Digitaldialog: Opulent angekündigt, wenig passiert

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Digitaldialog: Opulent angekündigt, wenig passiert

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Eigentlich dürften sie sich im Kabinett Laschet gerne erinnern an den 12. März 2019: Die Sonne strahlte, und gemeinsam machte man einen Ausflug ins hübsche Bayern, genauer: in die Münchner Residenz – das Schloss, in dem schon Herzöge, Kurfürsten und Könige Hof hielten. Zwischen Kronleuchtern und güldenen Wandornamenten traf man zwar nur den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und sein Kabinett. Dennoch: Das Treffen versprühte, politisch betrachtet, Opulenz.

Epochales Vokabular

Denn neben einer vertieften Zusammenarbeit beider Länder und einem Ja zu mehr Föderalismus ging es vor allem um die Digitalisierung. Und da war keine Formulierung zu üppig: „Der digitale Wandel ist einer der größten Epochenwechsel der Neuzeit“, sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Er wolle – natürlich – „diese Chance für unser Land nutzen“. Seine Staatskanzlei gab dazu eine prächtige Pressemitteilung heraus, mit fast 2.500 Wörtern Länge vermutlich die umfangreichste der jüngeren Vergangenheit. Hätte sie jemand ganz analog ausgedruckt, sie hätte sechs eng beschriebene Din-A4-Seiten umfasst.

Darin wurde der Beginn des „Digitaldialogs Bayern-Nordrhein-Westfalen“ angekündigt, mit dem man am „Föderalismus der Zukunft“ arbeite. Beide Landesregierungen wollten „Synergien nutzen, Best Practice Beispiele austauschen und gemeinsame Initiativen im Länderkreis und im Bund auf den Weg bringen“. Bayern und NRW wollten „Vorreiterländer“ sein und die „forcierte Zusammenarbeit laufend in gemeinsamen Initiativen umsetzen.“ Sogar über „Gegenmodelle“ zu den Tech-Giganten Youtube oder Facebook wollte man nachdenken.

Goldene Tech-Zeiten

Fast konnte man als Bürger Nordrhein-Westfalens das Gefühl bekommen, ein NRW-Google oder Flugtaxis zwischen Rhein und Weser stünden kurz vor der Inbetriebnahme. Jedenfalls war klar: NRW sollte digital vorankommen. Goldene Tech-Zeiten am Rhein, jetzt aber wirklich und nicht erst in ferner Zukunft.

Wann wohl ein guter Zeitpunkt ist, über den so wortreich gestarteten Digitaldialog eine erste Bilanz zu ziehen, darüber lässt sich sicherlich streiten. Die Grünenfraktion im Landtag hat der Regierung Laschet knappe sechs Monate Zeit gegeben und eine Kleine Anfrage gestellt mit dem Titel „Was macht eigentlich die Zukunftskommission Digitalisierung“? Auf den Tag genau ein halbes Jahr nach dem opulenten Start des Digitaldialogs erscheint nun die Antwort der Landesregierung. Dem WDR lag sie vorab vor. Und sie fällt – nunja, deutlich bescheidener aus als die prächtig formulierte Pressemitteilung seinerzeit ankündigte.

Arbeitssitzungen und Telefonkonferenzen

Wie oft der Digitaldialog oder Teilgruppen davon getagt haben ist eine Frage an die NRW-Regierung – und die verweist auf magere „zwei interne Koordinierungstreffen“. Und schiebt gleich hinterher, man habe dazu auch landesintern Arbeitssitzungen und Telefonkonferenzen geführt. Als wäre das mehr als schnödes, politisches Alltagsgeschäft. Welche Themen im Rahmen des Digitaldialogs bisher angepackt wurden? Kann oder will die Landesregierung nicht bekannt geben. Welche konkreten Maßnahmen der Landesregierung sich auf die Arbeit des Digitaldialogs zurückführen lassen? Verrät sie ebenfalls trotz Anfrage nicht und verweist lieber auf eine gemeinsame „digitale Kabinettssitzung“ Anfang des kommenden Jahres, bei der es ein Zwischenfazit des Digitaldialogs geben soll. Bevor dann im zweiten Halbjahr 2020 „die abschließenden Ergebnisse“ bekannt gegeben werden sollen.

Gemessen an diesem Zeitplan ist circa ein Drittel der Arbeitsperiode des Digitaldialogs bereits abgelaufen. Aber anstatt gemeinsamer Initiativen bis hinauf zur Bundesebene oder kluger Gedanken über Gegenmodelle zu Facebook und Youtube gab es NRW-interne Arbeitssitzungen. Und auf der Arbeitsebene „Begegnungen“ mit bayerischen Pendants im Regierungsapparat, wie die Regierung Laschet wenig konkret mitteilt. Gemessen an den Erwartungen, die die Staatskanzlei selbst geweckt hat, ist das peinlich wenig.

Wie oft ist häufiger?

Aber es bleibt ja noch gut ein Jahr Zeit für die angekündigte „forcierte Zusammenarbeit“, aus der laufend gemeinsame Initiativen entstehen sollen. Vielleicht kann der NRW-Regierungschef dann auch zumindest auf ein Treffen zur Sache mit dem bayerischen Ministerpräsidenten verweisen. „Wir sehen uns jetzt häufiger, richtig @Markus_Soeder?“ twitterte Laschet zum Start des Digitaldialogs. Was genau häufig bedeutet, auch darüber kann man ja streiten. Keinmal in einem halben Jahr Digitaldialog zählt aber vermutlich nicht dazu.

Etwas weniger barockes Ankündigen, stattdessen ein wenig mehr bodenständiges politisches Handeln – das würde der digitalen Landschaft in NRW vermutlich mehr nutzen. Beispielsweise in Sachen Mobilfunkversorgung, wo auch neun Jahre nach der Einführung von LTE im ganzen Land weiterhin weiße Flecken jeden Tag Mobilfunknutzer bei den einfachsten digitalen Vorhaben ausbremsen.

Über den Autor

Studium in Dortmund und Göteborg, Forschung in Phnom Penh. Abschluss als Redakteur und Diplom-Journalist mit Schwerpunkt Politik. Volontariat bei der Fuldaer Zeitung. Seit 2008 für den WDR tätig, unter anderem vier Jahre als Chef vom Dienst bei 1Live. Vertretungen im ARD-Studio Südasien und im ARD-Hauptstadtstudio Berlin, zwischendurch auch mal nominiert für den Deutschen Radiopreis. Seit 2018 in der Landespolitik-Redaktion des WDR, dort crossmedial befasst mit den Schwerpunkten Energie, Verkehr, Klimaschutz sowie Bündnis 90/Die Grünen. Mitglied des Oxford Climate Journalism Network. Tobias Zacher lebt mit seiner Familie in Düsseldorf.

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