Die Gewinnerin

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Die Gewinnerin

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Nava Ebrahimi hat mit ihrem Text “Der Cousin” den Bachmannpreis 2021 gewonnen. Glückwunsch!! Den Text kann man HIER auf der Homepage des Bachmannpreises nachlesen. Und gleich folgend nochmal meine Empfehlung zu ihrem letzten Roman “Das Paradies meines Nachbarn” aus dem April 2020, die ganze Besprechung (von drei Romanen) findet sich HIER.

Nava Ebrahimi: Das Paradies meines Nachbarn

Neulich ging´s ja auf diesem Blog schon um die Frage, ob der Iran-Irak-Krieg (oder der Irak-Iran-Krieg?) so etwas wie ein ureigenes Thema der zeitgenössischen deutschen Literatur sein kann. Die Frage stellte sich durch Abbas Khiders aktuellen Roman „Palast der Miserablen“, der in dieser Zeit angesiedelt ist. Klar doch, denke ich, natürlich ist dieser Krieg ein plausibles Thema der deutschen Literatur – dann zumindest, wenn ein deutschsprachiger Schriftsteller auf Deutsch darüber schreibt. So wie Abbas Khider – und so wie bei Nava Ebrahimi, in deren kürzlich erschienenem zweiten Roman „Das Paradies meines Nachbarn“ (btb Verlag, Euro 20) dieser völlig irre Konflikt mit seinem Millionen Opfern, unter anderem von Giftgasangriffen mit Elementen made in Germany, ebenfalls eine zentrale Bedeutung hat. Nava Ebrahimi, geboren 1978 in Teheran, lebt nach vielen Jahren in Köln heute in Graz, in ihrem Roman erzählt sie vor allem von zwei Männern im besten Alter, deren Leben eine schicksalhafte Verbindung aufweist, was nicht bloß mit ihrer „Mutter“, sondern vor allem auch mit der damaligen Kriegspraxis zu tun hat, Minderjährige als Kanonenfutter an die Front zu schicken. Einer ist schwer versehrt, der andere konnte sich nach Deutschland durchschlagen, wo er später als großmäuliger Designer Karriere machte – beider Schicksal ist viel enger und dramatischer verknüpft, als man Anfangs ahnen kann. Nava Ebrahimi hat eine so einfache wie treffende Konstruktion ersonnen, sehr gut gemacht das, um ihr Thema im Damals und im Heute zu entfalten und zugleich im Iran und Deutschland. Und eben wiederum die Doppelperspektive – die in diesem Roman allerdings noch ergänzt wird durch einen dritten Blick, den eines Beobachters, der beteiligt ist und auch nicht, ein Prototyp belangloser Alltäglichkeit, stellvertretend vor Ort für uns Leser. Das Ganze ist nicht bloß klug konstruiert, sondern (zwischen Teheran, München und Dubai) auch auffallend sorgsam und stilsicher erzählt, das Timing ist klasse, die Figuren spannend – hervorragende neue deutschen Literatur aus der globalisierten Gegenwart. Ein ausgesprochen bildstarker Roman übrigens auch, der nach Verfilmung geradezu schreit, schon das Lesen, so mein Gefühl im Nachhinein, ist wie ein guter Abend im Arthousekino, insofern also: Mein Ausgeh-Tipp in Corona-Quarantänezeiten.

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