Neuer deutscher Naher Osten

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Neuer deutscher Naher Osten

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Migration ist ein Problem. PROBLEM PROBLEM PROBLEM! Könnte zumindest meinen, wer den öffentlichen Diskurs (und das Gros der Berichterstattung) zu dem Thema in den letzten Jahren resümiert. Und klar, natürlich ist Migration auch problematisch, für die Zielgesellschaft, wie für die Menschen, die sich auf den Weg machten. Machen mussten. Was bei dieser problemzentrierten Perspektive allerdings allzu oft außer Sicht bleibt: Migration ist ein Gewinn. GEWINN GEWINN GEWINN GEWINN. Zum Beispiel – für die Literatur. Die Welt hält Einzug, Menschen mit ganz besonderen Themen tauchen auf. Und Kompetenzen. Daily good News: Eine permanente Bereicherung, wunderbar. Wie sehr die Migration die Literatur verändert – und bereichert, beobachten wir ja schon seit vielen Jahren. In diesem Jahr wurde es an einem Thema besonders und exemplarisch augenfällig: Der Iran-Irak-Krieg von 1980 bis 1988 als Thema der zeitgenössischen und „jungen“ deutschen Literatur. Ein „deutsches Thema“, klar, denn deutsche Schriftstellerinnen schreiben auf Deutsch darüber, welche Rolle dieser Krieg für ihren Familien, ihre ProtagonistInnen, ihre Gedankenwelten spielt. Abbas Khider zum Beispiel, der in „Palast der Miserablen“ eine Coming of Age-Geschichte inklusive Golfkrieg erzählt. Nava Ebrahimi, deren Protagonist in „Das Paradies meines Nachbarn“ ein ehemaliger Kindersoldat aus der Zeit ist – oder nicht? Karosh Taha zieht in „Im Bauch der Königin“ Verbindungen vom Ruhrgebiet in die kurdischen Teile des Irak; bei Ronya Othmann geht es in „Die Sommer“ um ihre familiären Wurzeln in einem jesidischen Dorf in dieser Gegend; nicht minder exzellente Texte, in denen der erste Golfkrieg zwar nicht so direkt wie bei den anderen beiden Genannten eine Rolle spielt, doch aber im Hintergrund durchaus Thema ist. Neben anderen Ereignissen und Konflikten in diesem neuen, deutschen, allzu nahen Osten, von dem die deutsche Literatur jetzt eben auch erzählt – ganz selbstsverständlich, eben ein Gewinn, besten Dank dafür …

(Der Text stammt usprünglich aus dem Dezember 2020 – aus gegebenem Anlass ziehe ich ihn hier nochmal nach oben …)

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