Reul gegen Biesenbach: der Clan-Kampf im Hintergrund

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Reul gegen Biesenbach: der Clan-Kampf im Hintergrund

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Er hat wieder zugeschlagen und sein Revier markiert. Im Dunkel der Nacht rückten seine Leute in Essen, Duisburg, Kleve, Mülheim, Bochum und Dortmund aus. Mit 1500 Personen. Die Beute: unter anderem 100.000 Euro Bargeld und 60 Kilogramm Tabak.

Der Auftraggeber: NRW-Innenminister Herbert Reul. Der schickte seine Polizei am vergangenen Wochenende wieder in eine Clan-Razzia. Über den so betitelten “24-Stunden-Aktionstag” erklärte Reul im Anschluss den Medien, der Einsatz habe “Symbolkraft weit über den heutigen Tag hinaus.” Und weiter: “Damit machen wir klar, dass wir dranbleiben.”

Behörden-Ambiente statt Razzia in der Sisha-Bar

Das ist eine Kampfansage an die Clan-Bosse im Ruhrgebiet – aber zwischen den Zeilen auch an Justizminister Peter Biesenbach. Denn Reuls Strategie der “1000 Nadelstiche” gegen kriminelle Clans war für seinen Kabinettskollegen und Parteifreund Biesenbach ebenfalls ein empfindlicher Nadelstich. Seit langem gibt es innerhalb der Landesregierung Ärger über die Frage, welcher der beiden Minister wann und wie über das Clan-Thema informiert. Und damit in der Öffentlichkeit punkten kann.

Häufig hat Justizminister Biesenbach dabei das Nachsehen, so auch in dieser Woche. Am Mittwoch reiste Biesenbach zur Essener Staatsanwaltschaft, um mit dem dortigen Abteilungsleiter zur Verfolgung von Organisierter Kriminalität eine Clan-Bilanz zu ziehen. Sein Einsatzort: Raum 616 in der Staatsanwaltschaft. Tristes Behörden-Ambiente statt Blaulicht und Razzia in der Shisha-Bar. Mal wieder zu spät für die große Bühne, denn: vier Tage nach Reuls Einsatz.

Der Innenminister geht gegen die Clans in Nordrhein-Westfalen öffentlichkeitswirksam vor – gerne auch mal höchst persönlich. Seitdem Reul 2018 den Kampf gegen die Clan-Kriminalität zur Chefsache erklärt hat, sah man den obersten Polizisten des Landes auch immer wieder selbst bei Razzien. Von der Opposition als “Show-Veranstaltung” verspottet, von der Presse groß aufgegriffen: Reul überprüft gern auch direkt vor Ort, welche illegalen Waren seine Beamten aus den Spiel-Höllen des Ruhrgebiets rausschleppen.

Ärger um Minister-Einsätze bei Razzien

Der für den Rechtsstaat zuständige Justizminister Biesenbach ist selten selbst vor Ort. Aber ganz verzichten auf das mediale Echo, das Herbert Reul mit seinen Razzien auslöst, wollte Biesenbach dann offenbar auch nicht. Als der Justizminister Ende 2019 mal nachts bei einer Razzia in Duisburg auftauchte, waren die Verstimmungen in Reuls Landeskriminalamt groß, wird in Ermittlerkreisen erzählt. Endgültig zum Hahnenkampf wurde der Clan-Kampf dann vor einigen Monaten. Vor einer Pressekonferenz zur Organisierten Kriminalität gab es wohl Streit zwischen Reul und Biesenbach. Und zwar über diese Frage: Wer darf zuerst vor der Presse sprechen?

So ist das eben mit der Symbolkraft: es geht den beiden CDU-Herren in der CDU-geführten Landesregierung auch darum, wer in den Augen der Öffentlichkeit im Land am besten für Recht und Ordnung sorgt. Beim Kampf gegen die Clan-Kriminalität wollen zwei konservativen Herren ihr Revier markieren – und vor allem anders als die rot-grüne Vorgänger-Regierung beim Thema Innere Sicherheit punkten.

Doch Reuls Polizisten und Biesenbachs Staatsanwälte kommen durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Clan-Bekämpfung. Das Innenministerium vermeldete stolz: Zwischen Juli 2018 und August 2021 sei die Polizei in NRW zu mehr als 1.800 Razzien gegen Clans ausgerückt. Im Lagebild “Clankriminalität” für das Jahr 2020 sind 5.778 Straftaten erfasst. Dazu zählen aber auch Diebstähle oder Verkehrsstraftaten. Reuls Clan-Statistik beinhaltet also auch diverse Fälle, bei denen die Verfahren ziemlich schnell eingestellt werden.

Reuls Razzien und Biesenbachs fehlende Definition

Was am Ende von Reuls Razzien übrig konkret bleibt, können Biesenbachs Staatsanwälte gar nicht genau beziffern. “Eine gesonderte und umfassende statistische Erfassung gegen Clanmitglieder geführte Ermittlungs- und Strafverfahren erfolgt durch die Staatsanwaltschaften und Gerichte in Nordrhein-Westfalen nicht”, erklärte Justizminister Biesenbach dazu den erstaunten Abgeordneten im Düsseldorfer Landtag im Jahr 2020. Nur in Duisburg und Essen würden zur Bekämpfung von Clankriminalität überhaupt Sonder-Staatsanwälte vor Ort eingesetzt.

