Tag 78: “Dann wurde es bitter”

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Tag 78: “Dann wurde es bitter”

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Der Zeuge war damals für die Sicherheit an den Eingängen und im Tunnel zuständig. Der Psychologe schildert die Vorbereitungsphase und seine Erlebnisse am Tag der Loveparade sehr strukturiert und erstaunlich genau. Er ist vorbereitet, hat zuvor ein Gedächtnisprotokoll angefertigt, das er dem Gericht auch zur Verfügung stellen will.

Absprachen wurden nicht eingehalten

Mehrere Zusagen von Lopavent wurden dieser Aussage zufolge nicht eingehalten, unter anderem habe der Zeuge am Veranstaltungstag feststellen müssen, dass ein eigentlich geplanter Bühnentruck, der vor dem Eingang die Leute bespaßen und so die Ungeduld klein halten sollte, nicht vorhanden war. Extra Laufwege für die Ordner im Tunnel seien nicht abgetrennt gewesen, er habe Ordner losschicken müssen, Wasser zu kaufen, weil es keinen Versorgungswagen gab, obwohl der versprochen gewesen sei.

Ende der Kommunikation

Er habe, so berichtet der Zeuge weiter, über Kameras von einem Container am Fuß der Rampe aus beobachten können, wie es immer voller wurde, die Menschen am Ende der Rampe stehen blieben, sich ein Rückstau bildete. Er erzählt von den Polizeiketten und dass, entgegen seiner Annahme, er die Entscheidung, die Eingänge vorübergehend komplett zu schließen, nicht alleine treffen durfte. Nachdem er gemeldet hatte, dass die Lage kritisch wurde, habe die Einsatzzentrale ihm erklärt: Er könne das aus seiner Position gar nicht beurteilen  – “und dann war Ende der Kommunikation”.

Ein mühseliges Geschäft

Dem 48-Jährigen ist anzumerken, als sich seine Schilderung der Geschehnisse dem tödlichen Gedränge nähert. Seine Stimme zittert, er malträtiert mit der einen Hand die andere. Sicht- und hörbar um Fassung ringend leitet er die dramatischen Ereignisse ein: “Und dann wurde es bitter”.

Die Mittagspause gibt allen Beteiligten Gelegenheit, sich auf die Befragung durch den Richter vorzubereiten. Die verläuft wie immer chronologisch. Polizeiliche Vernehmungsprotokolle des Zeugen werden noch mal abgeklopft und abgeglichen, Verträge und Korrespondenz verlesen, Pläne und Karten erläutert. Ohne dem Richter zu nahe treten zu wollen: In Sachen mitreißendem Vortrag gibt es noch Luft nach oben. Einige Prozessbeobachter nicken ein. Aber schließlich geht es hier nicht um Show, sondern nach Möglichkeit um Wahrheitsfindung – und die ist manchmal eine mühselige Angelegenheit. Morgen geht es weiter.

Über den Autor

Geboren 1969 in Bremen, Mensch- und Journalistenwerdung in Rheinland und Ruhrgebiet und seit 2008 für den WDR als Reporterin in Düsseldorf, Duisburg und Umgebung unterwegs. Das Unglück bei der Loveparade habe ich von Anfang an immer wieder journalistisch begleitet, vom Folgetag an viel Zeit im Tunnel verbracht, Eindrücke gesammelt, Menschen befragt, berichtet. Auch über die politischen Folgen, wie die Abwahl des Oberbürgermeisters Sauerland und das juristische Hickhack im Vorfeld dieses Prozesses.

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