Nowabo und der Veith Club

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Nowabo und der Veith Club

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Erinnern Sie sich an Jürgen Rüttgers und die Rumänen? Im Herbst 2009 sagte der damalige NRW-Ministerpräsident sorry, nachdem er im Kommunalwahlkampf abfällig über rumänische Arbeiter geredet hatte. Ein YouTube-Video der SPD hatte den Rüttgers-Fauxpas enthüllt. Gefilmt worden war die Rede von Jungsozialist Veith Lemmen. Die Rumänen-Affäre schadete dem CDU-Politiker politisch – für Juso Lemmen war die Nummer ein Coup.

Zehn Jahre später. Veith Lemmen, mittlerweile 35 Jahre alt und stellvertretender Landeschef der Sozialdemokraten, ist ein noch größerer Coup gelungen. “Sein” Kandidat, Ex-NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (kurz: Nowabo) hat gemeinsam mit der baden-württembergischen Bundestagsabgeordneten Saskia Esken das SPD-Mitgliedervotum gewonnen.

Kampagne für Nowabo

Welche Rolle Lemmen wirklich spielte, zeichnet sich erst jetzt ab. “Der Spiegel” deutete diese Woche an, wie wichtig Lemmen für das Außenseiterduo Nowabo/Esken war. Nicht einmal eine Handvoll Leute hätten den Ex-Landesminister und die Abgeordnete im parteiinternen Wahlkampf unterstützt. “Veith Lemmen gehörte dazu, der ehemalige Juso-Landesvorsitzende in NRW (…) Lemmen versuchte, in seiner Freizeit so etwas wie einen Wahlkampf auf die Beine zu stellen, ohne Apparat, ohne Geld, ohne Mitarbeiter. Er hielt Kontakt zu Journalisten, schrieb dem Kandidatenduo hin und wieder Thesenpapiere.”

Wer in den letzten Monaten mit Lemmen telefonierte, konnte tatsächlich den Eindruck eines “Veith Clubs” gewinnen – (darunter vor allem Jusos und Ex-Jusos wie seine Freundin, die Bielefelder Bundestagsabgeordnete Wiebke Esdar).

“Lemmen und seine Leute waren entscheidend – auch in den sozialen Medien”, sagt ein Unterstützer des unterlegenen Olaf Scholz aus der SPD-Bundestagsfraktion. Gegner von #Eskabo (so ein Twitter-Hashtag neben #Eskabolation) hätten sich ja kaum noch getraut, was zu posten. Die Kampagne habe an die Strategien der nach links gerückten Labour-Partei in Großbritannien erinnert.

Kommunikativ und wortgewandt – der ehemalige Journalist (einst schrieb er Artikel für britische Zeitungen) ist wohl einer der bestvernetzten Genossen im SPD-Landesverband NRW. Seit mehr als einem Jahrzehnt hat der in Mönchengladbach aufgewachsene Lemmen zahlreiche  Ämter und Gremien in der SPD durchlaufen. Dazu trägt er meist Hut. Sein Markenzeichen.

Der Mann mit Hut im Hintergrund

Kevin Kühnert (rechts) mit Norbert-Walter Borjans (links); im Hintergrund: Veith Lemmen

Was bisher weniger bekannt ist: Schon vor dem Start der offiziellen Kandidatur von Walter-Borjans und Esken spielte GroKo-Gegner Lemmen eine Schlüsselrolle. Wie aus Parteikreisen zu hören ist, soll er entscheidend dazu beigetragen haben, die Nowabo-Kandidatur an den Start zu bringen und schließlich im Landesvorstand der NRW-SPD durchzusetzen.

Im Frühsommer, nach dem überraschenden Rücktritt von Andrea Nahles, wirkte gerade die NRW-SPD unsortiert. Ex-Landesministerin Christina Kampmann kündigte sehr früh ihre Bewerbung für die Nahles-Nachfolge an. Andere in NRW waren darüber sauer. Dann trat auch Karl Lauterbach an. Es folgten turbulente Wochen. Lemmen nutzte seine Kontakte und sondierte die Gemengelage.

Am Ende nominierte der SPD-Landesvorstand das reichlich spätentschlossene Duo Esken/Nowabo. Auch an diesem einstimmigen Vorstandsbeschluss soll Lemmen eifrig mitgewerkelt haben.

Selbst macht der leidenschaftliche Radfahrer Lemmen keine großen Worte über seine Rolle im Hintergrund. Er sei derzeit im Stress, Sitzungen im Willy-Brandt-Haus, sagt er. Schon wird spekuliert, dass Veith Lemmen mit der ungewöhnlichen neuen Parteiführung nach Berlin wechselt. Doch in NRW wartet 2020 schon die nächste Aufgabe. Bei der Kommunalwahl will er Bürgermeister im westfälischen Werther werden:

 

 

Über den Autor

Jahrgang 1974. Geboren im westlichen Münsterland. Ich berichte seit 2002 über Politik und News aus Nordrhein-Westfalen. Bis 2007 für die taz, danach knapp fünf Jahre als Korrespondent der Nachrichtenagentur ddp/dapd. Seit 2012 arbeite ich für den WDR.

2 Kommentare

  1. Frank Gladisch am

    Das überzeugt mich nicht. Zu vage, zu nebulös. Und die wochenlange Bewerbungstour der Bewerber wird komplett ignoriert. Dabei kann auf einer solchen Tour so viel schiefgehen, so viel anders laufen als geplant, so dass ein Fädenziehen ausscheidet. Es standen vor dem Stichentscheid nicht nur zwei Paare zur Wahl, sondern acht und ein Einzelkämpfer. Das Team Esken/Walter-Borjans hat währenddessen nichts auf die Bühne gehoben, was irgendwie bemerkenswerter gewesen wäre als das, was die anderen gemacht haben. Und wenn ich lese

    ” ‘Lemmen und seine Leute waren entscheidend – auch in den sozialen Medien’ , sagt ein Unterstützer des unterlegenen Olaf Scholz aus der SPD-Bundestagsfraktion. Gegner von #Eskabo (so ein Twitter-Hashtag neben #Eskabolation) hätten sich ja kaum noch getraut, was zu posten. ”

    dann weiß ich, dass da jemand fleißig an einer Legende strickt. Erstens deshalb, weil ich selbst bei Twitter bin und keineswegs eine Übermacht von Esken/Nowabo in den sozialen Medien gesehen habe. Und zweitens: Glauben Sie ernsthaft, dass ein SPD-Mitglied Angst hat, zu posten, was es von einem der acht Teams und später von den Stichentscheids-Paaren hält? Dass sich wirklich jemand “nicht mehr traut”? Vor was soll er denn Angst haben? Dass man ihn sonst zum Kanzlerkandidaten machen werde? :-)))

    Netter Versuch, eine stinknormale Wahl mit erschreckend schlechter Wahlbeteiligung bei den Genossen in das Reich der Verschwörungstheorien zu befördern, um diese lahme Geschichte der Kandidatenfindung noch etwas aufzupeppen. Aber nicht mal das zündet hier. 😉

  2. Erik Fengler am

    Mister Juso Veith Lemmen arbeitet schon seit längerem an der Übernahme der Weltherrschaft der Weltmacht SPD. Gut, dass der WDR das Thema aufgreift.

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