Ein Sozialdemokrat sagte mir mal, von der 2017 abgewählten rot-grünen Landesregierung sei ja nicht viel mehr geblieben als das Rauchverbot in Kneipen. Darf in Gaststätten geraucht werden? Das war einst ein Aufregerthema. Die damalige rot-grüne Koalition unter Führung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) entschied Ende 2012 aus Gesundheitsschutzgründen: Schluss, aus, Tabak raus. Nebenbei: In anderen Bundesländern wie Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Bremen und Hamburg, wo sich die Landesregierungen gegen ein derart strenges Rauchverbot in der Gastronomie entschieden, ist die SPD bis heute im Unterschied zu NRW weiter an der Macht. Ob da ein Zusammenhang besteht? Dem nachzuspüren würde mindestens eine Zigarettenlänge zu weit führen.
Aber eines haben die damaligen Debatten gezeigt: Ganz private Konsumgewohnheiten sind politisch. Gerade wenn es um Verbote geht. Womit wir beim Kiffen wären, oder vornehmer gesagt: beim gepflegten Joint. Der Bundestag hat am Freitag mit den Stimmen der Ampelkoalition die kontrollierte Freigabe von Cannabis beschlossen. Eine historische Entscheidung nach jahrzehntelangen Debatten – die auch in Nordrhein-Westfalen erbittert geführt wurden und teils noch werden.
Schwattes Pilsglas versus grüner Joint
CDU und Grüne liegen bei diesem Thema seit Jahrzehnten weit auseinander. Schon in den 90er-Jahren wetterten die Christdemokraten im Landtag gegen eine Freigabe von Cannabis. Drogenverkauf statt Abkehr von Drogen sei schlimme Politik auf dem Rücken von Kindern und jungen Menschen, sagte der CDU-Gesundheitsexperte Hermann-Josef Arentz 1996. Der Grünen-MdL Daniel Kreutz hielt ihm entgegen, eine christliche Partei sollte wissen, dass eine total abstinente Gesellschaft kein reales Ziel sein könne. Der Grüne erinnerte die CDU süffisant an den Messwein in der Kirche.
Der kritische Seitenhieb auf Alkohol als akzeptiertem Genuss- und Rauschmittel der Mehrheitsgesellschaft gehört bis heute zur politischen Rhetorik der Grünen, wenn es um den Kampf für eine liberalere Drogenpolitik geht. „Gehen Sie doch mal aufs Oktoberfest und überlegen Sie, was denn wäre, wenn all diese Menschen auf den Schwarzmarkt angewiesen wären“, sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete aus NRW, Maria Klein-Schmeinck, am Freitag in der Cannabis-Schlussdebatte. Und umgekehrt ist Alkoholkonsum nicht nur, aber eben auch bei den C-Parteien ein festes Ritual – etwa bei Wahlsiegen, Sommerfesten oder am politischen Aschermittwoch. Wie kein zweiter aktiver Landespolitiker verkörpert Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) diese Affinität zu einem frischgezapften Pils. (Spoiler: Allerdings trinkt auch so manche/r NRW-Grüne/r ganz gern mal ein Bier.)
Fast 30 Jahre nach den Haschisch-Kulturkämpfen im Landtag haben sich die ideologischen Gegensätze zwischen CDU und Grünen bei vielen Politikthemen zumindest abgeschwächt. Schwarz-Grün regiert meist relativ gechillt vor sich hin, als habe man gerade was zusammen geraucht. Aber die Schwatten seien eben immer noch die Schwatten und die Grünen die Grünen, wie Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) neulich bei einer Pressekonferenz mit Vize-MP Mona Neubaur (Grüne) sagte. Und Cannabis ist immer noch ein Thema, bei dem CDU und Grüne nicht übereinkommen.
