Wie nachhaltig ist die Digitalisierung eigentlich?

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Wie nachhaltig ist die Digitalisierung eigentlich?

Kommentare zum Artikel: 10

Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Das sind die beiden Schwerpunktthemen auf dem Digitalgipfel dieses Jahr, der heute (01.12.2020) endet. Es geht vor allem darum, wie Digitalisierung helfen kann, unsere Alltagsaufgaben besser zu lösen.

Etwa: Können Drohnen in der Landwirtschaft helfen, lassen sich mit KI Verkehrsströme optimieren – und kann man so Energie sparen? Es gibt zweifellos viele interessante Ansätze. Es geht darum, die Richtigen rauszupicken und loszumarschieren.

Digitalisierung birgt auch viele Nachteile

Gleichzeitig ist Digitalisierung aber auch eine enorme Herausforderung – denn es sind auch viele Nachteile damit verbunden. Allen voran der enorme Energiebedarf: Rechenzentren verbrauchen sehr viel Energie. Jetzt schon rund 2,7% des europäischen Strombedarfs. Tendenz: Steigend. Die EU will das ungebremste Wachstum des Energiehungers eindämmen. Aus ökologischen Gründen. Das ist richtig und wichtig – und damit auch Thema auf dem Digitalgipfel.

Viel zu wenig beachtet bislang ist aber auch die Frage, wo all die Rohstoffe herkommen, die in moderner Technologie verbaut sind: Seltene Erden und seltene Metalle vor allem. Sie werden teilweise unter räuberischen Bedingungen abgebaut, in China, in Chile, in Afrika. Mit umweltzerstörerischen, gesundheitsschädlichen und menschenverachtenden Methoden.

Der Abbau von Rohstoffen zerstört die Umwelt; Rechte: WDR/Schieb

Der Abbau von Rohstoffen zerstört die Umwelt

Niemand spricht über Ressourcenverschwendung

Die uneingeschränkt empfehlenswerte Dokumentation auf ARTE belegt: Wir belügen uns alle selbst, wenn wir glauben, den ökologischen Wandel gäbe es wirklich. Moderne Technologie – und auch die Digitalisierung – fordern ihren Tribut. Und die Politik schaut weg. Das gehört zur Nachhaltigkeit zweifellos dazu, ist aber auf dem Digitalgipfel vermutlich kein Thema. Denn mit den Fragen des Ressourcenabbaus und der Ressourcenverschwendung beschäftigt sich Politik nicht gerne.

Dafür in diesem Jahr mit einem anderen Aspekt (denn dafür gibt es Applaus): Der bessere Schutz von Plattform-Beschäftigen. Die Digitalisierung sorgt für viele prekäre Beschäftigungen, ob im Lieferbetrieb oder als Uber-Fahrer.

Amazon erfindet sich immer wieder selbst neu; Rechte: WDR/Schieb

Wenn alles per Post zugestellt wird, ist auch das klimaschädlich

Nachhaltigkeit: Nicht nur Umweltschutz

Es gibt heute viele sogenannnte “Solo-Selbständige” (auch so ein Unwort, weil es nach Freiwilligkeit und Selbstbestimmung klingt, nicht nach Ausbeutung und sozialem Verfall), die von Plattformen abhängig, aber dort nicht richtig beschäftigt sind. Und auch Mitarbeiter von Amazon werden überwacht – und sind nicht unbedingt in jeder Hinsicht zu beneiden. Digitalisierung bedeutet allzu häufig Turbokapitalismus pur: Die einen verdienen, die anderen zahlen die Zeche. Umwelt inklusive.

Es ist richtig und wichtig, da genau hinzuschauen. Ich habe zwar ernsthafte Zweifel, dass sich am Wesen der Probleme wirklich etwas ändern. Aber genau das muss dringend passieren.

Eine eigene Plattform für Europa? Talk mit Johannes Hillje (https://vimeo.com/317208936)

Amazon bespitzelt Mitarbeiter, Partner und Kunden

Über den Autor

Jörg Schieb ist Internetexperte und Netzkenner der ARD. Im WDR arbeitet er trimedial: für WDR Fernsehen, WDR Hörfunk und WDR.de. In seiner Sendung "Angeklickt" in der Aktuellen Stunde berichtet er seit 20 Jahren jede Woche über Netzthemen – immer mit Leidenschaft und leicht verständlich.

10 Kommentare

  1. Die Frage nach der Nachhaltigkeit der Digitalisierung ist wirklich ein spannender Punkt. Kürzlich habe ich mich mit der Vaws-Prüfung beschäftigt, einem wichtigen Aspekt in der Umwelttechnik, und war erstaunt, wie solche Maßnahmen zur Überwachung und Sicherstellung von Umweltstandards beitragen.
    Die Idee, dass digitale Technologien dabei helfen können, solche Prozesse effizienter zu gestalten, ist faszinierend. Hat schon mal jemand erlebt, wie digitale Tools in der Umwelttechnik eingesetzt werden, um sowohl Effizienz als auch Umweltschutz zu fördern?

  2. Wenn man weiter denkt findet man noch weitere Aspekte zur digitalen Nachhaltigkeit:

    * online-Werbung gezielt personalisiert ala Google, Facebook & Co = vermehrter Konsum, weniger personalisierte Werbung = weniger Konsum.
    * Wartung & Pflege: Jedes digitale System altert, will kontinuierlich von SW & HW her in Stand gehalten werden, dafür braucht es Menschen, Energie & Geld. Wartung & Pflege wird nach meinem dafürhalten oft gar nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. Gerade im digitalen ist der Wandel unglaublich schnell, sprich Wartung & Pflege können sehr aufwendig werden.
    * Rebound Effekt: Ein neuer Fernseher oder Computer könnte deutlich weniger Strom verbrauchen als der Alte, wenn man den sich mit den gleichen Leistungsdaten begnügt. Die Realität, es wird sich gleich der 65 Zoll Fernseher gekauft, welcher jetzt nicht weniger sondern mehr Strom verbraucht.
    * Gadgets: Die “intelligente” Glühbirne, die programmierbare Wandillumination, Alexa und das digitale Soundsystem in jedem Raum und, und, und. All das will eingerichtet, betrieben, gewartet, ausgewechselt und entsorgt werden. Und ist es das wirklich, wirklich, wirklich wert und nötig ??? Nicht das es nur Geld und Ressourcen kostet, es kostet auch mit das kostbarste “Zeit”.

