Friedrich Merz: Das Brexit-Phantom am Rhein

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Friedrich Merz: Das Brexit-Phantom am Rhein

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No Deal, Nachverhandlungen, Backstop: Großbritannien versinkt im Brexit-Chaos. Fast stündlich gibt es neue Wasserstandsmeldungen aus London oder Brüssel. Ende Oktober – so droht der britische Premier Boris Johnson – werde man nun aber wirklich, endgültig und definitiv aus der Europäischen Union austreten.

Es sind turbulente Zeiten auf der Insel. Aber wenigstens, so vermittelt es die Landesregierung, ist Nordrhein-Westfalen bestens gerüstet für den Austritt der Briten. “Bereits mehr als 100 Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich” hätten sich seit dem Referendum 2016 in NRW angesiedelt, jubelt das Wirtschaftsministerium in dieser Woche per Pressemitteilung.

Weitere sollen folgen, schließlich hat NRW eine berühmte Wunderwaffe im Ärmelkanal: Friedrich Merz, seit Anfang 2018 ehrenamtlicher Brexit-Beauftragter der Landesregierung. Doch ausgerechnet Merz sagt in diesen bewegten Brexit-Tagen – in seiner Funktion für Laschets Landesregierung – öffentlich irgendwie so gar nichts. Warum eigentlich? Schließlich gilt Merz vielen in der Union als Mythos, Medienstar, wirtschafts-konservative Legende.

Ministerium wunderte sich über Rolle von Merz

Doch der Job in Düsseldorf führte von Anfang an zu Ärger. Die Opposition sprach von einem “Totalausfall” und kritisierte, Merz sei quasi untätig am Rhein. Dazu kamen immer wieder Berichte über Interessenkonflikte. Schließlich ist Merz zeitgleich deutscher Aufsichtsratschef des Vermögensverwalters Blackrock. Und Blackrock sucht aufgrund des Brexits händeringend nach neuen Vertriebswegen innerhalb der Europäischen Union.

Das Problem mit Friedrich Merz (CDU) liegt aber tiefer: Interne Unterlagen aus dem Regierungsapparat, die dem WDR vorliegen, zeigen: Friedrich Merz hat zeitweise die Verwirrung im Brexit-Poker eher vergrößert. Selbst vier Monate nach Beginn seiner Tätigkeit fürs Land gibt es offenbar Frust im NRW-Wirtschaftsministerium: Am ersten Brexit-Workshop des Ministeriums hat Merz gar nicht teilgenommen. Dort wurde allerdings “von mehreren Teilnehmern angeregt, zu kommunizieren, wo Herr Merz und wo das Ministerium zuständig sind.”

Die Wunderwaffe in Szene setzen

Könnte etwa Friedrich Merz dem zuständigen Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) die Show stehlen? Die Angst scheint vorhanden: Es solle eine Sprachregelung mit der Staatskanzlei entwickelt werden, halten Pinkwarts Beamte fest. “Dabei sollte deutlich werden, dass Regierungsangelegenheiten weiterhin von Regierungsmitgliedern wahrgenommen werden, Herr Merz aber durch seine Kontakte und Erfahrungen unterstützt.”

Großes Verlangen nach Friedrich Merz gibt es ausgerechnet bei Pinkwarts Kernklientel: Den Industrie- und Handelskammern im Land. Auch Konsulate, Medien und Landtagsabgeordnete fragen nach Merz – bei der Landesregierung gehen immer wieder Anfragen an den Brexit-Beauftragten ein. Im Januar 2019 wünscht sich sogar Nathanael Liminski, Chef der Staatskanzlei, per E-Mail mögliche Botschaften des Brexit-Beauftragten, “damit seine Tätigkeit in und für NRW auch illustriert wird.” Doch Merz sagt weitere Interviews ab – er sehe sich als “internen Berater und Gesprächspartner der Landesregierung.”

Washington statt London mit dem Minister

Eine vermeintliche Wunderwaffe, die sich selbst nur als “interner” Berater begreift. Und wohl auch wegen Kompetenz-Gerangels im großen Brexit-Poker öffentlich unsichtbar bleibt. Doch die guten Kontakte in die Staatskanzlei, die weiß Merz zu nutzen: Als Vorsitzender der Atlantik-Brücke schickt Friedrich Merz im Frühjahr 2018 eine persönliche Einladung an den “lieben Armin”, Ministerpräsident Laschet. Es geht um eine Reise nach Washington. Laschet sagt aus Termingründen ab – Merz reist im Mai hin.

Für die Brexit-Reise von NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart nach London im Juni 2018 dagegen steigt Merz nicht in den Flieger. Eingebunden in die Reisevorbereitungen war er auch nicht, schreiben Pinkwarts Beamte, “da keine Kontakte auf Arbeitsebene bestanden.”

Über den Autor

Kölner in Düsseldorf. Seit 2015 als Redakteur für Landespolitik, seit 2017 auch für das investigative Ressort beim WDR tätig. Liebt die politische Debatte, an den meisten Tagen auch auf Twitter.

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