Formelkompromiss im Koalitionsvertrag
“Die Bagatellisierung oder gar die Legalisierung von Drogen lehnen wir strikt ab“, heißt es bis heute im Grundsatzprogramm der NRW-CDU. Im Koalitionsvertrag von 2022 hatten sich CDU und Grüne auf diese Formulierung geeinigt: „Ein vom Bundestag zur Vermeidung von unkontrolliertem Cannabis-Konsum auf den Weg gebrachtes Cannabis-Kontrollgesetz werden wir mit Blick auf Jugend- und Verbraucherschutz sowie Gesundheitsschutz ergebnisoffen prüfen und bei einem Inkrafttreten in Nordrhein-Westfalen konsequent umsetzen.“
Wie aber nun die bundesweite Legalisierung in NRW umgesetzt wird, dürfte noch für Diskussionen zwischen den Koalitionspartnern in Düsseldorf sorgen. Wie streng werden Cannabis-Clubs und privater Hanfpflanzen-Anbau kontrolliert? Zustimmungsbedürftig ist das Ampel-Gesetz im Bundesrat nicht. Die Länderkammer könnte theoretisch aber den Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anrufen und das weitere Verfahren abbremsen. Erst vor wenigen Tagen kritisierte NRW-Minister Laumann, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nehme das Risiko cannabisbedingter Hirnschädigungen bei Heranwachsenden und jungen Erwachsenen nicht ernst. Die Grünen im NRW-Landtag hingegen freuten sich wenige Minuten nach der Cannabis-Entscheidung, damit werde die “Kriminalisierung durch die Prohibition, die sich für den Jugendschutz nicht bewährt” habe, beendet.
Ein Konsens zum Kiffen steht bei Schwarz-Grün in NRW noch aus.
Nachtrag 26.02.:
Landesjustizminister Benjamin Limbach (Grüne) scheint die Begeisterung der Grünen-Landtagsfraktion für die Reform nicht so ganz zu teilen. Er will, dass das Gesetz nicht schon zum 1. April, sondern erst später in Kraft tritt. Die verbleibende Zeit von nur fünf Wochen reiche nicht annähernd aus, damit die Staatsanwaltschaften und Gerichte in NRW die Neuregelungen umsetzen können. Wann der richtige Zeitpunkt für das Inkrafttreten konkret sein solle, würden die derzeit laufenden Abstimmungen zwischen den Bundesländern ergeben, sagte ein Sprecher des NRW-Justizministeriums.
Ein Kommentar
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Bei Koalition mit Grünen kann man nur verlieren.
Man kann keine Wähler gewinnen aber massiv eigene Wähler verprellen. Der CDU ist das klar geworden, der SPD nicht, ein Sozialdemokrat als Klimakanzler können sich viele aus der traditionellen Wählerschaft der SPD nicht leisten.
Wie CDU in Hessen wird sicher auch die CDU in NRW die Koalition mit Grünen beenden, aber ähnlich geräuschlos wie in Hessen.
Auch wenn es keinen „Konsens zum Kiffen“ gibt, bis zur nächsten Wahl gibt es keinen Lärm. Ohnehin ist das Bundesangelegenheit und was an Ausführung in NRW bleibt wird nicht groß zum Streit führen, dabei könnten auch nur beide Seiten der Koalition verlieren.
Hier dürfte die einzige Ausnahme sein bei der ich auf Seiten der Grünen bin.
Seit über einem halben Jahrhundert nehme ich selbst Drogen, aber nur gesellschaftlich akzeptierte in gesellschaftlich akzeptierten Mengen, also Alkohol. Das kann bei Cannabis genauso gut und genauso schlecht funktionieren, ich sehe keinen Grund diese Droge in der Illegalität zu halten. Durch Entlastung der Polizei kann die sich mehr auf wichtigere Dinge konzentrieren. Ob diese Entlastung wirklich eintritt kann aber vorerst berechtigt bezweifelt werden, bei der absurden Überregulierung. Man kann sich das Chaos vorstellen, statt Brauen in der Brauerei sollte die Polizei Anbau und Herstellung in Bierclubs kontrollieren und jeder dürfte nur einen Kasten Bier pro Woche bekommen.