  3. Ilana Marder am

    Ich finde das Thema lächerlich, weil das Digitalisierungs-Niveau in Deutschland im Vergleich zu anderen westlichen Ländern (USA, Holland, UK) sowie östlichen Ländern (Russland, von China ganz zu schweigen) bis jetzt sehr niedrig (ehrlich zu sagen, blamierend) ist.
    Die Telemedizin, Online-Terminvergabe, Onlineverfolgung der Besetzung der Krankenhäuser ist dort schön lange ein Standard, doch in der deutschen Gesundheitssystem bleibt es noch immer das Wunschdenken.
    Die ersparende Zeit rettet nicht nur Papier-, Telefon- und Fahrkosten, sondern die Gesundheit und das Leben der Menschen. Dank Corona, kommt endlich die entsprechende Bewegung in diesen Richtung…
    Guten Morgen, Deutschland:).

  4. wenn man sich das ganze modell zu ende denkt wird man eh feststellen: am ende wird sich wieder jeder selbst versorgen. einige wenige werden alles besitzen und der rest nichts.

  5. Die Berechnung der Energieverbräuche je nach Modell ist ein schönes Thema, allerdings so komplex, dass es kaum einer zu beantworten vermag…
    Was ist denn jetzt umweltschädlicher? Wenn ich als Einzelperson in die City (oder die Mall an deren Rand) fahre, dort Klamotten und Elektronik einkaufe, und dann wieder heimgurke? Oder wenn ich das zuvor online prüfe, bestelle, im Haus entgegennehme und (hoffentlich) nicht wieder zurückschicke? Oder doch die Variante, dass ich zwar bestelle, aber zu einer Abholstation, womit der Paketfahrer seinen schweren Dieselsprinter weniger durch die Straße steuert, aber ich dann dafür einen Extraweg mache? (und dann gibt’s auch Fälle, die gleich beim Einkaufen zur Packstation am selben Gebäude gehen oder doch von daheim zum Abholen laufen und motorisierte Energie sparen – aber die brauchen ja auch wieder Energie beim Laufen)
    Oder ist es sinnvoller, Waren neu zu kaufen und sie nur ‘einmal’ zu versenden (je nachdem – auch zum Shoppingcenter wird einmal verschickt – zum Onlinehändler vielleicht mehrmals, vom Hersteller dorthin und später zum Verbraucher), oder lieber gebrauchte Ware (spart die Energie zur Herstellung) mehrfach weiterverkaufen (kostet wieder den ganzen Aufwand des Versands)?
    Spare ich lieber Energie an roten Ampeln durch eine intelligente integrierte Schaltung oder kostet diese Schaltung dann zu viel Strom?
    Also was denn nun?
     
    Nein, ich weiß es auch nicht. Ich halte aber durchlaufende, zentrale Verbraucher für effizienter und besser auslastbar als einzelne verteilte. Es wird aber kaum darauf hinauslaufen, dass keiner mehr vor die Türe geht und wir nur noch die verschiedenen Paketlieferanten auf der Straße haben. Genausowenig, wie dass die verschwinden. Also wo ist der Punkt? Abgesehen von angepasstem, d.h. geringem Konsum fällt mir nix ein.

      • Nicht notwendigerweise. Materielle Produkte können mehr kosten um den Umsatz zu halten, die Arbeitskräfte bei gleichem Lohn zu halten und bessere Dienstleistungen zu bieten.

        Utopie ich weiß, den weniger bekommen für mehr Geld, das wird keinem gefallen. Auch wenn niemand dadurch in das Elend fallen müsste. Wir alle haben uns an einen Luxus gewöhnt, der eigentlich nicht tragbar ist, doch reduzieren das geht auch nicht. Das was jeder von uns tut und kauft ist doch absolut lebensnotwendig, weniger geht nicht oder ?

  6. Zu glauben und sowohl eigenes als auch wirtschaftspolitisches Handeln immer noch danach auszurichten, dass auf einem räumlich beschränkten Planeten mit abnehmenden Ressourcen und rapide zunehmender Population sowie klimatischen und pandemischen Kapriolen, immer noch grenzenloses Wachstum (verhöhnend, verkauft als “Wohlstand für alle!”) das Maß aller Dinge sei, ist nicht nur außerordentlich dumm und kurzsichtig, sondern verkürzt die glühende Lunte am globalen Pulverfass immer ein wenig mehr. Das Konsum- und politische Wieder-Wahlverhalten der großen, dem Digitalisierungswahn oft schon total verfallenen, Verbrauchermasse (Black Friday, Cyber-Monday u.ä. Firlefanzfetischpartys, bis hin zur hündisch-devoten Identifikation mit künftigem Elektroschrott aus Lohnsklavenproduktion, z.B. mit der bevorzugten Smartphonemarke, für die bereitwillig jeder Preis bezahlt wird, sogar ohne mitgeliefertem Netzteil) belegt allerdings, dass “Nachhaltigkeit” eher nur noch ein Thema für, vergleichsweise, eine Handvoll mahnender und erinnernder Idealisten ist.

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