Neue Wertschätzung für unsere Brücken

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Neue Wertschätzung für unsere Brücken

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Für Brücken habe ich mich nie sonderlich interessiert. In meiner Wahrnehmung waren sie einfach da. Als logische Fortführung der Wege, die ich nutze, um von A nach B zu kommen – sei es per Rad, Auto oder Zug. Diese Ignoranz für die dahinter stehende Ingenieurs- und Baukunst konnte ich mir leisten, weil der Staat sich um die Infrastruktur gekümmert hat. Die Brücken funktionierten einfach.

Fatale Ignoranz der Politik

Doch seit einigen Jahren wird immer deutlicher, dass auch der Staat – genauer: die Politik – ignorant war gegenüber seinen Brücken. Und das war fatal. Neu gebaut wurde fleißig – damit lässt sich politisch, auf den ersten Blick, auch mehr Zuspruch gewinnen. Instandhaltung aber ist ein mühsames Geschäft: Es kostet Geld, es bindet Personal, und Lob bekommen Politiker dafür kaum. Die Brücken, die jahrzehntelang zuverlässig unsere Mobilität sichergestellt haben, wurden so immer weiter abgerockt. Das rächt sich jetzt.

Kleinteiliges Mosaik eingeschränkter Brücken

Vor gut zehn Jahren musste die Leverkusener Rheinbrücke der A1 für LKW gesperrt werden – wegen Rissen in der Stahlkonstruktion. Rückblickend betrachtet ist das der Beginn einer neuen Zeitrechnung: Die seit Langem bröselnden Brücken, sie sind inzwischen allerorts so marode, dass sie zum Risiko geworden sind. Überall werden die Bauwerke abgelastet – also weniger, langsamer oder nur noch mit leichteren Fahrzeugen befahren. Immer häufiger müssen sie auch ganz für den Verkehr gesperrt werden. Wer die offizielle Übersichtskarte des Landes aufruft, der hat das Ausmaß in einem kleinteiligen Mosaik vor Augen.

Haarbachtal, Neuenkamp, Rahmedetal – die Bezeichnungen sind zum Synonym geworden für eine nachlässige Verkehrspolitik, für zehntausendfach genervte Reisende und gequälte Anwohnende. Seit einigen Wochen gehört auch die A42 bei Essen zu den Autobahnen, die wegen plötzlich festgestellter Mängel einer Brücke gesperrt werden mussten.

Neuer Blick auf Brücken

Als landespolitischer Korrespondent, der über Verkehrsthemen berichtet, habe ich mir einen neuen Blick auf Brücken zulegen müssen. Ignoranz kann auch ich mir nicht mehr leisten.

Als sie noch stand, aber schon für jeglichen Verkehr gesperrt war, bewunderte ich in Lüdenscheid die filigran anmutenden Stelzen der Rahmedetalbrücke. Ich habe den Unterschied gelernt zwischen Standsicherheit, Traglastindex und Verkehrssicherheit von Brücken. Ich weiß jetzt die architektonische Besonderheiten der kaputten A42-Brücke über den Rhein-Herne-Kanal zu schätzen – die beeindruckenden, feuerwehrroten Stabbögen mitsamt ihren 56 Hängern.

Und ja, manchmal fahre ich auch mit einem leicht mulmigen Gefühl über eine Brücke.

Zeitalter der maroden Brücken geht gerade erst los

Das Zeitalter der Sperrungen, der Sanierungen und Neubauten – es geht gerade erst richtig los. Die Politik muss es jetzt entschieden gestalten. Ich wünsche uns allen, dass wir die dafür nötige Geduld auf die Straße und auf die Schiene mitbringen.

Und den Ingenieuren, die unsere Brücken regelmäßig auf Sicherheit prüfen, einen stets wachen Verstand.

Dieser Text erscheint auch als Editorial in unserem landespolitischen Newsletter “Politik für 18 Millionen”. Jeden Freitag verschicken wir die Themen, die NRW bewegen – an politisch Interessierte, Aktive, Gewählte, und Politik-Nerds. Hier können Sie den Newsletter kostenlos abonnieren.

