Der Sitz der Macht

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Der Sitz der Macht

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Renovieren im Bestand, das weiß jeder Hausbesitzer, ist immer ein Risiko. Fängt man einmal an, tauchen Schwierigkeiten auf, die so nicht absehbar waren. Und häufig wird es teurer als gedacht.

Warum also sollte das dem Hausherrn am Düsseldorfer Rheinufer, in der Staatskanzlei des Landes, anders ergehen? Seit Jahren zieht sich die Sanierung des alten Kastens hin, Ministerpräsident Hendrik Wüst und seine Regierungszentrale brauchen Geduld und Geld. Für Ärger mit der Opposition, die eine „Luxussanierung“ wittert, ist allemal gesorgt.

Das wäre schon unangenehm genug. Doch jetzt stehen plötzlich Korruptionsvorwürfe im Raum, gegen sieben Beschäftigte des landeseigenen Baubetriebs und beteiligter Büros und Firmen ermittelt die Staatsanwaltschaft Wuppertal. Auch wenn es dabei wohl um die Beleuchtungstechnik des Landeshauses geht – es liegt noch Vieles im Dunkeln.

Es ist ein weiteres Kapitel in einer wechselvollen Geschichte. Bis 1999 hatte der Ministerpräsident seinen Dienstsitz in der Villa Horion, die unmittelbar an das Landeshaus grenzt. Johannes Rau regierte von dort aus 20 Jahre lang. Heute befindet sich in der Villa das Haus der Parlamentsgeschichte. Das Gebäude verströmt den Charme parkettholzknarzender Historie. Besucher wundern sich, dass eine Regierung auf so wenigen Quadratmetern Platz fand.

Der Umzug des Ministerpräsidenten in das Stadttor sorgte vor einem Vierteljahrhundert für viel Gesprächsstoff. Wolfgang Clement, der sich selbst gern als Macher und Erneuerer des Landes sah, wollte unbedingt, dass die Moderne Einzug hielt. In dem gläsernen Hochhaus, in Sichtweite der alten Villa Horion gelegen, war es luftig und schick. Getreu dem Motto: Sag mir, wie du wohnst, und ich sage dir, wer du bist.

Aus der elften Etage hatte er fortan, bei gutem Wetter, große Teile des Landes im Blick. Johannes Rau allerdings teilte die Begeisterung nicht: „Ein Ministerpräsident wohnt nicht zur Miete.“ Peer Steinbrück regierte von dort aus, ebenso Jürgen Rüttgers. Allerdings mit gebremster Euphorie.

Von Rüttgers erzählt man sich, dass ihm das Stadttor nicht als der rechte Ort für einen repräsentativen Amtssitz erschien. Staatsgäste, gekrönte Häupter gar, im Eingangsbereich vor der Rolltreppe zu empfangen, zwischen Zahnarzt und Geldautomat – das mag man als Ausweis der besonderen Lebensnähe der NRW-Politik betrachten. Man kann es aber auch einfach für völlig unpassend halten.

Hannelore Kraft hielt dennoch wacker sieben Jahre in ihrem gläsernen Büro aus, erst Armin Laschet zog um. 2017 ging es ins Landeshaus, wo er bereits als Minister gesessen hatte. In Düsseldorf hält sich hartnäckig die Erzählung, dass Zigarillo-Freund Laschet die Immobilie deswegen ins Herz geschlossen hatte, weil er dort schneller an die frische Luft kam. Im modernen Stadttor lassen sich die Fenster nicht öffnen.

Kurz nach dem Einzug begann die Sanierung, seitdem wird die Schaltstelle der Macht wahlweise von Plastikfolie, Stahlgerüsten und Farbmustern geschmückt, quälen Bohrlärm, Staub und Zugluft die Mitarbeiter. Vieles ist inzwischen zwar fertig, aber noch nicht alles. Jetzt spielt die Opposition mit dem Gedanken, einen Untersuchungsausschuss die Vorgänge unter die Lupe nehmen zu lassen.

Angesichts der skandalträchtigen Geschichte des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW muss man befürchten, dass es sich lohnen könnte.

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Über den Autor

Jochen Trum ist Leiter der landespolitischen Redaktion des WDR.

Ein Kommentar

  1. Der Beitrag beleuchtet zwar die Symbolik des Landtagsgebäudes, verpasst aber die Gelegenheit, kritisch auf die tatsächliche politische Kultur einzugehen. Macht manifestiert sich nicht nur in Architektur, sondern vor allem in Transparenz, Bürgernähe und echter Debatte. Solange wichtige Entscheidungen hinter verschlossenen Türen getroffen werden und Parteipolitik oft über Sachverstand siegt, bleibt der ‘Sitz der Macht’ für viele Bürger eine ferne Institution. Hier wäre eine tiefere Analyse wünschenswert.

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