Als mir gestern jemand die Ergebnisse der Correctiv-Geschichte zu einem Geheimtreffen von AfD, Identitärer Bewegung, Werte-Unions-Frauen und Unternehmern schickte, hab ich nur mit den Schulten gezuckt. “Die machen halt so Sachen, die solche Leute halt machen”, war mein erster Gedanke. Seit bald neun Jahren schaue ich als Journalist auf die AfD. In der gesamten Zeit begegnet mir immer wieder die sogenannte “Identitäre Bewegung” (IB), vor allem ihre Leitfigur Martin Sellner, der an dem besagten Treffen teilgenommen hat. Offiziell distanziert sich die Partei von der IB, es gibt einen Unvereinbarkeitsbeschluss.
In Wahrheit aber sind AfD und IB stets eng beieinander. Nur mal zur Erinnerung: 2017 wurde eine Frau beinahe Bundeschefin der Partei, die in ihrer Bewerbungsrede sagte, dass es nicht sein könne, wenn Gruppierungen vom Verfassungsschutz beobachtet würden, weil “sie vielleicht den Volkstanz üben oder eine besondere Heimatliebe an den Tag legen”. Gemeint war die IB; Doris von Sayn-Wittgenstein fehlte am Ende nur eine Stimme für den Vorsitz.
Schein-Abgrenzung
Zwei Jahre später auf dem Parteitag in Braunschweig, gab es Versuche eines großen Lagers, die Unvereinbarkeitsliste eben wegen der IB zu kippen. “Jeder von ihnen, der schon einmal einen Wahlkampf geführt hat weiß genau: Die Identitäre Bewegung hilft uns! Sei es beim Verteilen von Flyern, sei es bei der tatkräftigen Unterstützung von Demonstrationen”, sagte einer der Antragsteller zur Begründung. Nur mit dem Verweis, dass die Abschaffung der Liste eine negative Berichterstattung zur Folge haben könnte, wurde das Ganze nicht zur Abstimmung vorgelegt – ansonsten hätte der Antrag durchaus eine Mehrheit finden können.
Und im Sommer 2023 musste die NRW-AfD eine Europakandidatin akzeptieren, deren Nähe zur IB immer wieder Thema war. Irmhild Boßdorf wird jetzt wahrscheinlich ins Europaparlament einziehen, weil es die Parteitagsmehrheit – auch gegen den Willen des NRW-Landesvorstandes – so wollte. All das ist unter den Augen der Öffentlichkeit geschehen. Und da habe ich noch nicht mal die ganzen informellen Treffen thematisiert, weder habe ich aufgezählt, wie viele aktive und ehemalige IB-Aktivisten von AfD-Parlamentariern beschäftigt werden. Und dass hier und da mal jemand von der CDU-nahen Werteunion dabei ist – nun gut: Deren Galionsfigur Hans-Georg Maaßen wird ja nun auch nicht müde von seiner (Noch-)Partei eine AfD-Annäherung zu verlangen.
Was soll also an dem Treffen in Brandenburg überraschen? Genau: Nichts! Es ist schlicht, wie es ist.
Das laute Gegenmodell fehlt
Die spannende Frage ist doch: Warum ändert das nichts an der Stimmung im Land? Warum eignen sich offensichtlichste Kampfansagen auf Grundrechte nicht mehr dafür, dass es Konsequenzen für die beteiligten Parteien hat. Es hat auch schon andere Zeiten gegeben. Inzwischen nähere ich mich der Antwort: Es ist das fehlende, laute Gegenmodell. Wir haben im Moment einen von Rechts geprägten Diskurs. Sei es in der Migration, sei es beim Bürgergeld, sei es bei Fragen der Ökologie. Dass der Diskurs von der AfD bedient wird, ist offensichtlich. Dass Teile der CDU – sofern man die Werte Union als solchen verstehen mag – mit dabei sind, ist auch eher Alltag des AfD-Berichterstatters.
Was hören wir dazu von der Bundesregierung? Der Bundeskanzler will “im großem Stil” abschieben, statt die Frage danach zu stellen, warum die Kommunen finanziell am Ende sind und somit auch in der Migrationsfrage. Der Arbeitsminister will beim Bürgergeld die Sanktionen verschärfen, während man sich nicht wirklich traut, den Mindestlohn politisch auf das Level zu heben, das selbst NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann für gerecht hält. Und während mächtige SPD-Landesverbände wie der aus Nordrhein-Westfalen eine Umgestaltung der Schuldenbremse fordern, schweigt ihr Kanzler.
Das alles ist Teil eines Problems: Unsoziale Politik treibt nun einmal Millionen von Menschen aus der politischen Teilhabe, die sie dringend bräuchten. Warum sollten arme Menschen wählen gehen, wenn es für sie keine wirkliche Vertretung mehr gibt? Warum sollten durch aktuelle Diskurse erregte Menschen aus der Mittelschicht sich eben nicht rechts-konservativen Parteien zuwenden, die zumindest ein Ende dieser chaotischen Ampel-Politik versprechen? Da ist im Zweifel doch egal, wer wann die Identitäre Bewegung trifft. Natürlich ist das alles empörend, was da in der Nähe von Potsdam passiert ist. Es ist aber auch empörend, dass auf diese erfolgreiche Diskursverschiebung nach rechts keine inhaltliche Gegenbewegung folgt.
