Einladung zum DebütantInnenball

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Einladung zum DebütantInnenball

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“Black Lives Matter” – ist im Moment auch in der Literatur ein Thema. Zum Beispiel auch bei dem US-Amerikaner Nana Kwame Adjei-Brenyah, geboren 1990, dessen Debüt “Friday Black” (Penguin, übersetzt von Thomas Gunkel, Euro 20) als eines der ganz großen neuen Dinger gefeiert wird, und zwar wirklich nicht zu Unrecht: Zwölf Storys, die es in sich haben, mit ganz eigenem Ton und starken Bildern, einige davon auch eben zum Rassismus gegenüber Schwarzen, aber das ist bei weitem nicht das einzige Thema, das dieser junge Schriftsteller mit ghanaischen Wurzeln in popkulturell geprägter Radikalität extroviertiert zu bedienen weiß, spannend!

Extrem beeindruckend ist auch “Hitze” (Kein & Aber, übersetzt von Sina de Malafosse, Euro 20,–), der Debütroman des Franzosen Victor Jestin, geboren 1994: Ein Roman, der nur von einem einzigen Tag erzählt, dem letzten Ferientag auf einem glühend heißen Campingplatz am Atlantik nämlich. Léonard heißt der “Held”, ein eher schüchterner Typ, der am Vorabend dieses Tages beobachtet, wie sich ein anderer Junge, Typus Aufreißer, im Rausch selbst an einer Schaukel erdrosselt. Léonard bleibt passiv, er greift erst dann ein, als der andere schon tot ist – und verbuddelt die Leiche am Strand. Warum, das kann er wohl selbst nicht begreifen. Die Geschichte ist dann also die seines (letzten) Tages, mit der Leiche im Hinterkopf, der äußere Rahmen für alle möglichen verqueren Gedanken- und Gefühlswelten. Und da geht es natürlich um das, was Jugendliche so beschäftigt, der Sex, das Erwachsenwerden, die verhassten Eltern und, und, und. Auf jeden Fall ein sehr besonderer, auch besonders krasser Coming of Age-Roman – und eine Urlaubsgeschichte, deren Gluthitze man sich kaum entziehen kann.

Deepa Anappara stammt aus Kerala, Indien, lebt heute in Essex, sie hat lange als Journalistin und Wissenschaftlerin gearbeitet – und mit dem Roman “Die Detektive voom Bhoot-Basar” (Rowohlt, übersetzt von pociao und Roberto de Hollanda) jetzt ein literarisches Debüt hingelegt, das gleich zum Welterfolg wurde – Übersetzung in 16 Sprachen bislang. Es geht um Jai und ein paar andere Kinder in einem Armeleuteviertel in einer indischen Metropole, die zu Detektiven werden müssen wie die Typen in den Serien, die sie schauen – weil immer wieder Jugendliche aus der Gegend verschwinden. Und so lernen wir als Leser, die mit auf Erkundung gehen, nach und nach die ganze Gesellschaft kennen, in der diese Kinder leben, mit ihren Augen beobachtet, sozusagen. Ein Roman, der mit ganz starker Milieuschilderung besticht, eine Gesellschaftsanalyse mit Blick auf die Unterschicht in Indien heute, zugleich auch ganz exzellente, im besten Sinne liebenswerte Unterhaltung, das Ganze.

Eines der interessantesten Debüts dieses Corona-Krisenjages ist der Roman „Hawaii“ von Cihan Acar, den ich schon vor einigen Monaten HIER vorgestellt habe. “Hawaii”, so heißt das Kleine Leute-Multikultiviertel in Heilbronn, in dem die Geschichte angesiedelt ist; es geht um einen verkrachten Fußballer und sein Leben wie auch seinen Blick auf die Gesellschaft, das ist unsere aktuelle Gesellschaft, in der wir leben, die hier im Kleinen gespiegelt wird: Mit sehr viel Witz und Verstand, mit packenden Figuren, mit einem Blick fürs Wesentliche. Wunderbar insofern, dass Cihan Acar für seinen Roman gerade mit dem dem „Literaturpreis der Doppelfeld-Stiftung“ ausgezeichnet wurde – dieser Preis ist neu und prämiert ab sofort immer das deutschsprachige Debüt, dass die Jury aktuell am besten findet.

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