Tag 142: Kurz aber zäh

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Tag 142: Kurz aber zäh

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Noch leicht angeschlagen vom urlaubsbedingten Jetlag hatte ich schon befürchtet, womöglich im Gericht einzuschlafen. “Es verspricht, zäh zu werden”, hatte ich nach der Lektüre des Martin-Teigeler-Beitrags von gestern aus der Straßenbahn gewhatsappt. Es kündigte sich nämlich ein ähnliches Szenario an. Eine weitere Mitarbeiterin der Lopavent, die mit dem eigentlichen Geschehen kaum etwas zu tun hatte.

Sehr fokussiert

Sie habe sich bei der Loveparade auf ihren eigenen Tätigkeitsbereich fokussiert, sagt die heute 38-Jährige dann auch, nachdem der vorsitzende Richter wie üblich die Anwesenheit der Prozessbeteiligten bzw. deren Bevollmächtigter festgestellt und mit der Befragung begonnen hat. “Fokussiert” ist ein Begriff, den die Zeugin anscheinend gern, jedenfalls aber recht oft benutzt. Also, sie sei sehr fokussiert auf ihre Aufgaben gewesen, die im Vorfeld im Bereich Merchandising und am Veranstaltungstag selbst in der Künstler- und VIP-Betreuung angesiedelt waren.

“Ich weiß nicht mal mehr, wer von den Herren Herr … ist!”

Der Erkenntnisgewinn bezüglich der Verantwortung der Angeklagten für die Loveparade 2010 liegt nach meinem Empfinden bei Null. Ja, der Eine sei so was wie der Kopf der Lopavent gewesen, er habe die verschiedenen Abteilungen organisiert, der Andere – mittlerweile gar nicht mehr Angeklagte – sei der Kreativdirektor gewesen. Der zweite Angeklagte sei ein sehr netter Mensch und nach dem dritten verbliebenen Angeklagten gefragt schaut sie irritiert auf die Reihen der Verteidigung. “Ich weiß nicht mal mehr wer von den Herren da der Herr … ist.”

Lesen und lesen lassen

Nach nicht mal einer Stunde ist das Gericht mit seinem Teil der Befragung durch, alle anderen Prozessbeteiligten haben auch keine Fragen mehr, sodass die Zeugin entlassen wird. Richter Plein nutzt die unverhoffte freie Zeit, um einige Dokumente einzuführen, also vorlesen zu lassen, um die die Verteidigung gebeten hatte. Es handelt sich um den Antrag für eine imissionsrechtliche Ausnahmegenehmigung der Lopavent bei der Stadt Duisburg und den daraus resultierenden Bescheid der zuständigen Behörde, sowie ein Lärmschutzgutachten, das dafür nötig war.

Erhebliches öffentliches Interesse

So langweilig solche Dokumente auf den ersten Blick scheinen, gibt es doch sowohl in der Antrags- als auch in der Bescheid-Begründung Passagen, die mich wieder daran erinnern, warum wir heute und an all den Tagen hier sitzen. Im Antrag des McFit-Rechtsanwalts heißt es: “Ein Erfolg der Veranstaltung ist für alle Beteiligten von eminenter Bedeutung.” Und die erteilte Ausnahmegenehmigung wird unter anderem damit begründet: “Die Veranstaltung wird als Wirtschaftsfaktor und Imageträger für die gesamte Region bewertet.” Damit bin ich zurück bei der Frage: Hätte es das Unglück bei der Loveparade 2010 überhaupt gegeben, wenn sie nicht so dringend politisch gewollt und ihr Erfolg nicht von so eminenter Bedeutung für alle Beteiligten gewesen wäre?

Über den Autor

Geboren 1969 in Bremen, Mensch- und Journalistenwerdung in Rheinland und Ruhrgebiet und seit 2008 für den WDR als Reporterin in Düsseldorf, Duisburg und Umgebung unterwegs. Das Unglück bei der Loveparade habe ich von Anfang an immer wieder journalistisch begleitet, vom Folgetag an viel Zeit im Tunnel verbracht, Eindrücke gesammelt, Menschen befragt, berichtet. Auch über die politischen Folgen, wie die Abwahl des Oberbürgermeisters Sauerland und das juristische Hickhack im Vorfeld dieses Prozesses.

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