Der Begriff Clan-Kriminalität sei – anders als bei der Polizei – in der Justiz noch gar nicht definiert, hieß es von Biesenbach erst kürzlich. Wenig schmeichelhaft maßregelte der eine Sheriff den anderen: die von Reuls Landeskriminalamt entwickelte Begriffsbeschreibung der Clan-Kriminalität sei ein für Statistiken “nicht punktgenau darstellbares kriminologisches Phänomen”, teilte Biesenbach dem Landtag Ende 2021 mit. Der Justizminister kann oder will also Reuls Erfolgsmeldungen gar nicht so richtig untermauern.

Trotzdem dürfte die Clan-Bekämpfung im aufziehenden NRW-Landtagswahlkampf mit ziemlich punktgenauen Erfolgsmeldungen im Fokus bleiben: Millionen abgeschöpfte Gelder, massenhaft Haftbefehle, tausende Durchsuchungen. Innenminister Reul wird damit vermutlich noch so manchen politischen Gegner im Wahlkampf überrumpeln – und auch Justizminister Peter Biesenbach.

Über den Autor

Kölner in Düsseldorf. Seit 2015 als Redakteur für Landespolitik, seit 2017 auch für das investigative Ressort beim WDR tätig. Liebt die politische Debatte, an den meisten Tagen auch auf Twitter.

8 Kommentare

  1. Biesenbachs Staatsanwälte sind sogar ganz groß in Verfahrenseinstellungen. Internetbetrug mit einem Fakeshop und einer Bankverbindung innerhalb der EU wird keine acht Wochen nach Anzeige eingestellt, da eine „verantwortliche Person nicht ermittelt werden konnte.“ In dem Briefchen hängt dann noch ein Abschnitt als Nachweis für die eigene private Versicherung dran. Statt den Kontoinhaber in der EU, der hunderte Betroffene betrügt zu ermitteln, stellen Biesenbachs hochbesoldete Bürostuhlwärmer die Verfahren einfach ein. Den Schaden kann sich der Betroffene ja von seiner Versicherung erstatten lassen. Eine solche Staatsanwaltschaft kann man sich auch ganz sparen.

  2. Rudolf Franke am

    Das Innenministerium sucht wahrscheinlich Anleihen bei Batmantrivia, wenn es sich nicht darum schert, ob das alles vor Gericht Stand hält. Wie definiert sich eigentlich ein Clan? Hat es vielleicht mit Migrationshintergrund zu tun? Ist die Definition der Familie in der CDU entglitten?

  3. Horst Ehlers am

    Im wesentlichen sind die Clans Mitte der 80er eingereist und waren bis zur Kölner Silvesternacht unsichtbar; Journalisten haben einfach nicht darüber berichtet. Im Willen rechten Parteien nicht Futter zu liefern ist das Gegenteil eingetreten. Es gab nie bessere Argumente gegen ungesteuerte Zuwanderung.

    Auftritte vor der Kamera ist PR und das sehe ich kritisch, egal wer da steht. Wie welche Zuwanderung akzeptiert werden kann und welche nicht ist zunächst allerding etwas für die Bundesebene. Es hilft medienwirksam aktuell einen Schulhofschläger abzuschieben, an den Kalifen von Köln kann ich mich aber auch erinnern. Trotzdem ist das Thema Migration vergiftet und sinnvolles Handel so gut wie unmöglich, egal ob auf Bundes- oder Landesebene. Was Reul im Rahmen seiner Möglichkeiten versucht ist im Prinzip gut, kann aber nur noch Schadensbegreinzung sein.

  4. Regine Nurejew am

    Ich hätte da eine Definition für Clankriminalität abseits von Rassismus, Herr Biesenbach: Großfamilie, die ihren Lebensunterhalt durch Kriminalität (Drogenhandel, Prostitution, Menschenhandel, Betrug, Schmuggel, Gewalt, Waffendelikte etc.) bestreitet, eigene Rechtssysteme errichtet, die Sozialsysteme betrügt, indem sie Bedürftigkeit vorgaukelt. Darunter fallen sämtliche Nationalitäten, die sich durch weitläufige Familienstrukturen im In- und Ausland auszeichnen und sich deshalb leicht der Verfolgung entziehen können. Darunter fallen auch andere “Familien” (Brüder im Geiste), z.B. Rocker, Motorradgangs, Reichsbürger, Neonazis. Ist doch gar nicht so schwer, oder? Ich bewundere Herrn Reul. Er macht das ganz prima!

  5. Man kann viel machen, nur man muss es auch tun! Zunächst sollte man in der unteren Ebene, z.B. im Stadtrat anfangen und polizeiliche Führungszeugnisse einführen. Denn dort gibt es schon Ratsmitglieder mit ca 100 Aktenzeichen…..und alle Parteien wissen das. Aber es wird natürlich bei „Prinzessinnen“ viel gedeckt ……Aber wahrscheinlich interessiert das auch sonst niemanden. Armes Deutschland, bald werden wohl noch 40 % Bürger wählen……

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