine schlechte Idee.

  3. Das ist eine ganz schlechte Idee. Selbst wenn man eine technische Lösung hätte, die beweisbar manipulationssicher wäre, sollte man ein solches System trotzdem nicht einsetzen. Wahlen müssen u.a. öffentlich sein, d.h. sie müssen bei uns von jeder/jedem ohne Expertenwissen nachvollzogen werden können. (Siehe BVerfG Urteil zu Wahlcomputern von 2009). Schon dieses eine Kriterium wird man mit technischen Lösungen nicht hinbekommen, auch ein Startup aus Bergisch-Gladbach nicht.

    • Jörg Schieb am

      Nun, es könnte ja eine Option sein — so wie die Briefwahl. Dann würde das Argument mit der Barrierefreiheit nicht mehr gelten, oder?

  4. Zitat “Es mangelt an … vor allem an Vertrauen”

    Wenn Politiker und Sicherheitsbehörden immer wieder Möglichkeiten von Hintertüren fordern.
    Wenn Sicherheitsbehörden bewusst bekannte Sicherheitslücken zurückhalten, um diese für die eigenen Zwecke zu verwenden, z.B. einspielen von Staatstrojanern.
    Wenn Politiker wieder und wieder im Digitalen Ihren Dillentantismus zur Schau tragen, auch in Sicherheitsfragen, z.B. der Umgang mit der Bekanntgabe von Sicherheitslücken in den Connect-App der CDU.
    Wenn Politiker nicht verstehen wollen, dass digitale Sicherheit nur durch echte Autarkie entsprechender Komponenten von externen ausländischen Zulieferern erreicht werden kann.
    Wenn Politiker nicht verstehen wollen, das Open-Source kein Teil des Problems sondern der Lösung für digitale Sicherheit ist.

    Dann kann natürlich kein Vertrauen entstehen.

    Vertrauen entsteht durch Transparenz.
    Vertrauen entsteht durch Kommunikation.
    Vertrauen entsteht durch professionelles Verhalten und Verstehen.
    Vertrauen entsteht durch die Priorisierung digitaler Sicherheit vor anderem.

    • Jörg Schieb am

      Das ist korrekt. Für das Projekt VoteBase spricht, dass es OpenSource ist — also durchaus transparent. Das hat der Corona Warn App auch viel Vertrauen verschafft.

  5. Analoger Wähler am

    Zustimmen kann ich bei der Einschätzung, dass zu viel schief gehen kann. Zu oft haben sich scheinbar sichere Systeme als anfällig erwiesen und an Pannen mit Wahlmaschinen in den USA kann ich mich auch erinnern.
    Nicht zustimmen kann ich dem Framing, dass Zweifel an Wahlergebnissen reine rechte Propaganda von Trump und Co. wäre. @„Jedes digitale System hat Schwächen, also Angriffsflächen“; das Wort „digital“ als Einschränkung muss aus dem Satz raus denn das gilt auch für analoge Systeme.
    Erinnern kann ich mich an eine NRW-Landtagswahl, bei der man Stimmen für die AfD einfach mal anderen Parteien zugeordnet hat und an die Geschichte bei einer Kommunalwahl ausgerechnet in der Clanhochburg Duisburg, bei der man Blanko-Wahlunterlagen bei einer Razzia bei der Partei BiG gefunden hat. Das Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit (BiG) „ist eine überwiegend von Muslimen gegründete Partei und beabsichtigt nach eigener Darstellung, sich insbesondere für die Interessen von Migranten einzusetzen“ (Wikipedia). Das mag auf Landesebene keine entscheidende Bedeutung gehabt haben aber die falschen Leute in einem Stadtrat hätten schon Unheil anrichten können. Darüber hat auch der WDR berichtet aber eben nur sparsam; wären die Wahlfälschungen in eine andere politische Richtung gegangen wäre das bestimmt heute noch Thema.
    Sowohl die digitale als auch die analoge Wahl haben ihre Angriffsflächen und das darf man in beiden Fällen nicht polarisiert naiv sehen. Mit einer zusätzlichen digitalen Wahlmöglichkeit hat man eben nur zusätzliche Angriffsflächen und Fehlermöglichkeiten. Bei Umfragen zur Wahl der Verbraucher ob man lieber rote oder grüne Gummibärchen mag, sehe die Problematik digitalen Wählens aber nicht ganz so gravierend.

    • Digitale Prozesse lassen sich wunderbar automatisieren. Damit läßt sich vieles vereinfachen und kostengünstiger gestalten, leider auch Betrug.

      Ferner entkoppelt Digitales auch Örtlichkeiten. Damit können Kriminielle Ihre Taten von Orten durchführen, zu denen die Behörden keinen oder nur schwer Zugriff haben. Eine Aufarbeitung der Geschehnisse ist im digitalen oftmals nicht umfänglich möglich.

      Das macht am Ende dann doch einen deutlichen Unterschied zur analogen Wahl aus und den Möglichkeiten diese zu beeinflußen.

  6. R. Fleischer am

    Bewusstes “ungültig” wählen, um einen ggf. argen, politischen Unmut auszudrücken, wäre damit auch vom Tisch, oder sieht die App etwa ein Feld “Ich wähle ungültig.” vor? ;-) Eine derartige App würde ich auch nur für den Sportverein o.ä. nutzen, aber bestimmt nicht für eine politische Wahl. Geheimdienste und Hackerlegionen würden sich die Finger nach einer solchen App lecken. Neuer auf Smudos Spuren, soll wohl digitale Expertise und Vertrauen generieren. Nur generieren, garantieren aber nicht, wie man den zahlreichen Begutachtungen der Luca-App durch neutrale und echte Datenschutzexperten entnehmen konnte.

  7. S. Reinhold am

    Digitale Bundestags- oder andere Wahlen? Gute Idee. – Aber nicht in Deutschland. Warum nicht, legt die laufende Pandemie schonungslos offen. Deshalb fange ich mit der Aufzählung gar nicht erst an. Die würde Seiten füllen.

  8. Ich würde mich freuen, wenn auch die Wählerei endlich digital zu machen wäre. Die persönliche Steueridentifikationsnummer sollte dabei der Schlüssel sein, um Betrügereien sicher zu verhindern ! Die Wahlbenachrichtigung bekommt auch eine Serien-Nr. und dann kann man das auch ganz leicht digitalisieren, weil diese Daten dann abgefragt werden. Die Zuordnung der Serien-Nr. zur Steuer-Nr. ist dann der sichere Schlüssel…

    • Durchwinker am

      Ist es nicht. Das Hackargument oder Probleme bei der Internetverbindung entkräften dich direkt leider.

    • Johann Moritz am

      @Gandalf: Ist die Wahl dann noch geheim? Damit wäre es doch ein Leichtes, die Wahlstimme dem Wähler zuzuordnen. Und das ist nicht erlaubt und wäre auch nicht gut.

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