Tag 50: Der Panikforscher

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Tag 50: Der Panikforscher

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Michael Schreckenberg ist bekannt aus Funk und Fernsehen. “Ich bin ein vielbeschäftigter Mann”, sagt der Zeuge bei seiner Aussage im Loveparade-Prozess. Der Physik-Professor an der Uni Duisburg wird in den Medien oft befragt – zu Staus, zu Großveranstaltungen oder neulich noch zum Ed-Sheeran-Konzert. “Ich gelte als presseaffin.”

Massenpanik trotz Panikforscher

Auch rund um die Loveparade 2010 in Duisburg war Schreckenberg ein vielgefragter Gesprächspartner. Die Stadt heuerte den Stau- und Panikforscher als Ratgeber für die Technoparade an. Dennoch kam es zur Massenpanik mit 21 Toten.

Die Katastrophe habe ihn “traumatisiert”, sagt der Zeuge Schreckenberg. Er berichtet von Morddrohungen und von Polizeischutz für seine Familie. Fälschlicherweise sei nach dem Unglück berichtet worden, er habe das Sicherheitskonzept zur Loveparade erstellt. Dabei habe er noch nicht mal ein Gutachten erstellt, sondern nur “auf Zuruf” Ratschläge erteilt – vor allem zu den Zu- und Abwegen zwischen Bahnhof und Eingang zum Partygelände.

Der Professor hält sich mit einer Hand an der Seite des Tisches im Zeugenstand fest. Durch das darauf stehende Mikrofon ist Schreckenberg mehrfach am heutigen Prozesstag nicht zu verstehen, weil er zu weit auf seinen Stuhl zurücksackt. Eine Verteidigerin fordert den Wissenschaftler auf, er solle sich doch bitte aufrecht direkt vor das Mikrofon setzen.

Der Zeuge wirkt stellenweise nervös. Seine Stimme klingt manchmal brüchig. Laut Richter Mario Plein merkt der Zeuge in einer Pause an, dass es ihm nicht gut gehe. Manchmal sind die Aussagen des Zeugen unverständlich. “Was wollten Sie mir damit sagen?”, fragt der Vorsitzende Richter einmal leicht angenervt.

Kein Kontakt zu Lopavent

Schreckenberg betont, er habe “niemals Kontakt” zur Veranstalterfirma gehabt. Seine Expertise sei von Lopavent nicht gewünscht worden. Er sei von der Stadt “um Rat gefragt worden”. Später sei ihm aber “klar geworden, dass man einfach nur meinen Namen benutzen wollte”. Wollte die Stadt den Forscher ruhigstellen? Vielleicht sei es Ziel gewesen, seine öffentlichen Aussagen zur Loveparade “abzumildern”, sagt der Zeuge.

Unmut und Protest regt sich bei Verteidigern, als Schreckenberg angibt, ein von Forscherkollegen erstelltes Gutachten zum Veranstaltungsgelände nicht vorab gekannt zu haben. Laut verlesenen E-Mails soll es ihm aber zugemailt worden sein.

Unstrittig ist ein Fakt. Für seine Dienste erhielt der Berater Schreckenberg von der Stadt Duisburg 20.000 Euro Honorar – per Verrechnungsscheck. Am Donnerstag soll der Zeuge weiter vernommen werden.

Über den Autor

Jahrgang 1974. Geboren im westlichen Münsterland. Ich berichte seit 2002 über Politik und News aus Nordrhein-Westfalen. Bis 2007 für die taz, danach knapp fünf Jahre als Korrespondent der Nachrichtenagentur ddp/dapd. Seit 2012 arbeite ich für den WDR.

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