Über den Autor

Studium in Dortmund und Göteborg, Forschung in Phnom Penh. Abschluss als Redakteur und Diplom-Journalist mit Schwerpunkt Politik. Volontariat bei der Fuldaer Zeitung. Seit 2008 für den WDR tätig, unter anderem vier Jahre als Chef vom Dienst bei 1Live. Vertretungen im ARD-Studio Südasien und im ARD-Hauptstadtstudio Berlin, zwischendurch auch mal nominiert für den Deutschen Radiopreis. Seit 2018 in der Landespolitik-Redaktion des WDR, dort crossmedial befasst mit den Schwerpunkten Energie, Verkehr, Klimaschutz sowie Bündnis 90/Die Grünen. Mitglied des Oxford Climate Journalism Network. Tobias Zacher lebt mit seiner Familie in Düsseldorf.

4 Kommentare

  1. Klaus Keller am

    So sieht Globalisierung im echten Leben aus.
    Es sind nicht nur die Brücken. Alles wurde kaputt gespart, wofür Steuermittel eigentlich da sein sollten; Straßen, Bahn, Bundeswehr, Krankenhäuser und noch viel, viel mehr.
    Seit Schröders besten Niedriglohnsektor wähle die Etablierten nicht mehr. Man braucht aber Niedriglohn wenn es bei krassen Lohnunterschieden in der Welt keinen Zoll mehr geben soll und sich die EU unbedingt nach Osten ausdehnen soll. Und in einem gemeinsamen Markt kann es keinen Zoll geben weil es sonst kein gemeinsamer Markt mehr wäre.
    Arbeitnehmer im Niedriglohn können aber nicht genug Abgaben leisten, brauchen im Gegenteil oft selbst Geld von der Allgemeinheit als Aufstocker oder Wohngeld-Empfänger. Und dann muss man eben sparen und damit ist die lange Liste von kaputt gesparten Bereichen erklärt, unter denen auch die Brücken sind.
    Auf Globalisierung kommt Klimahysterie und Ukraine-Krieg, den es nur gibt weil die EU noch ein ungeeignetes Billiglohnland im gemeinsamen Markt wollte.
    Hier haben Brücken neben Straßen und Schiene in der Tat eine entscheidende Rolle. Deutschland war immer Hochlohnland in der EU, konnte das aber früher ausgleichen mit von Schröder eingeleiteter günstiger Energie aus Russland und überragend guter Infrastruktur; die hier am Beispiel Brücken thematisiert ist. Abwanderung der Wirtschaft in EU-Billiglohnländer gab es immer, aber mit bezahlbarer Energie und guter Infrastruktur hielt sich das in Grenzen.
    Heute sind Löhne zu hoch für den Markt und zu niedrig zum Leben, dazu kommen viel zu hohe Energiekosten und eben diese inzwischen völlig marode Infrastruktur. Brücken sind dabei Engstellen und viel schwerer zu ersetzen als einzelne Straßenabschnitte.
    Also Zustimmung für die besondere Aufmerksamkeit den Brücken gegenüber.
    Aber es war nicht einfach nur „Ignoranz der Politik“ sondern Folge ideologischer Verblendung bei den sogenannten „Chancen der Globalisierung“.
    Unsere Multi-Krise ist in jedem Punkt selbst verursacht.

  2. Ich habe gefühlt 1 Jahr meines Lebens verloren durch das Verkehrschaos um Wiesbaden, nachdem sich die alte Salzbachtalbrücke abgesenkt und dannach abgerissen wurde. Ein absolutes Nadelöhr für die Region – mir ist es ein Rätsel, warum nicht regelmäßige Kontrollen und ggf. Nachbesserungen bei solch wichtigen Knotenpunkten durchgeführt werden und solch einnen Gau zu vermeiden.

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