Bücher? Sind noch welche da. Dank der Alternative (mit Charakter)

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Bücher? Sind noch welche da. Dank der Alternative (mit Charakter)

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Neulich, Mitte März, feierte der Buchladen Neusser Straße in Köln seinen 40. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, nachträglich! Warum ich das erwähne: Es ist ein steter Kampf, in diesem Haifischbecken des Buchhandels als kleinerer, unabhängiger Buchladen zu bestehen – speziell dann, wenn einem eine große Konzern-Kette eine Filiale vor die Türe setzt. Plus: Das Bild oben war ein Geburtstagsgeschenk von Star-Illustrator Nikolaus Heidelbach, einem Stammkunden von Dorothee Junck und ihrem Team.

Die Party fand am 14.3. statt, ich konnte leider nicht dabei sein, weil ich mich in freiwillige Quarantäne begeben hatte, nachdem es in meiner Umgebung einen Verdachtsfall gegeben hatte, grundlos glücklicherweise. Jedenfalls: Ein Freudenfest, über dem vermutlich allerdings wohl schon der Schatten stand, der sich dann ein paar Tage später voll entfaltete: Shutdown, Ladenschließungen, auch die Buchläden mussten zumachen, ein Schock in diesem sowieso immer schon mehr oder minder prekären Bereich. Gerade mal zwei Wochen ist das her, kann das sein? Eine andere Welt. Einziger Hoffnungsstreif am Horizont: Bücher to go, das war weiterhin möglich. Und das ist – wichtig.

Warum? Weil auf Amazon kein Verlass ist. Keine Frage, man sollte, wenn möglich, sowieso jedes Buch in einer unabhängigen Buchhandlung ordern; es würde zu weit führen, die Gründe (neben Steuerzahlungen) hier zu erläutern, deshalb sag´ ich jetzt mal: Isso. Trotzdem ist es für viele LeserInnen, gerade in einer solchen Zeit, naheliegend, beim bekanntesten Onlinehändler zu bestellen. Ist halt praktisch, scheint so einfach.

Nur: Amazon liefert derzeit keine Bücher mehr aus – wenn man dort eines kaufen möchte, landet man bei einem weit entfernten Lieferdatum, und das scheint sich auch noch permanent weiter nach hinten zu verschieben. Grund: Der Versandhändler priorisiert bis auf weiteres Lebensmittel und Haushaltswaren. Als ob Bücher kein Grundnahrungsmittel wären! Und, by the way, Bücher waren die “Ware”, mit der Amazon einst startete. Was für eine peinliche Selbst-Entfremdung!

Abgesehen davon: Wer bei Amazon derzeit nach einem Buch sucht, landet automatisch in deren Kindle-Shop für die elektronischen Varianten. Hier und da wurde schon darauf hingewiesen, dass das Ganze auch eine Strategie sein könnte, um die (schlechte) EBook-Quote in Deutschland zu pushen. Das wäre dann allerdings ein wahrer Skandal: Mit Hilfe der Corona-Krise würde das Unternehmen somit weitere Bemühungen daran setzen, den stationären Buchhandel zu zerstören.

Und die Konkurrenz, also, sagen wir, zum Beispiel eine große, bundesweit agierende Buchhandelskette mit eigenem Onlineshop? Na, den Shop kannste sowieso knicken. Und wenn man vor Augen bekommt, wie dieser Händler (hinter dem ein finanzstarker Konzern sitzt) jetzt in Krisenzeiten die Verlage nach dem Motto “Friß oder stirb!” mit “Bitten” um Zahlungsaufschübe unter Druck setzt, mit Pistole auf der Brust, dann mag man dort sowieso nichts mehr bestellen. Hier wie da würde ich – ganz subjektiv und persönlich – sagen: In der Krise zeigt sich halt der wahre Charakter so manches Protagonisten …

Genau deshalb braucht niemand Sorge haben, dass nun die Bücher ausgehen würden. Im Buchladen Neusser Straße hat man sich die Jubiläumsfeierlichkeiten nicht lang von Krisen-Schockstarre vermiesen lassen, sondern wie immer, einmal mehr einfach schnell was auf die Beine gestellt: Bücher können trotz Shutdown jederzeit per Telefon, per Mail und über alle gängigen sozialen Medien bestellt werden, lokal werden sie vom Fahrradkurier ausgeliefert, überregional und bundesweit per Post. Was willste mehr, wer würde da noch an Amazon oder sonstwen denken, zumindest wenn es um Bücher geht? Und die gute Nachricht ist: Allerorten bieten “die Kleinen” nun einen solchen Service an. Deshalb: Bücher? Es gibt sie noch, die gute Alternative. Und zwar: mit Charakter.

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Hier geht´s zum Buchladen Neusser Straße.

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Und diese Bücher würden die Neusser-Straße-BuchhändlerInnen empfehlen:

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Lesetipps von Guido Krey

Téa Obrecht, Herzland, Rowohlt Berlin
Ein packender Roman, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts spielt. Nora Lark, Mutter dreier Jungs, führt ein hartes Leben auf einer von Dürre geplagten Farm im amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet.

