Das Weihnachtsgeschäft auf dem Buchmarkt ist vorbei, gottseidank, werden sich die Beteiligten gesagt haben, aufatmen. Das Problem danach, normalerweise: Tote Hose im Januar. Was für ein Glück also, wenn´s ausgerechnet zu dieser düstren Winterszeit gleich drei „Skandale“ gibt, die das Geschäft dann doch ein bisschen anheizen, oder?
Der Zunder glomm und knisterte gleich am 7. Januar mit Michel Houllebecqs neuem Roman „Serotonin“, ausführliche Besprechung vom Erscheinungstag siehe hier: Die Geschichte eines Typen von Mitte 40, der sich so in seinen lebensmüden Weltekel einkuschelt, dass er am liebsten ganz aus seinem, unseren Leben verschwinden würde. Mäßig originell, das Ganze, die Grundidee verfolgten zuletzt auch andere (Franzosen), und zwar früher – wie üblich aber mit geübter Lust an Provokation und Wirkung umgesetzt. Plus der schon rituell anmutenden Frauen-Verachtung, die trotzdem immer noch Aufmerksamkeit sichert – und letztlich eher was über erbärmliche Männerbilder aussagt, als über Männer und Frauen und Frauen und Männer. Mittlerweile ist jedenfalls auch das Hörbuch zum Roman erschienen, gelesen von Christian Berkel, der das hervorragend macht, straff und konzentriert, immerhin. (Der Audio Verlag, Euro 24,–)
Apropos Christian Berkel: Von ihm stammt auch die Hörbuchfassung des Europa-Romans „Die Hauptstadt“, der 2017 den Deutschen Hörbuchpreis gewann. Um Robert Menasse und seine Geschichte gab´s auch dicke Diskussionen, weil der Schriftsteller in dem Buch dem CDU-Europapolitiker Walter Hallstein ein paar Nationen-kritische Zitate untergeschoben hat, die so nicht getätigt wurden. Literarische Freiheit, so argumentierte Menasse einige Tage lang, später entschuldigte er sich. Das Pikante an der Angelegenheit: Diese vermeintliche „Haltung“ von Hallstein, der von 1901 bis 1982 lebte, hatte seit dem Erscheinen des Romans nicht bloß eine literarische, sondern auch eine politische Dimension. Viele haben darüber diskutiert im Hinblick auf einen überraschenden Vordenker (aus dem konservativen Lager) eines Europas, das ein Staat ist, jenseits der Nationen – das werden sie weiterhin tun, allerdings ohne Hallstein als Gewährsmann, der die angeführten Zitate eben gar nicht geäußert hatte, wie aufmerksame Wissenschaftler aufdeckten. (Der Hörverlag, Euro 22,99)
Und dann ist da noch Takis Würger mit seinem Roman/Hörbuch „Stella“. In seinem Zweitlingswerk erzählt der Spiegel-Journalist die Geschichte der Berliner Jüdin Stella Goldschlag, die andere Juden an die Gestapo verriet, um sich und ihre Eltern retten zu können, und zwar aus der Perspektive eines jungen Mannes aus der Schweiz, der sie kennen lernt und mit ihr durchs Berliner Nachtleben streift, samt eines devianten SS-Offiziers. Das Hörbuch liest in weiten Teilen der Schauspieler Robert Stadlober; einen Teil trägt aber auch seine Kollegin Valery Tscheplanowa bei; beide machen das sehr gut. Um den Roman gab´s heftige Diskussionen, Generalverrisse und Verteidigungsreden, angeheizt und fortgeführt in den Hysteriezentrifugen der sozialen Medien. Tja, was soll man sagen? Klar, der Roman hat durchaus erhebliche Schwächen – stilistisch und auch inhaltlich. Aber rechtfertigt das solch ein Gewitter? Ist wohl ein typisches Phänomen in Sachen Buch-Rezeption: Der zweite Roman eines Schriftstellers, dessen erster gut ankam, läuft immer eher Gefahr, gnadenlos verrissen zu werden. So schlecht ist „Stella“ nun aber auch wieder nicht. Insofern: Durchatmen, Gelassenheit. Schauen wir doch mal, was Takis Würger mit seinem dritten Roman zustande bringen wird. Was natürlich gut wäre: Nicht so ein heftiges PR-Stalking in den Sozialen Medien, das ist wirklich übergriffig – man wacht nachts auf und fragt sich im Schlummer, ob das Takis Würger ist, der da neben einem im Bett liegt, auf der Suche nach einem weiteren Like für seinen Roman. Eines immerhin haben er und sein Verlag bewirkt: Der Roman hat jetzt einen Platz an der Sonne, (fast) ganz oben in der Spiegel-Bestsellerliste. (Roman: Hanser Verlag, Euro 20,– Hörbuch: Random House Audio, Euro 22,–)