Laschet, das Buch

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Laschet, das Buch

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Von Markus Söder ist überliefert, dass er als Teenager unter einem Poster von Franz Josef Strauß schlief. Knapp 500 Kilometer entfernt in Aachen hatte Armin Laschet Anfang der 1980er-Jahre ein Solidarnosc-Plakat im Kinderzimmer hängen. Walesa statt CSU. Es ist eine von vielen Anekdoten aus der Laschet-Biografie, die die Landtags-Korrespondenten Tobias Blasius (Funke Mediengruppe) und Moritz Küpper (Deutschlandfunk) jetzt veröffentlicht haben.

Im Dezember soll ein CDU-Bundesparteitag nach monatelanger Corona-Wartezeit endlich darüber entscheiden, ob Laschet (oder Friedrich Merz oder Norbert Röttgen) neuer CDU-Chef wird. Wie tickt Laschet? Dieser Frage gehen Blasius und Küpper auf 384 Seiten nach.

Der Titel des Werks wirkt auf mich etwas schräg. “Der Machtmenschliche”? Eigenartige Wortschöpfung. Dass ein Politiker, der auf Zeit ein Amt mit gewisser Macht hat, auch irgendwie Mensch geblieben ist, ist nicht sonderlich originell. Als Werbemittel für Laschet dient das Buch aber keineswegs. Dafür stehen zu viele Begebenheiten darin, die für den CDU-Landesvorsitzenden wenig schmeichelhaft sind.

“Laschets Laune kann zuweilen schneller umschlagen als das Wetter an einem schwülen Sommertag”, heißt es an einer Stelle. Oder: “Laschet ist eher klein gewachsen und füllt einen Raum, den er betritt, nicht gleich aus.” Von Sprunghaftigkeit, Jähzorns-Ausbrüchen und Brüllereien gegenüber Mitarbeitern ist immer mal wieder die Rede. Etwa wenn Laschet von seinen Mitarbeitern zu früh zu einem Termin geschickt wird und 15 Minuten im Auto auf dem Parkplatz warten muss.

Pommes mit Mayo

Auch solche Sätze lassen nicht unbedingt an einen Kanzler in spe denken: “Laschet, der sich seine rheinische Ch-Schwäche nicht abtrainieren will, verströmt eher die Aura des Kleinbürgers, der ‘nie richtig rausgekommen’ ist. Man nimmt ihm ab, dass er sich wie ein Kind über einen Teller Pommes mit Mayo freuen kann.”

Chronologisch wird Laschets Vita nachgezeichnet. Aufgewachsen in Aachen als ältester Sohn eines Bergmanns, der zum Lehrer umschulte, absolvierte der junge Armin eine “eher mittelmäßige Schullaufbahn”. Laschet bleibt in der zehnten Klasse sitzen, wechselt die Schule. Eher widerwillig und nach langem Zögern tritt er in die CDU ein. Er engagiert sich dann aber ab Ende der 1970er immer stärker parteipolitisch. Laschet studiert Jura in München und wird danach CDU-naher Journalist in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn.

Mit Liebe zum Detail schildern die Autoren das westdeutsche CDU-Milieu, in dem Laschet groß wird. Ein “glänzendes Netzwerk”, seit Jahrzehnten bis heute gepflegt, bescheinigen ihm Blasius und Küpper. Die Beschreibung dieses ‘Öcher Klüngel”, katholisch, konservativ-liberal, weltoffen im Drei-Länder-Eck, entfaltet sich über viele Seiten.

“Dunkle Typen”

Privates wird ausführlich beleuchtet: “Laschet hat zumindest immer wieder versucht, Politik und Familie unter einen Hut zu bringen.” Ein Vergleich mit seinen Brüdern fehlt ebenfalls nicht: “Sie sehen sich ähnlich. Dunkle Typen, die sich gerne gut kleiden.”

Auffällig ist, dass die erste markante Wegmarke in Laschets politischer Laufbahn mit wenigen Zeilen abgehandelt wird. 1988 war er Redenschreiber von Bundestagspräsident Philipp Jenninger (CDU), als dieser wegen seiner vielkritisierten Gedenkrede zu den Novemberpogromen 1938 zurücktreten musste. Laschet schrieb damals ein Buch, in dem er Jenninger verteidigte. Zu diesen Vorgängen hätte man gern mehr gelesen, als Laschets knappes Dementi, die Rede nicht geschrieben zu haben.

Für Polit-Nerds und Fans der NRW-Landespolitik ist das Buch ein gefundenes Fressen. Mit vielen klugen Einordnungen wird Laschets Karriere nacherzählt. Die Wahl in den Bundestag noch in der späten Kohl-Ära, die bittere Niederlage im Wahlkreis Aachen gegen Ulla Schmidt (SPD) 1998, der Einstieg in die NRW-Landespolitik 2005 unter Jürgen Rüttgers, die Niederlage bei der Urwahl um den CDU-Landesvorsitz gegen Norbert Röttgen 2010. Aber auch, wie Viel-Twitterer Laschet ein Comeback gelang, das ihn 2017 überraschend bis in die NRW-Staatskanzlei führte.

Im Kern schildern die Autoren Laschet als “menschenfreundlichen” Politiker mit Schwächen. Skepsis scheint stellenweise durch, wenn es um die Frage geht, ob Laschet das Zeug zum Kanzler hat: “Auch als Ministerpräsident sieht er sich (…) immer wieder Vorwürfen ausgesetzt, ein politischer Verpackungskünstler zu sein. Einer, dem Hochglanzfotos wichtiger sind als die Gebrauchsanweisung.”

Über den Autor

Jahrgang 1974. Geboren im westlichen Münsterland. Ich berichte seit 2002 über Politik und News aus Nordrhein-Westfalen. Bis 2007 für die taz, danach knapp fünf Jahre als Korrespondent der Nachrichtenagentur ddp/dapd. Seit 2012 arbeite ich für den WDR.

2 Kommentare

  1. Nicht nur mit Mitarbeitern geht der so um. Auch externe Dienstleistern, wie zum Beispiel Postboten hatte er schon angeraunzt. Als gerade aus der Ausbildung kommender sogenannter Saalspringer war ich mal in seinem Parteibüro in Aachen unterwegs. Er war es wohl gewohnt, seine Post um die 11 Uhr zu bekommen. Da ich ohne Einweisung unterwegs gesen war, kam ich dort erst gegen 13 Uhr an. Er wurde ausfallend und unhöflich. Ich habe ihm die Möglichkeiten einer dauerhaften frühen Postzustellung wie Post oder Frühabholer angeboten, was er aber in einem unverschämt lauten und unfreundlichem Ton ablehnte. Er werde sich über mich beschweren wolle, rief er mir nach, als ich im gehen befand. Das sei sein “gutes Rechtals” Kunde, erwiderte ich. “Sie wissen wohl nicht, mit wem sie es zu tun haben?” “Nein, und es interessiert mich auch nicht! Guten Tag!” Seither ist Her L. aus AC-Burtscheid für mich eine unwählbare Person geworden

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