Klasse Science Fiction aus China für die ganze Familie: „Wandernde Himmel“ von Hao Jingfang

https://blog.wdr.de/nollerliest/exzellente-science-fiction-aus-china-wandernde-himmel-von-hao-jingfang/

Klasse Science Fiction aus China für die ganze Familie: „Wandernde Himmel“ von Hao Jingfang

Kommentare zum Artikel: 0

Dass die Science Fiction-Literatur nach Jahren im Off wieder boomt, ist nicht zuletzt dem chinesischen Schriftsteller Cixin Liu zu danken, dessen grandioser Roman „Die drei Sonnen“ zum globalen Bestseller wurde – und so wohl auch anderen SciFi-AutorInnen aus China den Weg auf hiesige Märkte ebnen wird.

Ein Beispiel: Hao Jingfang, geboren 1984, im Hauptberuf Physikerin und Wirtschaftswissenschaftlerin – mit ihrem so umfassenden wie durchdachten Roman „Wandernde Himmel“ (Rowohlt Polaris, Euro 16,99, übersetzt von Marc Hermann).

Hao Jingfang, die für diese All-Age-Geschichte als zweite ChinesIn nach Cixin Liu mit dem Hugo-Award ausgezeichnet wurde, entwirft eine zukünftige Welt, in der zwei Systeme miteinander konkurrieren: Auf der Erde herrschen Chaos und Kapitalismus – auf dem Mars existiert eine von oben „geordnete“ Bürgerdemokratie. Es gab Krieg und Jahre der Kontaktlosigkeit, nun soll es eine Annäherung geben, denn man braucht sich im Grunde genommen: Die marsianischen Menschen benötigen Rohstoffe, die Erdlinge wollen vom viel weiter entwickelten technischen Fortschritt auf dem Mars profitieren.

Die Frage, die Hao Jingfang dann in vielen Nuancen und Perspektiven durch dekliniert, ist die, unter welchen Umständen, welche Art von Freiheit möglich ist – und welche nicht. Geht Freiheit dann, wenn zwar größter ökonomischer Konkurrenzdruck herrscht, aber alle Optionen offen sind, theoretisch zumindest? Oder dann, wenn, wie auf dem Mars, die Ökonomie letztlich gar keine Rolle spielt, dafür aber alles bis zuletzt durchdacht und vorgeplant ist?

Daneben: Jede Menge Zukunfttechnik, Erfindungen und Entwicklungen, wie man sie sich in den Silicon Valleys der Gegenwart nicht besser ausdenken könnte. Ein ähnlicher Angang also wie bei Cixin Liu: Einerseits Technik und Naturwissenschaft, andererseits Reflexion und Philosophie; das Ganze geschickt angerichtet in einer spannenden Geschichte um zwei Charaktere, die zwischen den Welten wandern: Ein junger Dokumentarfilmer von der Erde, eine noch jüngere Tänzerin vom Mars. Mit den beiden wird sowohl eine eher “erwachsene” Ebene bedient wie auch eine eher “jugendliche”; perfekt gedacht und gemacht für Jugendliche – und ihre Eltern.

Die aktuelle Gesellschaft wie auch die Politik in China spielen keine Rolle in dem Roman; es ist aber schon klar, dass zwischen den Zeilen jede Menge Gesellschaftskritik mitschwingt. Die bezieht sich allerdings nicht auf China allein, sondern hat vielmehr auch einen globalen Drall; gerinnt schließlich zur Reflexion über den Menschen und die Möglichkeiten eines guten Lebens an sich.

Also: Eine klasse Geschichte mit Substanz und Mehrwert – und eine Schriftstellerin, die es sich auf jeden Fall zu entdecken lohnt. Und die erstaunlich offen über ihre Unsicherheiten und Selbstzweifel sowie den inneren Kampf dagegen Auskunft gibt, auch das werden viele jüngere Menschen sicher mit Interesse lesen.

Einen Kommentar schicken

Die mit * gekennzeichneten Felder müssen ausgefüllt werden.

Top