Tag 55: „Es ging tatsächlich ums schnöde Geld“

https://blog.wdr.de/loveparade-prozess/tag-55-es-ging-tatsaechlich-ums-schnoede-geld/

Tag 55: „Es ging tatsächlich ums schnöde Geld“

Kommentare zum Artikel: 0

… sagt der Zeuge ziemlich zum Ende seiner heutigen Ladung. Er antwortet auf die Nachfrage eines Nebenklägers, warum die Stadt Duisburg keine andere Lösung gefunden hat, als die Menschen von beiden Seiten durch eine düstere und enge Unterführung auf das Loveparadegelände zu leiten.

Großveranstaltungen im Freien

Sein Kardiologe und sein Psychologe hätten ihm nach einem zweiten Herzinfarkt davon abgeraten, in diesem Prozess auszusagen, sagt der ehemalige Chef der Dortmunder Feuerwehr zu Beginn des Prozesstages. Er habe sich trotzdem entschieden, zu erscheinen. Der 63-Jährige hatte im März 2010 in Duisburg ein Seminar zum Thema „Großveranstaltungen im Freien“ gehalten, bei dem er eindringlich vor Planungsfehlern gewarnt haben will.

Ein unermüdlicher Zeuge

Wenn er eine Pause brauche, möchte er dies sagen, bittet Richter Plein mitfühlend. Der Hinweis erweist ich als überflüssig, denn der Zeuge blüht sichtlich auf. Es ist eher ein Referat als eine Zeugenaussage, als er detailliert seine Expertise für dieses Seminar und für Großveranstaltungen allgemein darlegt. Von Druckbelastungen und Kilonewton ist die Rede, von Erfahrungen mit den Loveparades in Berlin, Essen und Dortmund, Todesfällen in Gedrängen in Nepal und Mekka. Das alles sei bei dem Seminar im März 2010 zur Sprache gekommen. Ich gebe zu, ich muss es später googlen, aber die Massenpanik in Mekka mit mehr als 700 Toten war im Jahr 2015 – also mehr als fünf Jahre nach dem Unglück in Duisburg. Mehrfach muss Richter Plein den Zeugen zum eigentlichen Thema zurückholen – und die Pause wird schließlich von Seiten der Verteidigung erbeten.

Haben die Verantwortlichen wider besseres Wissen das Unglück herbeigeplant?

Hätten die Verantwortlichen nach Besuch dieses Seminars wissen müssen, dass die Loveparade, so wie sie geplant war, tödlich ausgehen könnte? Ist die eigentliche Frage heute. Und wenn dem so war: Was hielt sie davon ab, an den kritischen Punkten nachzubessern?

“Es ging ums Geld, das sie nicht hatten”

Der Zeuge schildert, im Zuge des Seminars sei die Sicherung eines anderen Duisburger Projekts der Ruhr 2010 zur Sprache gekommen. „Da kam auf einmal durch: Es ging ums Geld, das sie nicht hatten.“ Und so sei das eben auch bei den Überlegungen zur Loveparade gewesen. Ja, man hätte theoretisch andere Zugänge zum Gelände schaffen können als durch den Tunnel. Aber das hätte bedeutet, mit schwerem Gerät Rampen aufzuschütten. „Und das kostet viel Geld.“

Keine abschließende Antwort

Richter Plein lässt es schließlich gut sein, mit seinen Nachfragen. Und auch von Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung kommt nicht mehr viel. Zu diesem Seminar gibt es – wie der Richter anmerkt – reichlich Zeugenaussagen, die sich teils widersprechen. Und so wichtig sei das Seminar eigentlich auch nicht für den Prozess. Denn die Planungen für die Loveparade waren im März 2010 noch in einem sehr oberflächlichen Stadium. Das bestätigt der Zeuge: „Nach meinem Eindruck waren die noch sehr rudimentär.“

Über den Autor

Geboren 1969 in Bremen, Mensch- und Journalistenwerdung in Rheinland und Ruhrgebiet und seit 2008 für den WDR als Reporterin in Düsseldorf, Duisburg und Umgebung unterwegs. Das Unglück bei der Loveparade habe ich von Anfang an immer wieder journalistisch begleitet, vom Folgetag an viel Zeit im Tunnel verbracht, Eindrücke gesammelt, Menschen befragt, berichtet. Auch über die politischen Folgen, wie die Abwahl des Oberbürgermeisters Sauerland und das juristische Hickhack im Vorfeld dieses Prozesses.

Top