Eine spannende Landtagswahl 2022 deutet sich an. Aber dass wir jetzt überhaupt wählen, hat mit mit einem Ereignis vor gut zehn Jahren zu tun, genauer gesagt mit dem 14.3.2012. An diesem Tag löste sich der Landtag auf, nachdem die Rot-Grüne Minderheitsregierung keine Mehrheit für ihren Haushaltsentwurf bekommen hatte. SPD und Grünen kam das damals nicht ungelegen. Nach zwei Jahren ohne eigene Mehrheit, in denen man sich immer Stimmen bei Linken, FDP und CDU suchen musste, erschien die Lage in den Umfragen verlockend.
Hannelore Kraft war beliebt, das Bündnis auch. Die CDU hatte mit Norbert Röttgen einen eher blassen bis konfusen Herausforderer. Als zwei Monate danach die vorgezogene Neuwahl stattfand, kratzte die SPD an der 40-Prozent-Marke, die Grünen bestätigten fast ihr bis heute bestes Wahlergebnis von 2010. Und die CDU? Die stürzte historisch ab, die Linke flog aus dem Parlament. Regieren für Rot-Grün wurde – zumindest auf dem Papier – einfacher.
Ein historisches Gedankenspiel
Doch was wäre passiert, hätte sich die Chance einer vorgezogenen Neuwahl nicht ergeben? Schon damals munkelten nicht wenige Beobachter und Beobachterinnen, dass vor allem FDP und Linke immer für die notwendigen Mehrheiten sorgen würden. Beide blickten auf miese Umfragewerte und mussten um den Wiedereinzug bangen. Nicht wenige sagten, dass der Wunsch, nicht aus dem Parlament zufliegen, bei beiden größer sei, als die Regierung scheitern zu lassen. Und auch in der CDU fürchteten manche aus der Fraktion um die eigenen Wahlchancen.
Dennoch: An jenem 14.3.2012 entschied sich die Opposition geschlossen, das rot-grüne Minderheitsexperiment zu beenden. Mit der anschließenden Neuwahl verschoben sich in der Folge die Wahltermine. Statt 2015 wurde drei Jahre früher gewählt, 2017 war eigentlich die Wahl, die bei normalem Turnus erst 2020 fällig gewesen wäre. Schauen wir genauer in die Geschichte, hätte ein “normaler” Verlauf womöglich eine Menge verändert.
Hätte, hätte
Wäre der Landtag nicht 2012 sondern erst 2015 gewählt worden, wäre Hannelore Kraft – was nicht ganz unwahrscheinlich ist – eine immer noch beliebte Ministerpräsidentin gewesen. Im Juni 2015 hätte die Flüchtlingskrise noch nicht auf die Wahl durchgeschlagen. Die AfD war damals – wegen ihrer Beinahe-Spaltung – weit unter fünf Prozent. Ob Norbert Röttgen (der Wahlverlierer von 2012) nach der Bundestagswahl 2013 noch die Rolle im Bundeskabinett gespielt hätte? Sonderlich beliebt bei der damaligen Kanzlerin Merkel war er nie. Aber das ist Spekulation.
Was jedoch klar ist: Die Rahmenbedingungen 2015 wären – aus historischer Perspektive – für Rot-Grün besser gewesen als 2017. Viele Ereignisse, die das damals noch beliebte Bündnis in Misskredit brachten, passierten nach dem Wahltermin 2015: Ob Kölner Silvesternacht, Schlusslichtdebatte oder Amri. Einzig die sogenannte Funkloch-Affäre hätte die Ministerpräsidentin in die Bredouille bringen können. Im Sommer 2014 kamen bei einem Hochwasser im Münsterland zwei Menschen ums Leben. Kraft war in ihrem Urlaub über Tage nicht erreichbar. Als Begründung nannte sie damals, dass sie im Urlaub keinen Handyempfang gehabt hätte. Doch die Kritik verstummte über das Jahr 2014 und der Vorfall geriet – wie so häufig in der Politik – ein Stück weit in Vergessenheit.
Kraft ohne Ende?
Wenn wir davon ausgehen, dass nicht andere Skandale und Fehler die Bilanz verhagelt hätten, wäre Hannelore Kraft 2015 möglicherweise im Amt bestätigt worden. Eine Wiederwahl 2015 hätte allerdings zu einer anderen Lage im Jahr 2020 geführt. Zwar hätte sich die Landesregierung dann mit den angesprochenen Problemen rumschlagen müssen. Aber wohl ohne AfD im Parlament, die im Sommer 2015 chancenlos gewesen wäre. Und die Wahl 2020 wäre in den Beginn der Corona-Krise geplatzt. Damals zeigte sich, dass die Menschen in Krisenzeiten den Regierungswechsel scheuen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die SPD und somit Kraft (oder ein eventueller Nachfolger) irgendwie bestätigt worden wären, kann man als höher einschätzen als 2017.