5 Kommentare
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Journalist‘s fragility – „ich hab’s euch schon immer gesagt, keiner hat’s gehört, darum soll sich jetzt auch keiner aufregen.“
Nach der Logik kommen wir nie ans Handeln. Da nützen auch zwei versöhnliche Abschlusssätze nichts, wenn man sich bereits in der Überschrift über „die Empörten empört“.
Womöglich braucht es jetzt in einer zerrissenen Gesellschaft einen solchen Aufschrei, um die Unentschlossenen zu überzeugen, dass die Rechten eben nicht legitime Player in einem weiten demokratischen Meinungsspektrum sind.
Wer hier abwiegelt mit relativierendem „ist doch schon lange so“, spielt der rechten Bewegung in die Karten und füttert ein „so schlimm wird’s schon nicht kommen“-Narrativ.
Dabei liegt die Gefahr, die von dieser neuen Qualität des Bündnisses ausgeht, ganz klar auf der Hand: eine Vernetzung über Parteigrenzen hinweg und bewegungsübergreifend gibt sich nicht nur damit zufrieden krude aber vage Ideen auszutauschen, nein, sie planen ganz konkrete Maßnahmen hin zu möglichen Deportationen.
Wer hier die Brisanz nich klar rausstellt und sich mehr über „die Empörten“ beschwere empört, verharmlost diesen nächsten Schritt hin zu rechten Allmachtsbestrebungen.
„Vertreibung“ in Größenordnung Million? Warum nicht?
Das hinterfotzige von Correctiv ist hier die Manipulation durch Wortwahl; Austausch vom Begriff „Abschiebung“, was bei illegaler Einreise das normale Verfahren ist oder sein sollte durch den Begriff „Vertreibung“ mit völlig anderer Bedeutung.
Correctiv ist eine Filterblase und was Correctiv nicht „korrigiert“ sondern wegfiltert ist, nach Genfer Konventionen gibt es bei Krieg keine Umsiedlung im Asylrecht. Bei Krieg gilt die Genfer Konvention zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten, da steht kein Recht auf Ausreise; Zivilpersonen werden in neutralen Zonen in Sicherheit gebracht (Art. 14/15).
Nach Systematik müss(t)en so oder so alle wieder zurück wenn es zumutbar ist und das gilt nicht nur bei Krieg sondern steht sogar bei der Genfer Flüchtlingskonvention (Artikel 1 Abschnitt C Nr. 5).
Allein bei Ukrainern müss(t)en schon 1,1 Millionen irgendwann wieder zurück. Laut EU sind die aber keine „Flüchtlinge“ sondern „Vertriebene“ nach EU-Masssenzustrom-Richtline 2001/55/EG, was auch völliger Blödsinn ist. Ukrainer dürfen aber ohne Visum für 90 Tage legal einreisen, auf eigene Kosten.
Auch Syrer können und müss(t)en wieder zurück, was die Türkei auch vor hat und nicht nur Erdogan sondern auch Opposition.
Auch Abschiebung bei deutschen Pass ist keine Erfindung von Rechts.
Tagesschau 14.06.2019;
„Innenministerkonferenz in Kiel:
Mit Passentzug gegen Clankriminalität“
Teilnehmer z.B.Seehofer, Pistorius, Grote, Caffier
„Eine gemeinsame Strategie zur Bekämpfung krimineller Clans – das ist das Ergebnis der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern in Kiel.“
Inhaltlich ist kein Angriffspunkt erkennbar – so weit ich weiß. Aber Einzelheiten sind nicht bekannt weil dann wahrscheinlich nicht viel Substanz für „Empörung“ übrig bleibt und das wenige womöglich auch noch breite Zustimmung hätte.
Ob „rassistische Kriterien“ oder nicht, was bekannt ist verstößt weder gegen Menschenrechte noch gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung.
Wunderbar ausgedrückt! Das Erschreckende daran: dieser schleichende Prozess ist nicht erst seit 2015 bekannt und die etablierten Parteien haben nicht bzw falsch darauf reagiert. Einst war die AfD eine konservative Partei die von ehemaligen CDU-Politikern gegründet wurde, nachdem Frau Merkel der CDU einen Linksruck verpasste. Anstatt diese dann in die Parteienwelt einzugliedern (wie z.B. mit der Linken), wurde sie ausgestoßen und gebrandmarkt. Jeder erinnert sich bestimmt noch an das Kindergarten-Theater “Ich will aber nicht neben denen sitzen”. Und dann kamen die ganz Rechten und haben die Partei übernommen. Irgendwie erinnert mich das in Grundzügen an die Weimarer Republik und ich kann nur hoffen, dass es nicht so endet.
Ich stufe das eher als taktisches, präventives Wahlkampfmanöver gegen die AfD von Correctiv ein, etwa so wie auch die Flugblattaffaire der SZ rund um Aiwanger, um die CSU/Freie Wähler-Koalition noch flugs zu verhindern und die Grünen zu unterstützen – was bekanntlich, nach einem Riesensturm im Wasserglas, nicht gelang.
