… und zwar von Frauen aus: Frankreich, Kolumbien, Japan, Australien, Finnland …
Zwei Romane von ihr sind schon auf Deutsch erschienen, 2009 und 2011; Hannelore Cayre aus Frankreich ist mit ihrem Roman “Die Alte” (Ariadne Krimi, Euro 16, übersetzt von Iris Konopik) eine Wieder-, keine Neuentdeckung – aber was für eine: Sehr witzig, bissig und tiefstschwarz diese Geschichte einer Arabisch-Übersetzerin bei der Pariser Polizei, die irgendwann das Kommando übernimmt übers Drogengeschäft der Metropole, weil sie es halt besser kann als die dummen Jungs, die sonst dafür zuständig sind. Sehr spannend auch die Lebens- und Hintergrundgeschichte der “Alten”, und ihre Kindheit/Jugend am Rand der Autobahn, wo sich der Rand des Rands der Gesellschaft findet. Ein französischer Noir der Spitzenklasse – lange nicht mehr in so überzeugender Form gelesen, großes Vergnügen!
Ganz neu dagegen Melba Escobar, eine spannende Autorin aus Kolumbien, dort schon sehr bekannt, hier noch zu entdecken. In ihrem Roman “Die Kosmetikerin” (Heyne Taschenbuch, Euro 9,99, übersetzt von Sibylle Martin) demaskiert sie die Rassismen, vor allem aber den Sexismus Kolumbiens gnadenlos treffend; zugleich liefert sie eine im besten Sinne bitterböse unterhaltsame Geschichte – mit zwei bis drei ausgesprochen faszinierenden Hauptdarstellerinnen. Wer mich kennt, weiß, dass ich bislang keine Affinität zu Kosmetiksalons und ihrem Drumherum hatte, das hat sich durch Melba Escobar und ihren Roman eindeutig geändert. Und die alternde Psychoanalytikerin, handelnde Erzählerin – was für eine tolle Figur. Also ebenfalls – sehr klasse, das.
“Schuldig”, den neuen Roman der japanischen Schriftstellerin Kanae Minato (C. Bertelsmann, Euro 18, übersetzt von Sabine Mangold), erschienen schon im April, hätte ich in der Flut der Neuerscheinungen beinahe übersehen, was ausgesprochen bedauerlich gewesen wäre, denn dieser Roman ist richtig gut: Beim Ausflug einiger Kommilitonen in die Berge verunglückt einer mit dem Auto auf einem Pass, das Erlebte prägt aller Leben, die anderer, zum Teil Unbekannter ebenfalls – und Jahre später ploppt all das auf, was seinerzeit verdrängt wurde. Und zwar mit der Frage: War das ganze ein Mord? Die Krimi- – und damit verbunden die Thrillerstory – ist allerdings eher zweitrangig, es geht um die Gesellschaft, um Freundschaft, um Interaktion, um Geheimnisse, um Vertrauen und Mißtrauen, um die Wirkung von Konventionen und Rollenprägungen. Sehr schlau konzipiert, grandios dramatisiert, toll erzählt – “Schuldig” ist einer der Krimis des Jahres (für mich).
Candice Fox ist kürzlich Mutter geworden. Warum das interessant ist? Weil sie ihrem Anti/Helden Ted Conkaffey in ihrem neuen Roman “Missing Boy” (Suhrkamp, Euro 15,95, übersetzt von Andrea O´Brian) so eine Art tirilierende Freude an allem werdenden und gerade gewordenem Leben einschreibt, dass er sozusagen das Gegenteil einer postnatalen Depression verkörpert. Passt nicht zu ihm? Stimmt. Aber egal. Denn die Prosa von Candice Fox hat so einen Drive und solchen Charme, dass man ihr das trotzdem gutgelaunt abnimmt, macht nichts. Es geht um einen vermissten Jungen, macht der Titel ja schon klar, wieder mal dekliniert Candice Fox eherne Krimimuster auf die ihr eigene Art neu durch; eben mit Ted Conkaffey und seiner ver-rückten Ermittlerartnerin Amanda Pharell, zusammen sind sie das derzeit wohl schrägste Schnüfflerpaar schlechthin. Okay, “Missing Boy” hat Schwächen, auch im Vergleich zu den früheren Titeln der Autorin – dass der Roman trotzdem so ungemein Spaß macht wie wenig andere im Moment, zeigt, was diese Autorin kann. Wollen wir nur hoffen, dass sie demnächst nochmal was ganz Neues und ganz Anderes schreibt – und nicht ausschließlich auf die Conkaffey/Pharell-Retorte setzt, das wäre schade.
Zuletzt noch ein Doppelpack, wenn man so will: Wer von der finnischen Schriftstellerin Pauliina Susi und ihrem neuen Roman “Die Kollision” (dtv, Euro 16,90, übersetzt von Tanja Küddelsmann) spricht, der darf nämlich von Merle Kröger und ihrem Roman “Havarie” nicht schweigen: Kreuzfahrtschiff trifft auf Flüchtlingsboot, das ist die Grundidee beider Bücher, der Dreh- und Angelpunkt sozusagen – nur dass “Havarie” halt schon ein paar Jahre vorher erschien. Alles nur geklaut? Na ja, Inspiration, so sagt man dazu doch, oder? “Die Kollision” ist ein typischer Skandinavien-Krimi, gesellschaftlich kritisch interessiert, handwerklich okay, mit vielen Facetten, die gut abegemischt sind, aber halt schon SEHR ausführlich und letztlich auch bloß halbspannend runtergeschrieben. Alltagsunterhaltung aus der industriellen Krimiproduktion. Und eine Geschichte, die sich nicht wirklich entscheiden kann (oder will), welche Haltung sie denn nun letztlich eigentlich hat, etwa dem Kreuzfahrtfahren gegenüber. Sagen wir so: “Die Kollision” macht eher ungewollt nach Jahren nochmal deutlich, welche Qualität und welche Tiefe der Ausnahmeroman “Havarie” hat. Die gute Nachricht deshalb zum Schluss: Anfang 2020 wird “Die Experten” erscheinen, Merle Krögers neues Buch, endlich, bin schon sehr gespannt …