Clans im Krimi? Eher Mangelware. Der “Tatort” und damit das Fernsehen war ganz vorne, erstaunlich genug, schon im Jahr 2014, lange vor “4 Blocks” also, gab´s die Folge “Brüder” aus Bremen, die sich, ziemlich dezidiert übrigens, mit dem Thema auseinander setzte. Ganz vorne dran auch die Bild-Zeitung, die regelmäßig groß berichtet, das entspricht fast schon einer Krimi-Reihe, in der dem Medium eigenen leicht schizoiden Mischung aus Faszination und “Kriminelle raus”, wenn´s um Migranten geht, wie auch immer.
KrimileserInnen mussten lange warten, soweit ich das überblicke zumindest, der erste “richtige” Clan-Krimi ist “Mexikoring” von Simone Buchholz (Suhrkamp, Euro 14,95), ein neuer Fall mit ihrer afrodeutschen Staatsanwältin Chastity Riley, erschienen im September 2018. Immerhin, dieser Roman, der die müde Heldin von Hamburg ebenfalls nach Bremen führt, trifft voll ins Schwarze, ist gut informiert und sehr unterhaltsam zugleich. Doch, so kann man das machen, auf jeden Fall.
Natürlich gibt es jede Menge deutschsprachige Kriminalliteratur rund ums organisierte Verbrechen, sei es die italienische oder die so genannte “Russenmafia”. Familienclan-Strukturen findet man in den Geschichten ansonsten nur ausnahmsweise und dann, wenn man ein wenig von denen weg schaut, die die Schlagzeilen dominieren, diejenigen, die als “kurdisch-libanesische” Clans gelten, was ja auch nur bedingt richtig ist, wie man nicht zuletzt beim Simone Buchholz lernen kann.
Ein Beispiel: Holger-Carsten Schmidt mit seinem Roman “Auf kurze Distanz” (Rowohlt, Euro 9,99), erschienen 2015, der einen Undercover-Bullen im Milieu der ex-jugoslawischen Fußball-Wettmafia ermitteln lässt; ein exzellenter Roman, der auch verfilmt wurde. Beispiel Nr. 2, im weitesten Sinne zumindest: “Feinde” (ebenfalls Rowohlt, Euro 12,99), der Debütroman von Susanne Saygin, der im September 2018 herauskam; eine detailliert recherchiert Geschichte, die vom Handwerker-Straßenstrich und von Arbeitsmigranten aus Bulgarien erzählt.
Habe ich was übersehen? Vergessen? Eine Nachfrage innerhalb der Facebook-Community mit vielen Krimi-Schaffenden ergab kaum weitere Ansätze. Erstaunlich eigentlich. Der Jugendkrimi “Mein Freund Charlie” von Tanya Lieske wurde gennant, außerdem das Sachbuch “Blutsbande”, in dem Beate Krafft-Schöning die Geschichte eines Clans erzählt. Für die Zukunft ist mehr Clan-Kriminalliteratur zu erwarten, einige AutorInnen scheinen daran zu arbeiten – mit dabei Norbert Horst, dessen neuer Roman wohl im nächsten Herbst kommen soll.
Und sonst? Last not least noch ein wichtiger sachdienlicher Hinweis vom Münchener Kriminalschriftsteller Su Turhan: “In Mordslust pur gibts die Familie Freischwimmer. Durch und durch deutsch. Spezialisiert in Sexpartys und Verschieben von Baumaschinen.” Clan-Kriminalität made in Germany also, das sollte man keinesfalls verpassen.