“Können Frauen Krimi?”

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“Können Frauen Krimi?”

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Neulich, eine Redakteurin am Telefon: Cosmo-Input-Woche, alles mögliche über Frauen auf dem Sender, fünf Tage lang, zum Weltfrauentag, ob ich was beitragen kann in der Literaturkolumne. Äh, ich? Also, hm. Frauen. Keine Ahnung, ehrlich. Weltfrauentag. Ich?

Mir fällt nix ein, weiß nicht, was ich sagen soll – und erzähle ihr, reine Verlegenheit, dass es ja im Moment wiedermal große Diskussionen gibt, unter den Krimiautorinnen, made in Germany:

Vernachlässigung, Benachteiligung. Schlechtere Chancen bei Preisen und in Bestenlisten als andere – also, die Dings, äh, die Männer. Ärger! Das Gefühl, dass man ihnen nicht zutraut, „richtige“ Krimis zu schreiben, politische, klar – Thriller schon, mit Gefühl, aber ernsthaft, das halt nicht. Frauen machen gefühlige Unterhaltung, Frauenunterhaltung, Männer richtige Krimis, is klar, ne?

Ja, cool, sagt sie, die Redakteurin, dann mach das doch, so nach dem Motto „Können Frauen Krimi?“, so pointieren wir das, okay? Passt ja auch, oder, wären doch sowieso die Krimis dran diese Woche, nicht?

Ich so: Äh, ernsthaft? Können Frauen Krimi? Sie: Ja, ne, sie meinte natürlich: Können Frauen politischen Krimi? Hört sich bloß irgendwie blöd an, so als Titel. Also, komm wir spitzen das mal wirklich zu: Können Frauen Krimi? (..) (..) Ja, okay, machen wir, alles klar, Ciao.

Bloß: Wieviel Jahre habe ich jetzt schon darauf nicht mehr geachtet? Also, ob ein Krimi von einem Mann oder von einer Frau geschrieben wurde oder von wem auch immer…

Sagen wir so: Es kommen halt ne Menge Krimis, man sucht die Interessanten, die einen stammen von Frauen, die anderen von Männern, viele, viele Neuerscheinungen, den Kopf oben halten, die Spreu vom Weizen trennen, darauf kommt´s an, weniger, sagen wir, auf die sekundären Geschlechtsmerkmale. Von einer Frau, von einem Mann geschrieben – wen interessiert das, so lang´s ne gute Geschichte ist? Und das ist doch das Entscheidende – oder nicht?

Das ist irgendwie – so 80er: „Die“ Frauen und „die“ Männer. Echt mal! Ist das jetzt wieder so? Egal, wahrscheinlich müssen wir demnächst auch wieder in die Kirche, die Männer links, die Frauen rechts. Oder umgekehrt?

Also, anders gesagt, die Kurzfassung: Äh, ja klar, logisch, wieso nicht?

Und zwar zum Beispiel:

Zoe Beck (Deutschland): Visionär, klar, böse – die derzeit womöglich beste deutsche Genreautorin, zumindest was politisch-gesellschaftskritische Kriminalliteratur angeht.

Simone Buchholz (Deutschland): Pfiffige, luftige, sehr persönliche Geschichten mit Hamburger Kiez-Appeal. Das ist im besten Sinne leicht, ohne light zu sein.

Candice Fox (Australien): Die spannendste „junge“ Stimme des Genres, global gesehen. Wer einen ihrer Romane gelesen hat, weiß: Die Zukunft des Genres ist schon Gegenwart.

Monika Geier (Deutschland): Bei ihr ist der Regiokrimi made in Germany mit am Besten. Der Alltag in der Pfalz wird da – fast – zum Abenteuer. Sehr besonders.

Merle Kröger (Deutschland): Genre im weiteren Sinn, intelligent und originell, mit Empathie und dokumentarischem Blick – Merle Kröger ist eine der besten deutschen Gegenwartsautorinnen.

Dominique Manotti (Frankreich): In ihren extrem fokussierten und ausgesprochen schwarzen Politkrimis seziert sie die politische Gesellschaft Frankreichs – gnadenlos.

Patricia Melo (Brasilien): Die bekannteste und beste Spannungsautorin Südamerikas – die mit den verschiedensten Mitteln des Genres die Gesellschaft Brasiliens durchmisst.

Denise Mina (Schottland): Hart gesotten und gnadenlos sozialkritisch – Denise Mina ist eine der interessantesten VertreterInnen des „Tartan Noir“, Genre mit Schottenmuster.

Reggie Nadelson (USA): New Yorker Großstadtgeschichten, geplottet und geschrieben mit dokumentarischem Blick – und einem auf die russischstämmige Community. Groß.

Mala Nunn (Südafrika): Arbeitet die Geschichte des Apartheidsstaats in zeitgeschichtlichen Kriminalromanen auf. Die weibliche Stimme des südafrikanischen Krimibooms.

Karen Slaughter (USA): Brutalo-Blutgrätschen-Queen der US-Mainstreamliteratur, eigentlich nicht mein Fall – aber ihr Roman „Cop Town“ ist ein Muss in Sachen Krimi von Frauen.

P.J. Tracy (USA): Mutter-Tochter-Autorinnenteam, mit sehr gewitzten, verrückten Charakteren und Geschichten. Große Unterhaltung. Empfehlenswert: vor allem die älteren Romane.

Fred Vargas (Frankreich): So versponnen kann man Wunder, Geheimnisse und mysteriöse Begebenheiten in den schnöden Alltag zaubern! Krimi zwischen Märchen und Oper, irgendwie.

Auf Bewährung für die Liste zugelassen, das aber mit guten Aussichten, wenn weiterhin gute Romane kommen:

Katja Bohnet (Deutschland): Hochdruck-Volldampf-Polizei-ErmittlerInnenprosa aus Berlin – mit wundersamen Familienkonstellationen und stets ungeahnten Tiefendimensionen.

Melanie Raabe (Deutschland): Smarte Psychoplots, unblutig, doch erschütternd, ohne Netz, aber mit doppelten Böden – Thriller können auch ohne Schlitzer-Attitüde (weltweit) erfolgreich sein.

4 Kommentare

  1. Mechthild Borrmann fällt mir noch ein.
    Hat das reine Krimi Genre zuletzt zwar verlassen, das tut der Spannung aber sowas von keinen Abbruch.

    • Vielen Dank! Und ja, da stimme ich zu. Aber es gibt auch noch so viele andere, die man nennen könnte – irgendwo musste ich einen Strich ziehen. Demnächst gibt´s hier nochmal einen Text über Trümmer-Krimis und sonstige Nachkriegsgeschichten, da wird Mechthild Borrmann auf jeden Fall nochmal gewürdigt…

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