Tag 173: Ein Protokoll ohne Unterschrift

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Tag 173: Ein Protokoll ohne Unterschrift

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Es ist der zweite Tag der Befragung eines Zeugen, der wie er selbst sagt, viel verdrängt hat. Heute würde der Leiter einer Sicherheitsfirma es anders machen, sagt er. In seiner Firma müsse jeder seitdem alles genau aufschreiben, wenn es zu einem Vorfall im Einsatz käme. Damals habe er kein Gedächtnisprotokoll verfasst. Ein solches wird ihm aber vorgelegt. Eine Mitarbeiterin der Lopavent soll es verfasst und ihm zur Unterzeichnung vorgelegt haben. Darin soll sie aufgeschrieben haben, was der Zeuge bei einem Nachtreffen mit den drei Angeklagten gesagt haben soll. Der Zeuge kann sich heute aber weder an den Inhalt dieses Gesprächs erinnern, noch an das Dokument.

Frage: “Kennen Sie den Begriff Impressionen?” Antwort: “Nicht wirklich”

In diesem Protokoll steht unter der Überschrift “Impressionen” zum Beispiel, dass Polizei und Sanitätsdienste nicht präsent bzw. zu weit weg stationiert gewesen seien. Außerdem habe der Zeuge keine Gruppenbildung oder Panik im Tunnel erkennen können und deshalb eine komplette Schließung der Eingänge für nicht gerechtfertigt gehalten. Von diesen Aussagen distanziert der Zeuge sich heute. Zum einem kann er nicht erklären, was das Wort “Impressionen” bedeutet. Zum anderen habe er von seiner Position aus gar nicht so weit in den Tunnel hineinblicken können, um etwas zu erkennen. Er habe nur die Menschenmenge vor dem Tunneleingang sehen können.

Ob er sich damals geweigert habe das Dokument zu unterschreiben, weil er mit dessen Inhalt nicht einverstanden war, weiß er nicht mehr.

Im Ganzen ist der Auftritt des Zeugen vor Gericht in meinen Augen wenig informativ. Aber die Beweise, die wir gesehen haben und die Punkte, die angesprochen wurden, sind interessant. Einige Dinge, die mir in Erinnerung bleiben werden:

  • Der Zeuge sagte aus, dass die Polizeikräfte, die bei ihm an der Eingangsschleuse standen, keinen Funkkontakt zu den Einsatzkräften auf der gegenüberliegenden Kreuzung hatten. Das verstärkt den Eindruck des Kommunikationschaos unter den Einsatzkräften.
  • Der Zeuge gibt an, dass er vor seiner polizeilichen Vernehmung mehrere Gespräche mit den Angeklagten geführt habe. Er kann sich daran erinnern, viele Menschen in der Lopavent Zentrale gesehen zu haben.
  • Der Zeuge ist zu seiner polizeilichen Vernehmung von einer Anwältin begleitet worden, die ihm Lopavent besorgt habe. Er selbst habe nie darum gebeten oder dies für nötig gehalten. Er war nur ein Sicherheitsmann, der insgesamt 34 Mitarbeiter dabei hatte. Er betont nur eine kleine Firma gehabt zu haben. Dennoch scheint die Lopavent sich mit dieser externen Sicherheitsfirma im Nachgang ausgetauscht zu haben.
  • Aus den Einsatzplänen des Zeugen geht hervor, dass er für die Einlassschleusen zehn Mitarbeiter zugeteilt hatte. Es hätten laut Konzept aber 16 sein müssen. Es werde wohl so sein, dass Ordner von einer Fremdfirma dazu gekommen seien. Die Frage, ob die Einlasskontrollen unterbesetzt waren, bleibt hier offen.

Schließlich geht ein weiterer Prozesstag mit vielen vagen Aussagen zu Ende. Zurück bleiben immerhin Dokumente und Videoaufnahmen, die aus meiner Sicht etwas mehr zur Aufklärung beitragen. Und die persönliche Einsicht, dass ein Gedächtnisprotokoll eines Tages sehr wertvoll sein kann.

Über den Autor

in Duisburg geboren. Nach einem Volontariat bei einem TV-Sender ging es weiter als freie Videojournalistin für verschiedene TV Sender und internationale Online-Plattformen. Seit 2016 im WDR Studio Duisburg zuhause.

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