Was wäre also nicht passiert, wenn die Legislatur 2010 bis 2015 geplant durchgelaufen wäre? Es würde zum Beispiel kein Schwarz-Gelb geben. Armin Laschet (CDU) wäre 2017 nicht Ministerpräsident geworden. Damit wahrscheinlich auch nicht Kanzlerkandidat und die Kampagne der CDU wäre vielleicht anders gelaufen. Ob dann Olaf Scholz Kanzler wäre? Auch dahinter muss man ein Fragezeichen setzen. Und damit sind wir beim Ergebnis dieses kleinen Gedankenspiels: Selbst kleinste Details im historischen Verlauf von NRW-Wahlen können gravierende Folgen haben. Insofern ist die NRW-Wahl immer auch für das ganze Land eine der wichtigsten Abstimmungen überhaupt.
3 Kommentare
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Was wäre, wenn es noch nie eine verkürzte Regierungszeit gegeben hätte? Egal, ob auf Landes- oder Bundesebene?
Ich finde Ihr Gedankenspiel interessant, weil eine Veränderung der regulären Abläufe die Gegenwart bestimmt.
Was wäre, wenn A. Laschett nicht zurückgetreten wäre?
Könnte es nun nach der Wahl vielleicht erneut zu veränderten Regierungszeiten kommen?
Mich hat bis jetzt kein Kandidat überzeugt alle können schön Reden aber sonst, was ist mit den ganzen Hartz4 und kleinen Rentner.
Es geht seit der Agenda bergab mit Deutschland und die Summe der Fehlentwicklungen baut sich immer stärker auf. Wir dürfen nur alle 5 Jahre wählen. In der repräsentativen Politik haben wir keine Mitsprache in der Sache, wir müssen uns für eine Partei entscheiden und das zu 100%, auch wenn wir z.B. nach Wahl-O-Mat nur zu 65% bis 75% mit dem Programm übereinstimmen. Da kann man Glück haben oder Pech, dass erst nach der Wahl an einer neue Fehlentwicklung gebastelt wird.
Als Flucht kann man nur gelten lassen bis man in Sicherheit ist, so ist auch das Grundgesetz gestrickt aber Absatz 2 von GG Artikel 16a wird und wurde schlicht ignoriert. Journalisten nutzen daher die Verschleierung in der Vergangenheitsform: „Geflüchtete“. Richtig gekippt ist die Stimmung erst mit der Kölner Silvesternacht am 31.12.2015, stimmt da wäre die reguläre Wahl in NRW vorbei gewesen. Trotzdem geht diese Fehlentwicklung weiter; die Kölner Silvesternacht brachte auch eine Wende im Journalismus, verschweigen von Problemen mit Migration war wohl doch keine gute Idee und zum ersten Mal wurde in Medien über Clankriminalität gesprochen. Mit zu dem neuen Wahltermin kommt jetzt ein paar Tage vor der Wahl Wild West in Duisburg, was vielleicht oder auch nicht bei einer angenommenen Wahl 2025 in den Hintergrund getreten wäre.
Bei einer angenommenen Wahl 2020 hätte Corona nicht so eine große Rolle gespielt; da war das neu und kaum einer wusste damit umzugehen. Jetzt werde ich mich an 3G oder 2G+ im Frühjahr bei der schwächeren Omikron-Variante erinnern, wer arbeitslos und Pleite ist wird die völlig überzogenen Maßnahmen ein Leben lang nicht vergessen weil das dann oft ein Wendepunkt in die Abwärtsspirale war. Ein paar Infektionen im Herbst mehr und man muss wieder mit Maßnahmen-Chaos der Etablierten rechnen sowie mit Impfpflicht und Drohung von Bußgeldern, egal ob Wüst oder Kutschaty.
Die Summe der Fehlentwicklungen bleibt:
– Globalisierungs-Hysterie
– Willkommenskultur in Hysterie
– Klima-Hysterie
– Corona-Hysterie
– jetzt Ukraine-Hysterie
Das zusammen riecht nach Hyperinflation, die dann keine Partei mehr stoppen kann. Ob der Wähler Konsequenzen zieht ist eine andere Sache, Le Pen hat in Frankreich verloren, die AfD ist in Schleswig-Holstein aus dem Landtag geflogen und bei NRW müssen wir abwarten. Eine Lösung gibt es nicht mehr, nur noch Schadensbegrenzung und mehr kann man auch auf der rechten Seite nicht mehr machen. Werden aber alle Fehlentwicklungen in Wahlen bestätigt, wird die Schadensbegrenzung erst später einsetzen. Es ist eine Frage der Zeit und der Zeitpunkt der Wahl ändert langfristig nichts an der menschengemachten Inflation.