Von Jeong Yu-jeong und Jung-hyuk Kim: Neue Kriminalliteratur aus Südkorea

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Von Jeong Yu-jeong und Jung-hyuk Kim: Neue Kriminalliteratur aus Südkorea

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Asien ist ein Thema auf dem deutschen Krimimarkt. Schwerpunkt dieses Trends war bislang Japan, zunehmend spielt mittlerweile auch Südkorea eine wichtige Rolle. Zwei aktuelle Beispiele von Jeong Yu-jeong und Jung-hyuk Kim.

Jeong Yu-jeong, geboren 1966, war mit ihrem grandiosen Thriller „Sieben Jahre Nacht“ vor drei Jahren die erste Kriminalschriftstellerin aus Südkorea, die hierzulande breiter bekannt wurde, der Roman schaffte es damals sogar in die Krimibestenliste. Ein Vorbote, wenn man so will, angesichts der Tatsache, dass es neuerdings eine ganze Reihe von asiatischen Genreromanen gibt, die ins Deutsche übersetzt werden, scheint also zu funktionieren.

Mit dabei auch „Der gute Sohn“ (Unionsverlag, übersetzt von Kyong-Hae Flügel, Euro 19,–), ein weiterer Roman von Jeong Yu-jeong, der in Südkorea 2016 erschien. Die Story erzählt von einem jungen Mann, der blutverschmiert nahe der Leiche seiner Mutter aufwacht, der jemand die Kehle durchgeschnitten hat. Jemand – oder er selbst? Das ist die Frage, der Jeong Yu-jeong mit ihrem Erzähler in vielen Facetten und auf verschiedensten Ebenen nachspürt, wobei sie sehr geschickt immer neue Unklarheiten ausstreut statt gegebene aufzulösen, bevor es ihr es am Schluss sehr geschickt gelingt, die trotz allem eigentlich völlig klar wirkende Geschichte überraschend aufzulösen.

„Der gute Sohn“ ist ein tiefschwarzer Psychothriller, der mit nüchterner Neugier der Frage nach der Natur des Bösen nachgeht, zugleich all das aber auch auf einer en passant fast unbemerkt eingezogenen Metaebene persifliert. Ein ganz anderer Roman als „Sieben Jahre Nacht“, vom Draußen ins Drinnen führend, gewissermaßen, jedenfalls aber ein nicht minder überzeugender – große Klasse dieser Thriller, der auf jegliche Form von Moral demonstrativ dankend pfeifft.

Zweites aktuelles Beispiel: „Dein Schatten ist ein Montag“ von Jung-hyuk Kim, gerade ganz frisch erschienen (Cass Verlag, übersetzt von Paula Weber, Euro 20,–) Jung-hyuk Kim, geboren 1971, Designer, Journalist, DJ, scheint es an Selbstbewusstsein nicht zu mangeln, er nimmt sich in Sachen Krimi direkt einer der größten Herausforderungen an: Das Muster der hartgesottenen Detektivgeschichte ins Hier und Jetzt zu übertragen. Also: In sein Jetzt und Hier, nach Seoul im Jahr 2014. Was, um es gleich vorweg zu nehmen, ganz erstaunlich gut und originell gelingt.

Dongchi Gu heißt der windige Privatermittler, von dem Jung-hyuk Kim erzählt, ein so genannter „Deleter“, der sich damit durchschlägt, dass er – auf präfinalen Wunsch und gegen Bezahlung, natürlich – Sachen von Verstorbenen vernichtet, die diese nicht ihrer Nachwelt hinterlassen wollen. Also, Festplatten, Datensticks, Handys, solche Dinge. Aber auch ganz althergebracht Persönliches, Briefe, Fotos, Erinnerungsstücke. Sachen, die ihren Besitzern so wichtig sind, dass sie sich lebend nicht von ihnen trennen können, die sie aber bei niemand sonst wissen wollen, wenn sie selbst mal das Zeitliche gesegnet haben werden. So weit, so ungewöhnlich, schöne Idee jedenfalls.

Problematisch wird es dann, als nicht bloß ein Auftraggeber von Herrn Gu ermordet wird, sondern auch noch ein Tablett verschwindet, das nach dessen Tod auftragsgemäß beseitigt werden soll. Gu ist zuverlässig, er macht sich auf die Suche – und bringt damit eine Kette von Ereignissen in Gang, die, wie gesagt, den Bedingungen für einen funktionierenden Detektivroman blendend genügen. Zugleich fließt sehr viel Atmosphärisches mit ein, Eindrücke aus dem von Gentrifizierung bedrohten Viertel, in dem Gu sein Büro hat, auch das sehr spannend und interessant und geschickt inszeniert. Und also: Krimi aus Südkorea, kann was, mal schauen, was da in nächster Zeit noch alles kommen wird …

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