(Noch mehr) Climate Fiction

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(Noch mehr) Climate Fiction

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Climate Fiction, kurz CliFi, angelehnt an SciFi von Science Fiction, meint Literatur zum Klimawandel. Ein Thema, das sich quer durch alle Gattungen und Genres der Literatur zieht – vom so genannten Ökothriller, über den Bildungsroman, über die Poesie, bis hin zu dystopischen Zukunftsszenarien. Ich habe hier bei “Noller liest” schon öfter drüber berichtet, zum Beispiel hier, im April 2018. Und hier, im Juni vergangenen Jahres, mit dem tollen Roman “New York 2140” von Kim Stanley Robinson. Das Bild dazu: Ein überflutetes New York als Venedig des 22. Jahrhunderts.

Neu: “Die Reinsten” von Thore D. Hansen

Jetzt ein kleines Update: Ganz neu rausgekommen ist der Roman “Die Reinsten” von Thore D. Hansen (Golkonda Verlag, 22 Euro). Eine Geschichte, die Ende des 22. Jahrhunderts spielt; die Klimatastrophe hat sich längst ereignet; die Welt wird nun von einer KI regiert. Die verbliebenen Menschen bemühen sich mit ihrer Hilfe – bzw. unter ihrer Anleitung – den Planeten wieder ein wenig, sagen wir, aufzuräumen. Ein unterhaltsam geschriebener, exzellent recherchierter, philosophisch unterfütterter Science Fiction-Roman, dessen Heldin Eve Legrand, eine Wissenschaftlerin, die auf Abwege gerät, zwei Fragen nachspürt: Wie konnte es nur so weit kommen? Und: Was könnte das für ein Leben sein, in dem es so etwas wie Gedankenfreiheit gibt? Dahinter natürlich eine der ganz großen Frage unserer Zeit der sich abzeichnenden Klimakatastrophe: Könnte die Freiheit ein Preis sein, um den Planten – bzw. die Menschheit – zu retten?

Ilija Trojanow: Eistau

Die Climate Fiction ist natürlich ein relativ junges Phänomen in der Literatur, trotzdem gibt´s durchaus schon Romane, die man als Klassiker bezeichnen kann. Zum Beispiel “Eistau”, den 2011 erschienenen Roman des in Wien lebenden Weltenbummlers Ilija Trojanow. Zeno, sein Held, ist ein Glaciologe, dem in den Alpen mit den Gletschern Arbeit und Lebenssinn weg geschmolzen sind; er heuert als Experte auf einem Kreuzfahrtschiff an, das betuchte TouristInnen durch die Antarktis schippert. (Schön inszenierte Lesung mit Musik, Hörbuch Hamburg, Euro 9,75. Taschenbuch: Euro 9,99 bei dtv)

Liane Dirks: Falsche Himmel

Eine überraschende Entdeckung ist der Roman “Falsche Himmel” von der Kölner Schriftstellerin Liane Dirks: Schon 2006 veröffentlicht, schildert sie das Leben in einer namenlosen westdeutschen Großstadt nach der Klimakatastrophe – mit dem Fokus auf die Frage, was noch bleibt vom “Menschsein”, wenn die Menschheit in den Überlebensmodus gerät. Ein erstaunliches Buch auch deshalb, weil die Geschichte bereits alle Themen enthält, die jetzt in Sachen Klima diskutiert werden, vom Insektensterben bis hin zu den Migrationswellen, die der menschengemachte Klimawandel auslösen wird. Das Buch war seinerzeit ein Mißerfolg, vermutlich war Liane Dirks der Zeit zu sehr voraus; heute ist es bloß noch als Ebook und antiquarisch zu bekommen, auch in der Hörbuchvariante. Was extrem bedauerlich ist – denn “Falsche Himmel” ist heute so etwas wie: Der Roman zur Stunde. (Kiepenheuer & Witsch, 2006. Ebook: 14,99 Euro. Buch: Ab um die 50 Euro. Hörbuch: Ab 6 Euro.)

Noch mehr Climate Fiction

Zuletzt ein kleiner Tipp, für alle, die etwas Zeit haben und mehr wissen wollen:Hier findet sich eine einstündige WDR-Sondersendung von mir – mit vielen Tipps in Sachen “Climate Fiction” – und mit Interviews auch der drei AutorInnen, die hier genannt wurden.

Ein Kommentar

  1. Hallo zusammen,

    noch ist es allgemein gar nicht so einfach, mit einer Geschichte, die als Climate Fiction bezeichnet wird, vorstellig zu werden. Menschen, mit denen ich darüber spreche, wissen zwar mit der Begrifflichkeit etwas anzufangen. Das Interesse des Gegenüber ist meistens groß, der Aha Effekt, da hab ich doch auch schon was gelesen, leider sehr, selten.
    Wenn es wahrscheinlich auch noch dauern wird, bis diese literarische Strömung breitenwirksam angekommen ist, so empfinde ich diese momentan als das spannendste und aktuellste , was die Literatur zu bieten hat.
    Ahoi

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