“Tausend Gründe stolz zu sein?”

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“Tausend Gründe stolz zu sein?”

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Ich gebe zu, ich habe mich gewundert, als ich hörte, dass die Toten Hosen den Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen bekommen. Ausgerechnet die Toten Hosen, die sich immer so kritisch mit dem Staat, seinen Institutionen und überhaupt der Gutbürgerlichkeit der Deutschen auseinandergesetzt haben, ausgerechnet diese Band hat jetzt also die höchste Auszeichnung bekommen, die das Land zu vergeben hat.

Und gleich fiel mir eine Textzeile ein (ja, ich bin sehr textsicher, weil ich wohl kaum eine Band in den letzten Jahrzehnten so häufig gehört habe wie die Toten Hosen). „Es gibt tausend gute Gründe, auf dieses Land stolz zu sein. Warum fällt mir nur auf einmal kein einziger mehr ein?“ So sang Campino vor fast vierzig Jahren. Und jetzt ist ausgerechnet die eigene Band einer der Gründe, auf die das Land so stolz ist, dass ihr die höchste Auszeichnung Nordrhein-Westfalens verliehen wird. Und das dann auch noch aus der Hand eines Ministerpräsidenten der CDU. Auch die kommt im Lied „Tausend gute Gründe“, auf die man stolz sein kann, vor: „Die Korruption, die Union…“

Campino, bürgerlich heißt er Andreas Frege, pflegte schon in seinen frühen wilden Jahren einen engeren Kontakt zu CDU-Ministerpräsidenten. Na ja, eher zu einem und dessen Familie. Der Sohn des damaligen Landeschefs von Niedersachsen, Ernst Albrecht, hatte seinen Vater einst gefragt, ob der was dagegen hätte, wenn er, also der Sohn, zu seinem Geburtstag ein paar Freunde einladen dürfte, die auch etwas Musik machen würden. Im Hause Albrecht wurde die volkstümliche Hausmusik gepflegt, insofern hatte der Vater gegen den Wunsch des Sohnes nichts einzuwenden. Bis Vater Ernst Albrecht tief in der Nacht nach Hause kam und die Dienstvilla einigermaßen derangiert vorfand.

Auch dieses Erlebnis haben die Toten Hosen in einem Song verewigt, der bis heute das Ende ihrer Konzerte einläutet. „Schönen Gruß, auf Wiederseh’n“ thematisiert höchst anschaulich, wie die Band nach einer Hausparty vor erbosten Eltern flüchtet. Nie bekannt wurde, ob die Schwester des Albrecht-Sohnes damals auch dabei war. Sie heißt heute Ursula von der Leyen und leitet aktuell die EU-Kommission in Brüssel.

Damals konnte man die Toten Hosen quasi zur eigenen Party einladen. Die Band kam kostenlos, einzige Bedingung war, dass genug zu Trinken da war. Eigentlich so wie diese Woche beim Staatspreis auch. Insofern sind die Toten Hosen sich treu geblieben, als sie auch diese Einladung angenommen haben.

Aber für all das den Staatspreis…?

Ja, denn da gibt es eben auch genau die andere Seite dieser Band, die immer schon mehr war als die reine Rabauken-Punkband. Selbst in ihrer ganz wilden Phase vor vierzig Jahren stand politisches Engagement schon ganz oben auf der Agenda. 1988 traten die Toten Hosen bei einem Solidaritätskonzert mit den Stahlarbeitern von Duisburg-Rheinhausen auf. Kein Konzert der Band, auf dem nicht gegen Fremdenhass und Rassismus gesungen wird, zum Beispiel im Song „Sascha – ein aufrechter Deutscher“. Kein Konzert, in der im Anschluss nicht tausendfach der Ruf „Nazis raus“ erfolgt. Und im vergangenen Jahr waren es die Toten Hosen, die nach dem Erdbeben in der Türkei und in Syrien ein Benefizkonzert auf die Beine stellten.

Das hatte übrigens auch Ministerpräsident Hendrik Wüst besucht. „Tage wie diese“, zitierte Wüst bei der Preisverleihung, sollen in Erinnerung bleiben. Und da passt es ins Bild, dass am Ende auch Sänger Campino ein Grund einfiel: Dass in Nordrhein-Westfalen die Ablehnung ausländerfeindlicher Parolen deutschlandweit am stärksten ausfalle, sei für ihn ein Grund, stolz auf das Land zu sein.

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Über den Autor

2009 erstmals im Landtag gelandet - nach Jahren bei WDR 2 und in Brüssel. Nachdem es 2015 nach Aachen in die Leitung des dortigen WDR-Landesstudios ging seit Frühjahr 2023 wieder in der landespolitischen Redaktion an Bord.

2 Kommentare

  1. Damit kann man diese Auszeichnungen ja einordnen. Ich wundere mich über gar nichts mehr. Aber von allem was nicht mehr nachvollziehbar ist, kann man das hier am leichtesten unter BEDEUTUNGSLOS abheften.

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