Alt-Graun. So heißt das Dorf am Reschenpass, das es eigentlich nicht mehr gibt. So hieß es. Bis die Bewohner dem Stausee weichen mussten. Gerade wurde er abgelassen, spektakuläre Bilder, man kann die Ruinen des Dorfes begehen. Nicht mehr lange, der See läuft schon wieder voll, Mitte Juni wird wieder nur noch die Kirchtumspitze zu sehen sein. Aus gegebenem Anlaß hier also nochmal der Hinweis auf den lesenswerten Roman “Ich bleibe hier” von Marco Bolzano:
Wer sich interessiert für´s steinige Leben in den Bergen früher, für den wäre der Roman “Ich bleibe hier” von Marco Bolzano ein Tipp (Diogenes, Euro 22,–): Wenn man von Bayern aus über den Reschenpass nach Italien fährt, kommt man an einem Stausee vorbei, aus dem der einsame Kirchturm eines aufgelassenen Dorfes ragt. Wer mag hier wohl wie gelebt haben? Und wohin hat es die Dörfler nach der Flutung wie verschlagen? Das sind die Fragen, die sich stellen, mir zumindest, schon vor vielen Jahren in der Kindheit. Marco Bolzano hat sich das alles ebenfalls gefragt – und eine Geschichte draus gemacht, die des Dorfes Graun, das im See verschwinden wird. Diese Geschichte ist zugleich die der Region Südtirol und ihrer Zerrissenheit zwischen Deutschland/Österreich und Italien, speziell auch zur Mussolini- und NS-Zeit. Bestsellerautor Marco Balzano schafft es, davon anschaulich und sorgsam zu erzählen. Interessant übrigens immer wieder, wenn man die Lebenssituation in den Alpen heute mit den Bildern abgleicht, die solche zeitgeschichtliche Romane bieten: Der Tourismus hat zu enormem Wohlstand geführt, die EU dient (in Südtirol vor allem) dabei als stabilisierender, Konflit-entschärfender Rahmen – die Zeit, als in den Bergen bittere Armut herrschte, ist historisch gesehen allerdings nichtmal einen Wimpernschlag entfernt.