Versuch über das Herumlungern

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Versuch über das Herumlungern

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Das Ausloten einer neuen Regierungskoalition ist immer eine heikle Sache. Hinter verschlossenen Türen wird seit der Landtagswahl vom 15. Mai erst vorsondiert, nun offiziell sondiert – und ab nächste Woche starten dann vielleicht richtige Koalitionsverhandlungen.

Die Grünen-Landesvorsitzende Mona Neubaur hatte in der vergangenen Woche gesagt: “Rechnen Sie nicht damit, dass wir eine Show draus machen wollen.” Also keine Selfies, keine Indiskretionen, keine Show. Nun, ein paar Gruppenfotos sind dann dennoch entstanden in den letzten Tagen. So ist das Geschäft.

Warten, Geduld beweisen, die Zeit vertreiben

Während die Politikerinnen und Politiker also im Rahmen ihrer Möglichkeiten vertraulich miteinander reden, müssen die Medien vor allem eines machen: warten. Heißt für uns Journalisten: herumlungern, Geduld beweisen, die Zeit vertreiben. Das ist nicht immer einfach. Beim ersten Treff von CDU und Grünen vor einer Woche mussten wir auf einem Parkplatz ausharren, während sich drinnen im Gebäude der Handwerkskammer in Düsseldorf Hendrik Wüst und Mona Neubaur mit ihren Delegationen näher kennenlernten. Bei sommerlichen Temperaturen holte man sich draußen ein Eis, plauderte über Fußball – und ab und zu über Politik.

Ein paar Tage später beim Plausch von SPD und Grünen war es für uns Journalisten komfortabler. In einem Düsseldorfer Hotel gab es eine Lounge mit Steckdosen – und sogar einen guten Dönerladen nebenan. CDU und Grüne sondieren derzeit im innenstadtnahen “Malkasten” mit angrenzendem Park – auch dort kann man es aushalten. Bad News für Journalisten: Bis zum Ende der Woche wollen die Sondierer keine Statements abgeben.

Die längste und wohl ermüdendste Regierungsbildung in den letzten gut 20 Jahren erlebten Abgeordnete und Medienleute in NRW im Jahr 2010. Nach der Landtagswahl, bei der die schwarz-gelbe Regierung von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) abgewählt worden war, kam es zu einer wochenlangen Hängepartie. Über zwei Monate dauerte es bis zur Bildung einer rot-grünen Minderheitsregierung. Vorher redeten alle mal mit allen. Die Korrespondenten lernten damals gefühlt die Hälfte aller Düsseldorfer Tagungshotels kennen – so oft luden die Parteien zu (gerade zu Beginn meist ergebnislosen) Gesprächen.

Eine Typologie der Lungernden

Jeder wartende Medienmensch geht ein wenig anders mit solchen Situationen um. Es gibt den stoischen Typ, der oder die gelassen abwartet, dabei vielleicht mit dem Handy spielt oder sogar ein Buch liest. Dann sind da die Nervösen, die vor verschlossenen Türen auf und ab tigern, meist telefonierend oder textend, ob nicht doch etwas nach draußen dringt aus dem Verhandlungssaal. Es gibt jene, die den Ort des Geschehens zwischendurch verlassen, um irgendwo eine gute Mahlzeit oder einen guten Tropfen zu sich zu nehmen. Andere bleiben standhaft vor Ort: ernähren sich aus Butterbrotdosen oder treiben die Spesenrechnung an der Hotelbar hoch. Gelobt seien Pressesprecher, die wichtige Infos streuen wie: “Da vorne gibt es eine gute Currywurst.”

2022 soll es möglichst zügig gehen mit der Regierungsbildung, ist zu hören. Wir warten ab, bleiben skeptisch und nehmen uns zur Sicherheit nichts vor in den nächsten Wochen.

Über den Autor

Jahrgang 1974. Geboren im westlichen Münsterland. Ich berichte seit 2002 über Politik und News aus Nordrhein-Westfalen. Bis 2007 für die taz, danach knapp fünf Jahre als Korrespondent der Nachrichtenagentur ddp/dapd. Seit 2012 arbeite ich für den WDR.

Ein Kommentar

  1. Klaus Keller am

    Ja, es ist langweilig denn so weit liegt man gar nicht auseinander.
    Es gibt ein paar Knackpunkte aber das Schwarze ist so grünlich geworden, egal was man wählt es kommt im Mainstream immer was in Grün dabei raus. Es darf nur nicht zu offensichtlich werden.
    Gut für die Grünen, die massiv Wähler gewonnen haben aber schlecht für die anderen, die CDU hat im Land eine Viertelmillion Wähler weniger, was man allerdings nicht am Prozentsatz sehen kann.

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