Freigesprochen

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Freigesprochen

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Gute Nachrichten? Man weiß natürlich nicht, wie die Lage in Sachen Staatspräsident vs. Aslı Erdoğan sich zukünftig entwickeln wird, aber für´s Erste wurde sie heute – durchaus überraschend – von allen “Vorwürfen” entlastet und freigesprochen, wunderbar.

Und hier, passend zum Thema, aus dem gegebenen Anlaß nochmal der Text, den ich im vergangnen Juni zu ihrem letzten Buch hier auf dem Blog veröffentlicht habe:

Was heißt es, ins Gefängnis gesperrt zu sein, aus politischen Gründen, ohne sich eines Verbrechens schuldig gemacht zu haben? Die türkische Schriftstellerin Aslı Erdoğan, geboren 1967, spürt in ihrem schmalen, auf düster-erschütternde Weise poetischen Roman “Das Haus aus Stein” (Pengiun, 2019, übersetzt von Gerhard Mair, Euro 15,–) den Verheerungen der Haft, die Seelen tötet, nach, indem sie eben um jenes Haus aus Stein kreisend Worte zu finden versucht; Worte, die es eigentlich nicht geben kann, denn es bleiben: gebrochene, erlöschende, zerstörte Seelen. Deren Leben nie mehr das sein kann, was es war. Das Buch erschien 2009 in der Türkei; wurde jetzt erstmals ins Deutsche übersetzt. “Jetzt”, das ist ein paar Jahre später – und, für Aslı Erdoğan, eine, genau die verheerende Erfahrung mehr: 2015 wurde die Schriftstellerin verhaftet; sie verbrachte 132 Tage im Gefängnis, zum Teil in Isolationshaft. Bis sie, wohl auch wegen des internationalen Drucks, entlassen wurde und nach Deutschland ins Exil gehen konnte. Dem Roman, der also nun erschien, ist ein Essay vorangestellt, “Die Masken des Osiris”, in dem Aslı Erdoğan der Frage nachzuspürgen versucht, was diese 132 Tage Gefängnis für sie bedeuten, auch im Ansgesicht ihres Romans. Auch hier – keine Antwort, nur ein Ringen, um Worte, um die zerstörte Persönlichkeit, um ein klein wenig Licht.

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