Tag 97: Reaktionen auf das Rechtsgespräch

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Tag 97: Reaktionen auf das Rechtsgespräch

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Wieder ist es wuselig im Foyer des Messe-Gebäudes. Heute verliest das Gericht sein Protokoll zum Rechtsgespräch. Neben deutschen sind diesmal nicht nur internationale Reporterteams gekommen, sondern auch einige Hinterbliebene, die im Prozess als Nebenkläger auftreten. Was sie den Journalisten draußen, im teils hektischen Treiben, vor laufenden Kameras sagen, wirkt später im stillen Gerichtssaal noch eindringlicher. 

Nebenklägerin: Deutschland zeigt seine ganze Ohnmacht

„Uns wurde gesagt, die Justiz könne keine Antworten geben“, lässt sich eine italienische Nebenklägerin von einer Dolmetscherin übersetzen und fährt fort: „Heute, am 17.01.2019, zeigt Deutschland seine ganze Ohnmacht auf juristischer Ebene.“ Im Publikum will jemand zum Applaus ansetzen, wird aber sofort gestoppt. „Sie sind Zuschauer und mehr nicht“, ermahnt ihn der Vorsitzende Richter Mario Plein. 

Die Worte der Nebenklägerin hingegen nimmt er ernst. „Ich weiß, das ist unheimlich schwer zu begreifen für Nichtjuristen“, erklärt er. „Wenn ich in Ihrer Position wäre, würde ich genauso denken wie Sie“. 

Richter: Erklären bedeutet nicht, Schuld festzustellen

Wie immer ist Plein am stärksten, wenn er Dinge aus dem Bauch heraus erklärt. Er nimmt sich Zeit. „Wir werden versuchen, Ihnen zu erklären, wie es zu der Katastrophe gekommen ist. Da bin ich auch ganz optimistisch, dass wir das können.“ Davon sei aber die Frage nach einer individuellen Schuld einzelner Angeklagter zu trennen.

Verteidiger: Einstellung wäre Verzicht auf Freispruch

Zufriedenstellend wäre es tatsächlich für niemanden, einigten sich die Beteiligten auf eine Einstellung des Verfahrens. Es wäre weder zufriedenstellend für die Opfer und Hinterbliebenen, noch für die Angeklagten. Ein Verteidiger habe im Rechtsgespräch erklärt, „dass es sich bei einer Einstellung nicht um ein Geschenk handele. Es sei vielmehr der Verzicht auf einen Freispruch“, zitiert der Richter aus dem Protokoll. Und auch die ohnehin oft kritisierte Staatsanwaltschaft müsste bei einem Ende ohne Urteil wohl Kompromisse eingehen. 

Erstmal geht es weiter

Nun steht der Loveparade-Prozess also möglicherweise vor dem Aus, ohne, dass wir Genaueres darüber wüssten, wann und unter welchen Bedingungen das Verfahren eingestellt wird. Das bleibt vorerst sogar so vage, dass der Richter nicht ausschließen will, dass die Verhandlungen bis zum Einsetzen der Verjährungsfrist im Juli 2020 weitergehen könnten. Der nächste Zeuge, ein Polizist, ist für den 30. Januar geladen. 

Über den Autor

Geboren 1985 in Rees am Niederrhein. Studium in Bochum (Germanistik und Geschichte). Seit 2012 als Journalist in Duisburg. Onliner bei der WDR Lokalzeit aus Duisburg sowie Radiomacher (u.a. WDR5 und Deutschlandfunk Nova).

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