Demnächst, hieß es, so ungefähr zumindest, wenn man im März 2020 Erkundigungen einzog, wann denn wohl die Verfilmung von Holger Karsten Schmidts Roman “Die Toten von Marnow” zu sehen sein würde. Hat gedauert, wie anscheinend die ganze Entwicklung des Projekts, mindestens sechs Jahre wohl, so hört man zwitschern. So etwas scheint eher die Norm als die Ausnahme zu sein bei Fernsehprojekten. Positiv gesehen: Erstaunlich, dass es immer auch mal welche schaffen, ganz frisch und aktuell zu wirken. Zufall oder Schicksal? Eigentlich egal. Und wie auch immer, jetzt ist es jedenfalls so weit: Ab Samstag (13.3.) ist die Miniserie in der ARD zu sehen, an vier Sendeterminen – und vorab ist sie auch schon in der ARD-Mediathek verfügbar. Ich weise darauf hin, weil der Roman ziemlich spektakulär war, deshalb hier auch nochmal meine Besprechung eben aus dem März 2020:
Holger Karsten Schmidt ist so was wie ein Großmeister des Fernsehkrimis made in Germany, sein Output von Film über Mehrteiler bis hin zu Serien ist immens – und immer wieder eigen, besonders. Seit einigen Jahren versucht er sich auch in den Gefilden der Kriminalliteratur; zum Beispiel mit dem Roman “Auf kurze Distanz”, erschienen 2011, in dem es um die Wettmafia ging, und mit seinen drei Leander Lost-Geschichten, veröffentlicht unter dem Pseudonym Gil Ribeiro, die mit einem etwas autistischen deutschen Ermittler im Zentrum europäische Kulturen in Portugal zusammen prallen lassen. Jetzt ist sein neuer Roman “Die Toten von Marnow” frisch auf dem Markt, vor der Verfilmung, die demnächst wohl in der ARD zu sehen sein wird. Im Zentrum der Handlung, die im Jahr 2003 in und um Rostock angesiedelt ist, steht ein auf sehr erfrischende Weise ungleiches Ermittlerpaar: Frank Elling, ein Kleinbürger vor dem Herrn, der allerdings tiefe Abgründe birgt, wie sich zeigt – und Lola Mendt, die aus dem Westen ein unbekanntes Trauma mitgebracht hat, das ihr allzu offensichtliches Selbstbewusstsein konterkariert, sie mag sich nicht binden, kampiert mit ihrem Wohnmobil mal hier, mal dort rund um die Stadt. Die beiden haben eine Reihe von Morden aufzuklären, die auf schwerst undurchschaubare Weise doch zusammenzuhängen scheinen; die Ermittlungen führen zu einem erfolgreichen Pharmaunternehmen, zugleich aber auch in die deutsch-deutsche Vergangenheit und in die aktuelle Politik. Das Thema, das dahinter steckt, ist brisant und greift tatsächliche Geschehnisse auf. Hinzu kommen private Stränge, das klingt bei ihrem Trauma ja schon mit an; bei ihm ist es die unerschütterliche (?) Liebe zu seiner Frau, einer Lokaljournalistin, die für diverse Wendungen sorgt. Der Stoff ist reichhaltig, Holger Karsten Schmidt schöpft aus dem Vollen, gebannt folgt man den Kapriolen und Verknotungen seines Plots bzw. seiner Plots auf allen möglichen Ebenen. Anfangs wähnt man sich dabei fast wie in einem “Tatort”- oder “Polizeiruf”-Setting; wie der Autor das ergänzt und fortschreibt und variiert, wie er damit spielt, wie er die Grenze zwischen “gut” und “böse” umschleicht und in Frage stellt, bevor er sie doch wieder klärt, möglicherweise zumindest, das ist ein Vergnügen – nicht zuletzt auch deshalb, weil einem beim Lesen dieses Buches die Lust am Erzählen seiner Geschichte richtiggehend entgegen springt, zumindest wirkt es so. Klasse, ein wahrer Schmöker. (Kiepenheuer & Witsch, Euro 16)
Ein Kommentar
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Ich zweifel mittlerweile an meinem Verstand…..Ich bin der festen Meinung, daß ich vor geraumer Zeit einen Krimi gesehen habe, einen 90-minüter, mit, bis auf wenige Ausnahmen, dem gleichen Handlungsstrang wie in dem Film “Die ÄToten von Marnow”. Als der Kommissar anfing, vor dem SEK außen am Parkhaus herabzuklettern, dachte ich: Das kennst Du doch, das hast Du doch schonmal gesehen. Und dann kamen mir auch die Themen Gegenstromanlage, Bestechung usw. so fürchterlich bekannt vor. Ich konnte meiner Freundin, die mit mir geschaut hat, die Szenen immer 5 Minuten im Voraus erzählen. Kann mir da einer einen Tipp geben, was ich da gesehen habe?
Ganz vielen Dank an alle, die mir einen Hinweis geben können.
Günter Böhm