Strategie (nicht nur bei Correctiv): Wenn Du willst, dass eine Story möglichst erfolgreich ist, benutze möglichst oft das Wort “geheim” (s.o. “Geheimtreffen”).
Sellner ist vor allem ein “kommerzieller Rechter”, der mit seinen “patriotisch-identitäteren” Auftritten, Publikationen, Provokationen etc. wohl eher nicht schlecht verdient. Dass er (ggf. einflussreiche/re) Multiplikatoren braucht, sucht und ergo zu (auch kleinen) Veranstaltungen einlädt, ist -aus Sellners Sicht und Motivation (vorrangig, um damit Geld zu verdienen)- eigentlich nur gelebte (hier: rechte) Marktwirtschaft. Zumal: was dort im angeblich “Geheimen” verkündet oder ausgeklüngelt wurde, findet sich zuhauf und nicht erst seit dem Juli 2023 -öffentlich und nicht mal ansatzweise “geheim”- sowohl auf einschlägigen, rechten/konservativen Portalen, als z.B. auch auf YT, in Parteiprogrammen und natürlich auch in Sellners “patriotischen” Büchern. Und wenn man die -öffentlichen, ebenfalls nicht “geheimen”- Diskussionen im benachbarten Ausland -aber auch innerhalb der “Werte-Union”- verfolgt (“Ruanda-Modell” als “Re-Migration”smaßnahme, z.B. öffentlich diskutiert in Österreich, UK), dann wurde im vorliegenden Fall eigentlich auch nichts wirklich Neues enthüllt.
Den überzeugten AfD-Stammwähler wird das alles kaum beeindrucken. Zielgruppe dieser (ich nenne es mal überspitzt) “vorgezogenen Kampagne” für die Wahljahre 2024/2025, dürften die sog. “Protestwähler” und (leider!) stetig steigenden Nichtwähler sein. Nicht zu vergessen, dass auch die Rufe nach vorgezogenen Neuwahlen, immer lauter werden – jetzt sogar schon aus dem Lager der Linken.
Und jede Wette: dieses “Geheimtreffen” (vgl. Causa Aiwanger) ist übermorgen schon wieder vergessen. Die oben beschriebene “Stimmung im Land” wird jedoch bleiben und vermutlich (leider!) auch nicht besser, was wirklich fatal ist und der Demokratie (im originären Sinne) tatsächlich den Hals brechen könnte! Die AfD/Werteunion/Identitäre/etc. sind dabei nur Symptom, aber nicht Ursache.
Es gibt keine „Ergebnisse“ in einer „Correctiv-Geschichte“. So „geheim“ kann das Treffen auch nicht gewesen sein, wenn sich Correctiv da einschleusen konnte.
Es gib auch keinen „Geheimplan“.
Die Reste-Linke schiebt keinen ab, egal ob Asylmissbrauch oder Schwerstkriminalität. Je weiter man im Parteienspektrum nach rechts geht, je mehr ist man für Abschiebung offen. Das ist alles bekannt, daran ist nichts geheim, das kann man im Wahlprogrammen lesen. Wegen dieser Wahlversprechen werden ja in ganz Europa mehr und mehr die rechten Parteien gewählt.
Beim Spektrum Richtung rechts wie links gehe ich selbstverständlich von Kontakten aus, soweit Zustimmung. Aus Überschneidungen in Teilen kann man aber nicht zwangsläufig auf mehr oder weniger „Nähe“ schließen; weder rechts, noch links, noch dazwischen.
Das alles bedeutet nichts, nix, null, nada, niente. Das ist ein Luftschloss gebaut aus Spekulation.
„Abschiebung im großen Stiel“ ist ein Wahlversprechen von Scholz, das mit tatsächlichen Ergebnissen der Ampel nichts zu tun hat. Erleichterte Abschiebung als Gesetzt bringt fast nichts. Man kann aber vermehrte Einbürgerungen registrieren, mit Syrern an der Spitze; in NRW (CDU, Grüne) und im Bund (SPD, Grüne, FDP). Da wäre bei Abschiebungen auf rechte Parteien weit mehr Verlass als auf Lippenbekenntnisse von Scholz und europaweit wird das schon gar nichts am Rechtsruck ändern.
Die Türkei wird Syrer im großen Stiel abschieben, 3,7Millionen leben dort. Wer meint, die dürften keinesfalls nach Syrien zurück müsste die hier einreisen lassen, und das den Wählern vorher erzählen.
Die Gefahr für die Demokratie sehe ich auch.
Aber nicht durch eine Partei, die mit mehr direkter Demokratie „mehr Demokratie wagen“ will. Die Gefahr sind Parteien, die an der stark eingeschränkten repräsentativen Demokratie kleben und Volksentscheide meiden wie der Teufel das Weihwasser. Faktisch käme ein Verbot der AfD einem Stimmrechtentzug von etwa einem Viertel bis einem Drittel der Wähler gleich.