Frische Ware auf dem Krimimarkt: Alan Parks führt in seinem Roman “Blutiger Januar” (Heyne Hardcore, Euro 16, übersetzt von Conny Lösch) in Schottland der 1970er Jahre – wo Detective Harry McCoy einen ziemlich merkwürdigen Fall ermittelt: Auf offener Straße, mittags erschießt ein junger Mann eine junge Frau, dann richtet er sich selbst. McCoy nimmt sich die Sache auch deshalb zu Herzen, weil ihm kurz zuvor, bei einem Gefängnisbesuch, genau das jemand angekündigt hatte, mit dem Auftrag, den Mord zu verhindern… Eine Story, die sich so vertrackt entwickelt, wie sie spektakulär begann – und die zwischen ganz unten und ganz oben alle möglichen gesellschaftlichen Gefilde der Zeit gekonnt ausleuchtet. Eine Geschichte mit jeder Menge Gewalt und Korruption, klar, insbesondere bei der Polizei – mit fesselnden Charakteren herzhaft angerichtet und mit jeder Menge Pfeffer erzählt. Alan Parks ist jedenfalls ein Autor, den man sich merken muss; ein bärenstarkes Debüt.
Einer, der einem, wegen der ganz speziellen Eigenheit seiner dunklen Geschichten, wahrscheinlich für immer im Gedächtnis bleiben wird, ist der Münchener Schriftsteller Friedrich Ani – der sich anscheinend nie von seinem Ur-Ermittler, dem eigenartigen Vermisstensucher Tabor Süden wird lösen können, glücklicherweise. Verschiedenste Trennungssversuche sind misslungen, Tabor Süden kam immer wieder zurück in den Erzählkosmos von Friedrich Ani – und so ist es, im wahrsten Sinn des Wortes, auch in “Der Narr und seine Maschine” (Suhrkamp, Euro 18): Eigentlich ist Süden auf dem Absprung aus München, endgültig, er hat alles organisiert und aufgelöst – allerdings passt ihn am Bahnhof seine alte Chefin ab, mit einem aktuellen Fall, den sie ohne seine Hilfe nicht lösen könnte: Ein Mann, der einsam in einem Hotel wohnt, seit Jahren, ist verschwunden – die Menschen um ihn herum, machen sich Sorgen. Süden zieht ins Zimmer des Vermissten, geht auf dem Boden schlafend auf die Suche, die, wie immer, auch eine Suche nach sich selbst ist, in der Hinsicht nicht Erfolg versprechend, immerhin aber doch, was den verschwundenen Mann angeht, womöglich zumindest. Was auch immer das heißen mag – Erfolg. “Der Narr und seine Maschine” ist ein typischer Ani, viele Motive, die man so oder ähnlich kennt, spielen eine Rolle – trotzdem auch eine neuere, eine noch düstere, nicht minder faszinierende Variation der Arbeit dieses Schriftstellers an seiner ganz speziellen Obsession: der Verlorenheit, dem Zusammenspiel von Verschwinden, Suchen und Finden. Ein einziger Sog, das alles, große Kunst!
Apropos verschwinden. Ein Thema, nein: das zentrale Thema auch in “Die Verdunkelten”, dem neuen Roman des französischen Schriftstellers Jérome Leroy (Edition Nautilus, Euro 18, übersetzt von Cornelia Wend). Im Kleinen geht´s um Agnès Delvau, Geheimdienstoffizierin, die einen Mann namens Guillaume Trimbert überwacht und überprüft, und zwar bis zur Obsession; im Großen wird eine desolate und zersprungene Gesellschaft der (unmittelbaren) Zukunft gezeichnet, in der immer mehr Menschen – aus ihrem Leben verschwinden. Ein Motiv, das im Moment bei vielen SchrifstellerInnen aus Frankreich anklingt, bei Virginie Despentes etwa, auch bei Michel Houllebecq. Jérome Leroy nutzt jedenfalls die Hülle eines Agententhrillers (der “Die Verdunkelten” nicht ist) für seine Version dieses Themas. Und um kreuz und quer durch eine Gesellschaft zu streifen, der einerseits jegliche glaubhafte Vision eines wie auch immer gearteten anderen Lebens abhanden gekommen ist, während andererseits die omnipräsente Gleichzeitigkeit von allem herrscht – so dass eben nur eines bleibt, um der Lebens-Müdigkeit Herr zu werden, vielleicht sogar ja ein letztes Mal noch irgendwie integer zu handeln: eben zu verschwinden.