Wie geht’s denn den Spionen? Gut vermutlich, denn sie haben zu tun. Fast wie früher zur Zeit des Kalten Krieges – Russland gegen „den“ Westen, der in Trump-Zeiten allerdings weniger Einheit ist als je zuvor. Abgesehen davon: Die Spione sind wieder ein Thema in letzter Zeit, in den Medien, in der Literatur, was auch am 30jährigen Jubiläum des Mauerfalls liegt.
Die Geschichte/n der Spione, da muss natürlich zuallererst von John le Carré die Rede sein, dem unangefochtenen (Alt-) Meister des Spionageromans, der früher, in einem anderen Leben selbst als Agent gearbeitet hat, bevor in den 1960er Jahren als freier Schriftsteller reüssierte. Mit „Federball“ (Ullstein, übersetzt von Peter Thorberg, Euro 24,–) zeigt der mittlerweile 88jährige eindrucksvoll, dass man auch im hohen Alter kein bisschen müde und „weise“ sein muss: Ein elegant geplotteter und geschriebener Spionagethriller, der mitten ins Schwarze der Gegenwart trifft – und den man durchaus auch als grimmig-engagierten Roman in Sachen Brexit, Trump und Populismus lesen kann. Ausführliche Besprechung – siehe HIER.
Wer sich genauer für die Geschichte der Spione interessiert, der könnte bei Bodo W. Hechelhammer, Chefhistoriker des Bundesnachrichtendienstes, und seiner Studie „Spion ohne Grenzen“ (Piper, Euro 24,–) fündig werden: Man denkt ja immer, Günther Guillaume, dessen Wirken Kanzler Willy Brandt stürzte, sei der schwerwiegendste Spionagefall in der Bundesrepublik gewesen. Tatsächlich, sagt zumindest Herr Hechelhammer, war der Fall Felfe viel gravierender, was die übermittelten Informationen angeht. Heinz Felfe, ehemaliger Nationalsozialist und zur NS-Zeit auch schon Spion, arbeitete sich nach dem Krieg bis zum Leiter der Gegenspionage UdSSR im BND hoch – als Agent im Auftrag des sowjetischen KGB. Heißt: Er war u.a. für Dutzende Enttarnungen westlicher Agenten verantwortlich, viele verloren dabei ihr Leben. Hechelhammers Buch zeichnet Felfes Leben minutiös nach, dabei sind vor allem drei große Themen interessant: Zum einen die Anfangszeit des Bundesnachrichtendienstes – als man sehr viele ehemalige Nazis beschäftigte; auch weil man glaubte, dass diese Männer schon von ihrer Gesinnung her antikommunistisch eingestellt sein müssten. Zweitens die Nachkriegsgeschichte von Heinz Felfe bis zu seiner Enttarnung – dieser Teil liest sich tatsächlich, obwohl historische Studie, wie ein Spionageroman von John le Carré. Und dann ist da noch der letzte Teil der Geschichte – die Frage der publizistischen Ausschlachtung des Falles Felve, nachdem er aus dem Gefängnis freikam und in die DDR übersiedeln konnte, ein Aspekt mir sehr „heutigen“ Anklängen, gerade zum 30jährigen Jubiläum der Wende.
Komplett im Hier und Heute ist der Roman „Der chinesische Verräter“ (Suhrkamp, übersetzt von Andreas Heckmann, Euro 15,95) von Adam Brookes, ehemaliger BBC-Korrespondent in China, angesiedelt. Brookes erzählt die Geschichte eines Mannes, der nach um die 20 Jahren aus einem chinesischen Arbeitslager freikommt, alte Kontakte auffrischt – und wieder zum Spion in Sachen Raketentechnik wird, wie schon damals, in den 1980er Jahren. Nur, dass sich die Umstände geändert haben: China ist nicht mehr im Anfangsstadium, was Waffentechnik angeht, sondern strebt zur Weltmacht, was heißt, dass die Geheimnisse noch geheimer sind, wenn man so will, und entsprechend geschützt werden. Und, das kommt natürlich hinzu, China ist eine weitgehend digital-kontrollierbare Gesellschaft. Aus dieser Gemengelage macht Adam Brookes einen sehr gut informierten Spionagethriller, bei dem das dunkel Dräuende der (in diesem Fall teils unfreiwilligen) geheimdienstlichen „Arbeit“ sehr schön mit dem Spaß an der Freude des Erzählens korrespondiert. Aktuelle Spionageliteratur der Spitzenklasse.