Seenotrettung, das ist in den Medien ja eine eher abstrakte Angelegenheit: Schnelle Nachrichten, meist von Scharmützeln mit italienischen Behörden; Bilder und kurze Videos in den sozialen Medien; ganz selten auch Reportagesequenzen mit Bildern von Geretteten – und Toten – aus dem Mittelmeer. Wer sind die Menschen, die sich aufmachen aufs Meer, um andere zu retten? Was bewegt sie? Wie gehen sie mit dem um, was sie erleben, auch mit dem vielfachen Tod? Aber auch, ganz simpel, wie organisieren sie sich, wie gestalten sie ihr Miteinander während der Mission?
Wer all das etwas genuer wissen möchte, der sollte den Roman “Lass uns mit den Toten tanzen” (Maro Verlag, Euro 20,–) lesen: Autorin Pia Klemp ist selbst Kapitänin, sie hat diverse Rettungsfahrten im Mittelmeer geleitet; sie wurde auch angeklagt, musste erleben, wie ihr Schiff von den Behörden beschlagnahmt wurde. Hat Menschen gerettet – und Menschen im Meer versinken sehen, weil einfach nicht alle gerettet werden konnten, die man hätte retten müssen. Das ganze Programm also.
In ihrem Buch erlaubt sie sozusagen einen Blick hinter die Kulissen – solcher Aktionen, aber auch des eigenen Handelns und Denkens. “Roman” steht auf dem Cover, das müsste man eigentlich tatsächlich in Anführungszeichen setzen; im Grunde handelt es sich um einen Erfahrungsbericht und eine Selbstbefragung, letztlich wohl nur leicht dramatisiert und wenig bis gar nicht fiktionalisiert.
Man kommt nahe ran an die Kapitänin (der Geschichte), die sich nicht scheut, glücklicherweise, auch ihre nicht so tollen Seiten zu zeigen. Ihre Ratlosigkeit, ihre Borstigkeit. Die es vielleicht braucht, um so eine ungeheure Selbtstermächtigung hinzubekommen – sich mit einem kleinen, alten Schiff samt meist unerfahrener Freiwilligen-Besatzung der Politik eines ganzen Kontinents entgegen zu stellen.
