Der rote Fragenhagel

https://blog.wdr.de/landtagsblog/der-rote-fragenhagel/

Der rote Fragenhagel

Kommentare zum Artikel: 2

Was machen Ministeriums-Bedienstete in NRW während der Schulferien? Die Antwort auf diese “kleine Anfrage” ist schnell gefunden: Sie beantworten “kleine Anfragen”.

Regierung muss antworten

Nach der Parlaments-Ordnung hat jeder Abgeordnete im NRW-Landtag das Recht “kleine Anfragen” schriftlich zu stellen, die Landesregierung muss sie schriftlich beantworten innerhalb von vier Wochen. Kleine Anfragen sind ein Kernbestandteil guter demokratischer Parlamentsarbeit. Mit ihnen nimmt die Opposition ihre Kontrollfunktion wahr.

Darüber hinaus dient die “kleine Anfrage” aber auch noch weiteren Zielen: sie legt ganze Teile der Bürokratie lahm und ärgert die Regierenden. “Kleine Anfragen” können viel Arbeit machen – und genau das sollen sie auch.

Rote Guerilla-Taktik

Kurz vor Ferienbeginn hat die SPD-Fraktion nun zum Großangriff per “kleiner Anfrage” geblasen. In para-parlamentarischer Sprache müsste von Guerilla-Taktik gesprochen werden. Mit sehr vielen „kleinen Anfragen“ zum gleichen Thema soll große Wirkung erzielt werden. Deshalb richten die Landtagsabgeordnete der SPD die gleiche Frage separat und nacheinander an die Landesregierung –  jeweils bezogen auf den eigenen Wahlkreis. Da will zum Beispiel die ehemalige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft aus Mülheim an der Ruhr wissen, was die Kita um die Ecke kostet:

“Ab welchem Jahreseinkommen werden in dem Jugendamtsbezirk Mülheim/Ruhr Elternbeiträge in welcher Höhe und ab welchem Jahreseinkommen werden welche Höchstbeträge erhoben? (Bitte einzeln nach Einstiegseinkommen mit Mindestbeitrag und Einkommensobergrenze mit Höchstbeitrag aufschlüsseln.)” Mit Stand heute bringt es die SPD auf diese Weise auf 35 nahezu gleichlautende “kleine Anfragen” – nur die Namen der Jugendamtsbezirke variieren.

Und noch ein paar Fragen

Und als wäre der Mailordner mit der Bezeichnung „Kleine Anfragen“ der NRW-Koalition nicht schon voll genug, schickt die SPD-Faktion gleich die nächste Salve hinterher. Jetzt geht es um die Zahl der Beamten im Bezirksdienst der Kreispolizeibehörden  “aufgeschlüsselt nach Polizeiinspektionen und deren Polizeiwachen”, versteht sich. 14 SPD-Abgeordnete haben ihre ortsbezogene Individual-Anfrage schon abgeschickt, weitere werden folgen. Dabei ist der Kita-Gebühren-Komplex noch gar nicht abgearbeitet…

Auf die Ministerial-Bürokratie wirken die Massen-Anfragen wie Neutronen-Bomben. Die Gebäude lassen sie stehen, aber sie bringt die Menschen zum Verschwinden. Man sieht sie jedenfalls nicht mehr, weil sie versteckt in ihren Büros faxen, mailen und telefonieren, auf der Suche nach Antworten.

Wer hat’s erfunden?

Diese Angriffs-Taktik hat übrigens nicht die SPD erfunden. Auch die Regierungsfraktionen brannten schon so manch großes Kleine-Frage-Feuerwerk ab, freilich als sie noch in der Opposition waren. FDP-Abgeordnete erkundigten sich in der letzten Legislaturperiode zum Beispiel 54 Mal nach dem Wegfall von Stellen an Gymnasien in Folge des doppelten Abiturjahrgangs. Es gibt viele Gymnasien überall im Lande. Viel mehr als Unis. Deshalb kamen CDU-Abgeordnete auch nur auf 18 fast gleiche „kleine Anfragen“ danach, wie sich der doppelte Abiturjahrgang auf die einzelnen Hochschulstandorte des Landes auswirke. Die Antworten sind in Vergessenheit geraten.

Aber das ist Geschichte. Wenn auch eine, die sich wiederholt.

Über den Autor

Zwei Politikbetriebe durfte ich schon kennen lernen: den in Berlin und den in Brüssel, jeweils als Korrespondent für das WDR-Radio. Jetzt Düsseldorf. Erste Randbeobachtung: In Düsseldorf haut man sich heftiger. Im parlamentarischen Schlagabtausch werden die Kontrahenten auch gerne mal persönlich. Obwohl sich alle so gut kennen. Oder vielleicht gerade deshalb. Politikbetrieb Nummer Drei scheint spannend zu werden.

2 Kommentare

  1. In NRW werden immer mehr Polizisten und Justizbedienstete entlassen, weil ihnen neue Aufgaben zugewiesen werden. So hat das Innenministerium die Zahl der Bediensteten des Präsidiums beim Staatsschutz um 20 Prozent reduziert, auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW fordert eine Begrenzung der Personalreduzierungen.

Einen Kommentar schicken

Die mit * gekennzeichneten Felder müssen ausgefüllt werden.

Top