Ulla Lenze, Der Empfänger, Klett-Cotta
Der deutsche Auswanderer Josef Klein lebt in den dreißiger Jahren in New York. Der Amateurfunker heuert bei einer Firma an, die für den deutschen Auslandsgeheimdienst arbeitet. Ein eindringlicher Roman über Schuld und Moral.

Joseph Conrad, Lord Jim, Fischer TB
Die Geschichte um den Seefahrer „Lord Jim“, dessen Leben durch eine fatale Entscheidung ins Wanken gerät. Ein grandioser Roman über das Meer und die Menschen, die es bereisen.

Benjamin Quaderer, Für immer die Alpen, Luchterhand
Der Bankmitarbeiter und Hochstapler Johann Kaiser blickt aus dem Zeugenschutzprogramm auf sein Leben zurück. Ein satirischer Liechtenstein-Roman über Steuerhinterziehung und ein Leben voller Abenteuer.

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Lektüre, die Heike Thelen empfiehlt

Helena Janeczek: Das Mädchen mit der Leica, Piper
Anhand von Erinnerungen dreier Freunde schreibt Frau Janeczek einen eindrucksvollen Roman über das das Leben Greta Taros, die Freundin von Roberta Capa. Beides geniale Kriegsfotografen, die voller Leidenschaft in den spanischen Bürgerkrieg ziehen, Greta wird bei einem Angrfiff der Legion Condor getötet. Ein Porträt der 20er und 30er Jahre, mit Greta Taro als eine der herausragendsten Protagonisten. Packend, mitreissend!

Mario Vargas Llosa: Harte Jahre, Suhrkamp
Ein neuer Roman eines meiner Lieblingschriftsteller! Gerade rausgekommen! Es geht um den tatsächlich historischen Tatbestand eines Militärputsches in Guatemala im Jahre 1954 mit Hilfe der USA, der in Folge die Politik ganz Lateinamerikas verändern wird. Die dreiste Lüge, mit der dieser Putsch legitimiert wird, würde man heutzutage Fake News nennen. Ein Epos über Macht und Gier.

Ich tendiere in Krisenzeiten zu Klassikern. Man hat plötzlich Zeit, Zeit zur Muße und zum Lesen von Werken, die man schon immer lesen wollte. Immer wieder zu lesen:

Michael Bulgakow, Der Meister und Magarita, Luchterhand
Der Teufel persönlich lässt das Moskauer Leben und Gesellschaft in Chaos stürzen, eine Heimsuchung für die korrupte Elite des Landes – aktueller denn je.

Alle Jane Austen Bücher (alle voller Witz und Ironie über die englischen Gesellschaft des 18./19. Jahrhunderts)

Magaret Mitchell, Vom Winde verweht, Kunstmann

Beim Lesen der Neuübersetzung dieses wirkich einzigartigen Schmökers und Weltliteratur werden jegliche Gedanken an Pandemien und Hamsterkäufe vergessen!

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Tipps von Christiane Dreiling

Helena Janeczek, Das Mädchen mit der Leica, Berlin-Verlag

Tolle Roman-Biografie über Gerda Taro, die Lebensgefährtin von Robert Capa. Das war eine faszinierende, moderne Frau, die ja in einer aufregenden, schweren Zeit gelebt hat. Aber nie hat sie ihren Optimismus verloren, hat die Sachen gemacht, die sie sich vorgenommen hat, hat andere Menschen mit ihrer Begeisterung mitgerissen. Beeindruckend.

Robert Cohen, Exil der frechen Frauen. Unionsverlag
Über 600 eng bedruckte Seiten, auf denen von drei jungen Frauen in den 20er und 30er Jahren begegnet, die auch ihren Weg gehen, ihr Ding machen. Da ist viel Tempo drin, viele bekannte Personen kommen vor, wechselnde exotische Schauplätze. Tolle Unterhaltung, bei der man viel Atmosphäre mitbekommt. Das Richtige zum Abtauchen.

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Und last not least die Empfehlungen von Britta Martens

Pascal Engman, Feuerland, Tropen Verlag

Spannender Thriller, in dem es um: Überfälle auf Juwelierläden geht, in denen aber nichts gestohlen wird, um die Entführung reicher Männer, die aber nach Zahlung des Lösegelds sofort wieder freigelassen werden, um eine Polizistin, die suspendiert wurde und sich jetzt ehrenamtlich um ein Flüchtlingsmädchen kümmert, um verschwundene Straßenkinder und Organhandel in Chile. Also, alles dabei und durch die wechselnden Handlungen super-spannend.

Elizabeth Strout, Die langen Abende, Luchterhand
Man taucht ab in eine Kleinstadt an der Küste von Maine und erlebt die vielen, kleinen Geschichten der Bewohner dort. Jeder hat seine eigenen Probleme oder schöne Erlebnisse, und im Mittelpunkt steht Olivia Kitteridge, eine pensionierte Lehrerin, die sich auch noch im reifen Alter in alles einmischen muss. Vielleicht kennen einige Olivia auch schon aus dem Roman “Mit Blick aufs Meer”, für den die Autorin den Pulitzer-Preis bekam. Beide Romane kann man unabhängig voneinander lesen, und sie sind für meine Begriffe beste Unterhaltungslektüre, die einen in diesen Zeiten etwas ablenkt.

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