Kriminalliteratur aus Nigeria und den USA

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Kriminalliteratur aus Nigeria und den USA

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Im Grunde muss man bloß den Titel anführen, um die Geschichte des Romans „Meine Schwester, die Serienmörderin“ zu paraphrasieren: Zwei Schwestern also, Ayoola, die jüngere, ein Schmetterling, neigt dazu, ihre Liebhaber zu killen; Korede, die ältere, äußerlich eher, sagen wir, unauffällig, räumt hinterher auf und sorgt auch ansonsten dafür, dass das Leben weiter gehen kann, ohne dass jemand im Knast versauern muss. Was so lange gut geht, bis eines Tages ein Mann, Dr. Tade, zwischen ihnen steht, eine Zeit lang zumindest, dann, äh, erledigt sich das Problem; Schwestern sind schließlich Schwestern, mögen sie auch noch so verschieden sein … Oyinkan Braithwaite lebt in Lagos, „Meine Schwester, die Serienmörderin“ ist ihr Debütroman – eine geradezu lehrbuchhaft in Szene gesetzte, spielerische Pulp-Genre-Reminiszenz, die allerdings hinter allem Augenzwinkern (und von hinten her betrachtet) eine so radikale wie glasklare feministische Haltung birgt. Und die mit einer grandiosen Schluss-Pointe zu verzücken weiß. (Blumenbar, Euro 20, übersetzt von Yasemin Dinçer.)

(Eine Anmerkung, vom 11. Februar: Mir ist ein dummer Fehler unterlaufen – dachte, der Roman von Oyinkan Braithwaite erscheint Anfang Februar – tatsächlich wird er erst am 10. März auf den Markt kommen. Sorry! Werde dann auch nochmal extra drauf hinweisen …)

Attica Locke, geboren 1974, Schriftstellerin, Drehbuchautorin, Produzentin, war im vergangenen Jahr eine der Entdeckungen schlechthin in Sachen Genre aus den USA, und ihr erster ins Deutsche Roman „Bluebird, Bluebird“ war ein dicker Erfolg. Jetzt folgt „Heaven, my Home“, der neue Fall des afroamerikanischen Texas Rangers Darren Matthews, der weitab von allem am Caddo Lake einen verschwundenen Jungen aufspüren soll. Das Pikante an der Sache: Levi King ist der Sohn eines Anführers der Arischen Bruderschaft, und Darren hat noch einen zweiten, einen Geheimauftrag im Gepäck: Beweise aufzutun, die Bill King, den Vater, der kurz vor einer Begnadigung steht, weiter im Knast schmoren lassen würden. Dazu muss der Ranger, so wird sich zeigen, allerdings sowas wie einen Pakt mit dem Teufel eingehen, der ihn, in seinem Selbstverständnis, einer der „Guten“ zu sein, zutiefst erschüttern wird … Attica Locke arbeitet den amerikanischen Rassismus in vielen Dimensionen und Facetten auf, aktuell und mit historischem Blick, sie macht die Prägungen und Verbindungen sichtbar, und sie erzählt dabei, wie schon in ihrem Debütroman, eine packend-faszinierende Geschichte, die es in vielfacher Weise in sich hat. Große Klasse – Genreliteratur in Ausnahmequalität. (Polar Verlag, Euro 22, übersetzt von Susanna Mende.)

Apropos Rassismus, apropos zweiter Teil einer Serie: Auch vom amerikanischen Schriftsteller Thomas Mullen, dessen Debüt „Dark Town“ Ende 2018 auf Deutsch herauskam, ist jetzt mit „Weißes Feuer“ ebenfalls ein Nachfolgeroman erschienen. Mullens Geschichten entführen in die Stadt Atlanta unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, erstmals überhaupt in den USA durften dort Schwarze, meist Kriegsveteranen, für die Polizei arbeiten, das allerdings unter widrigsten Umständen, im Prinzip machtlos und ständiges Ziel eines ungeheuren Rassismus auch von Seiten der weißen Kollegen. Plus: Zwischen allen Stühlen sitzend, als Hüter einer Ordnung, die sie selbst und ihresgleichen als Menschen x-ter Klasse betrachtet … Zeitgeschichte als kompakter, dynamischer Polizeithriller erzählt, geschickt inszeniert, sehr überzeugend. (Dumont, Euro 24, übersetzt von Berni Mayer.)

By the way: Falls sich jemand für die Vorstellung der beiden ersten Teile interessiert, die Besprechung aus dem Februar letzten Jahres findet sich HIER.

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