Tag 143: Das Narrativ der Loveparade

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Tag 143: Das Narrativ der Loveparade

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Unser heutiger Zeuge hatte schon seit 1996, also lange, bevor Rainer Schaller und McFit die Marke “Loveparade” kauften, verschiedene Aufgaben rund um das Event. 2010 war er in Duisburg für Marketing und das Anwerben von Media-Partnern, also zum Beispiel internationalen Fernsehsendern, zuständig. Den eigentlichen PR-Mann vertrat er kurzzeitig, als dieser in Elternzeit war.

Wenig involviert

Mit der eigentlichen Produktion, also den Arbeiten am Gelände und der künstlerischen Planung habe er wenig zu tun gehabt, sagt der Berliner. In Duisburg habe er nur an einigen wenigen Besprechungen teilgenommen. Nach Einzelheiten gefragt, sagt er häufig “klingt plausibel” und “weiß ich nicht, ich müsste spekulieren”.

“Die Veranstaltung wird zu teuer”

Woran er sich aber erinnern könne: Das in der Planungszeit die Budgetfrage hochgekommen sei. Da habe es geheißen “Die Veranstaltung wird zu teuer”. Aha, denkt sich die Prozessbeobachterin in mir, jetzt wird es interessant. Denn das ist eine Frage, die wir Journalisten uns immer wieder stellen: Wurde an der Sicherheit gespart und kam es deshalb zu dem Unglück? Aber der Zeuge sagt aus, es sei nie in Betracht gekommen, an der Sicherheit zu sparen. Ob er diesen Eindruck begründen könne, fragt Richter Plein: “Wurde das mal explizit gesagt?” An der Sicherheit zu sparen sei nie diskutiert worden.
Jedenfalls nicht, wenn der Zeuge dabei war, denke ich. Misstrauisch.

Hello again, mediale Zahlen!

Als es im Laufe des Vormittags um das Güterbahnhof-Gelände und die Frage geht, wie viele Zuschauer überhaupt darauf passen, treffen wir im Gerichtssaal schließlich alte Bekannte wieder. Die “medialen Zahlen”. Nie und nimmer hätte man in Duisburg die angekündigten 1,2 Millionen Besucher bewältigen können. Auf dem Gelände wären nach ursprünglicher Ansicht des Bauamts maximal 250.000 Besucher sicher gewesen. Aber, so der Zeuge, “die Zahlen – das ist das Narrativ der Loveparade schon in den Berliner Zeiten – wurden immer mehr hochgeschraubt.”
Um halb eins beendet der Richter den Sitzungstag. Der Zeuge ist entlassen.

Über den Autor

Geboren 1969 in Bremen, Mensch- und Journalistenwerdung in Rheinland und Ruhrgebiet und seit 2008 für den WDR als Reporterin in Düsseldorf, Duisburg und Umgebung unterwegs. Das Unglück bei der Loveparade habe ich von Anfang an immer wieder journalistisch begleitet, vom Folgetag an viel Zeit im Tunnel verbracht, Eindrücke gesammelt, Menschen befragt, berichtet. Auch über die politischen Folgen, wie die Abwahl des Oberbürgermeisters Sauerland und das juristische Hickhack im Vorfeld dieses Prozesses.

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