Vielleicht ist er etwas schmeichelhaft, dieser Vergleich. Aber mich erinnern sie an die Ritter der Tafelrunde, die 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten, die diese Woche in Leipzig ihre Jahreskonferenz hatten. Wie sie ihre Lanzen erhoben und ins Horn geblasen haben – in Richtung Berlin. Um der Ampelregierung mal richtig zu zeigen, wie Handlungsfähigkeit aussieht. Beim Grand Slam des Föderalismus wollten die unionsgeführten Länder den dicken Aufschlag zu einer neuen Migrations- und Sicherheitspolitik machen. Doch außer viel Getöse gibt es – abgesehen von der beschlossenen Rundfunk-Reform – wenig konkrete Ergebnisse.
Die Runde der “kleinen Könige”, wie sie auch schon genannt wurde, wird immer dann besonders laut, wenn der Bund schwächelt oder die Krise besonders groß ist. Seit 70 Jahren tagt sie regelmäßig, um drängende Probleme zu lösen. Ein Aushängeschild des Föderalismus. Richtig prominent wurde die Runde aber erst in der Megakrise Corona – als die “MPK”, so heißt sie kurz, zu so etwas wie einem Länder-Lagezentrum wurde, in dem heftig gestritten und dennoch am Ende gemeinsam entschieden wurde.
Heute heißt die Krise: Rechtsruck, Gefahr durch Extremisten und große Hilflosigkeit beim Thema Migration. Ministerpräsident Wüst ruft mantrahaft nach einer “Allianz der Mitte”, um den extremen Rändern das Wasser abzugraben. “Vertrauen gewinnen durch Handlungsfähigkeit” hieß der Schlachtruf beim “Spiel ohne Grenzen” in dieser Woche – rund 200 Kilometer von Berlin entfernt. Die Teams sind in der “MPK” aufgeteilt in A-Länder (= SPD-geführt) und B-Länder (= unionsgeführt). Und aus der B-Riege (wertfrei, aber die Union hat nunmal das Los B gezogen) kommen zwei, die eigentlich selbst gern Kanzler geworden wären – aber die Kandidatur großherzig an Friedrich Merz abgegeben haben: Markus Söder und NRW-Chef Hendrik Wüst.
Der reiste mit einem dicken Trumpf im Gepäck im Osten an: Seine schwarz-grüne Regierung hat – unter dem Eindruck des Messeranschlags von Solingen – ein Paket zu Migration und Sicherheit geschnürt, das Wüst als das größte in der Geschichte des Landes preist.
In der Tat: Es ist nicht nur bemerkenswert, dass die NRW-Grünen diesem Paket zugestimmt haben – mit seinen Verschärfungen des Asylrechts, den massiven Erweiterungen der Befugnisse von Ermittlern bis hin zum Ruf nach der Vorratsdatenspeicherung. Ein Erfolg für Wüst war auch, dass die beiden anderen schwarz-grünen Länder – Schleswig Holstein und Baden-Württemberg – sich das Paket zur Blaupause machten und mitzogen. NRW als Lanzenbrecher. Auch vor einer Woche, als die unionsgeführten Länder das Sicherheitspaket der Ampelkoalition in Teilen im Bundesrat vor die Wand fahren ließen. Weil es ihnen zu lasch war.
Wüst will keine “Trippelschritte”, hat er in Leipzig erklärt. Er will den großen Wurf beim Thema Migration noch dieses Jahr (das sind noch rund acht Wochen). Ein schärferes Sicherheits- und Migrationspaket will er mithilfe des Vermittlungsausschusses auf den Weg bringen. Und dafür wollte er gern die Reihen in Leipzig, so gut es geht, hinter sich schließen.
Er appellierte: Die SPD-geführten Länder sollten sich den Positionen der schwarz-grünen doch annähern: Asylverfahren in Drittstaaten, die Verfahren für Herkunftsstaaten mit einer Anerkennungsquote von unter fünf Prozent automatisch beschleunigen, Speicherung von Verkehrsdaten, einfachere Ausweisung von Straftätern… Doch sie zogen nicht mit. Kein Wunder, denn es ist Wahlkampf.
Noch vor einem Jahr hätte das vielleicht anders ausgehen können. Da hatten die Länderchefs noch ein dickes Migrationspaket auf der MPK beschlossen. Jetzt standen sie sich selbst im Weg. Während viele mit dem Finger auf die Ampel zeigten, richteten sie die Lanzen gegenseitig auf sich selbst. Doch zu echter Handlungsfähigkeit, gehört mehr gemeinsamer Lösungswille, liebe Ritter! Da werden Lanzen gebrochen.
Ach ja, übrigens: Die MPK tagt zwar regelmäßig seit 1954. Ihre eigentliche Geburtsstunde war aber schon sechs Jahre früher in Koblenz. Sie ging als “Rittersturzkonferenz” in die Geschichte ein – benannt allerdings lediglich nach dem Tagungshotel.
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Ein Kommentar
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Ich glaube kaum, dass die Ritter der Tafelrunde beim Thema Pest am Handy rumgespielt haben wie Ritter Ramelow. Aus Corona und etablierte Parteien bekommt man keine guten Beispiele, höchstens Beispiele für Versagen.
Ein runder Tisch gleichberechtigter Teilnehmer ist trotzdem im Prinzip eine gute Einrichtung, Gewaltenteilung nach Prinzip Föderalismus auch. Sonst reicht der Bund einfach Probleme durch an Länder und Kommunen; Migration ist treffendes Beispiel.
Wüst hat völlig recht mit der Absicht, „extremen Rändern das Wasser abzugraben“; also die Themen wegnehmen. Das kommt aber mindestens ein Jahrzehnt zu spät. „Vertrauen gewinnen durch Handlungsfähigkeit“ wird nicht mehr funktionieren denn selbst rechte Regierungen in Schweden oder Niederlanden erzielen kaum erkennbare Ergebnisse und auch in Italien stockt es bei Asylverfahren im Drittstaat. Man kann bei den Etablierten höchstens noch mit Schadensbegrenzung ein paar wenige Stimmen retten aber mehr geht nicht mehr; auf jeder Ebene.